Leser fragen – die Redaktion antwortet Von Stefan Rullkötter
Ich war IBM-Aktionär, als der US-Bluechip seine Tochter Kyndryl abgespalten hat. Dann gab es eine böse Überraschung: Meine Depotbank führte Kapitalertragsteuer auf die neu eingebuchten Kyndryl-Aktien ab (ISIN: US 501 55Q 100 4). Dagegen habe ich Einspruch eingelegt. Das Geldinstitut antwortete mir, dass es zwingend nach den Vorgaben des Kursdienstleisters WM Datenservice und der Finanzverwaltung handeln müsse. Ist dieses Vorgehen der Bank tatsächlich korrekt?
Euro am Sonntag: Depotbanken müssen grundsätzlich der Auffassung der Finanzverwaltung folgen, wenn es um die Abführung von Kapitalertragsteuern geht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat aber kürzlich entschieden, dass der Bezug von Anteilen eines neu gegründeten Tochterunternehmens im Rahmen eines Spin-offs nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führt, wenn eine Abspaltung im Sinne von Paragraf 20 Absatz 4a Satz 7 Einkommensteuergesetz vorliegt (Az. VIII R 15/20).
"Eine steuerfreie Abspaltung ist dann gegeben, wenn die wesentlichen Merkmale einer Abspaltung im Sinne des deutschen Umwandlungsgesetzes vorliegen", erklärt Anton-Rudolf Götzenberger, Steuerberater in Halfing bei Rosenheim. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte bereits in einem Schreiben vom 18. Januar 2016 eine Liste von Kriterien aufgeführt, nach denen bei ausländischen Spin-offs von einer steuerneutralen Abspaltung auszugehen ist (Gz. IV C 1 - S 2252/08/ 10004 :017, Rz. 115). Die dort aufgeführten Punkte müssen für den Fall IBM-Kyndryl noch abgeklärt werden. "Ist eine Abspaltung im Sinne des Umwandlungsgesetzes zu bejahen, sollten sich IBM-Altaktionäre, die Kyndryl-Papiere in ihre Depots gebucht bekamen, via Einspruchsverfahren unter Verweis auf das BFH-Urteil und das BMF-Schreiben gegen den Abgeltungsteuerabzug wehren", rät Steuerexperte Götzenberger.