Letzteres gelingt Unternehmen besonders gut, die über ein Geschäftsmodell verfügen, das sie vor Konkurrenten schützt. Beim Versuch, so einen Burggraben aufzubauen, helfen Eigenschaften wie eine starke Marktstellung, Patentschutz, attraktive Marken, Kostenführerschaft, intensive Kundenbeziehungen, hohe Kosten bei einem Wechsel und ein guter Ruf.
Die mit diesen Merkmalen erreichbare Einzigartigkeit und schwierige Reproduzierbarkeit ziehen typischerweise die angestrebte Nachhaltigkeit beim Wachstum nach sich. Zudem tragen sie dazu bei, die Gewinnspannen hoch zu halten.
Anlegern, die ein interessant erscheinendes Unternehmen einem Geschäftsmodell-Schnelltest unterziehen wollen, rät die DZ Bank zu diesem Merkmale-Check als erstem Schritt. Wer es dann genauer wissen will, muss sich natürlich eingehender mit dem Unternehmen und dessen Bilanz beschäftigen. Und diesen Aufwand auf sich zu nehmen ist durchaus sinnvoll, weil die Langfristigkeit eines Geschäftsmodells aus Investorensicht ein äußerst wichtiger Aspekt ist.
Solche Unternehmen bezeichnet die Genossenschaftsbank als Marathon-AGs. Mithilfe von Parametern wie Unternehmensumsatz, Gewinn (Ebit), Unternehmens- und Buchwert haben die Analysten des Frankfurter Instituts den aktuellen "Trainingsstand" deutscher Firmen anhand einer einfachen Punktewertung kürzlich erstmals wieder seit dem Jahr 2016 gemessen.
Bei dem dabei angewandten Value-Marathon-Scoring erhält eine Gesellschaft je einen Punkt für jedes der vergangenen zehn Jahre, in dem es mit Umsatz, Gewinn (auf Ebit-Basis), Unternehmenswert (Enterprise Value) und Buchwert aufwärtsging. Die maximal mögliche Punktzahl beträgt somit 40 Zähler. Beim aktuellen Test erhielten 92 Unternehmen mindestens 75 Prozent aller erreichbaren Punkte und damit aus Sicht der DZ Bank sehr gute Noten. Diese vergleichsweise hohe Zahl ist laut den Analysten auch auf den nun bereits seit neun Jahren währenden Konjunkturaufschwung zurückzuführen.
Wie schon bei früheren Checks fällt auf: Unter den Topwerten befinden sich überproportional viele mittelgroße und kleine Gesellschaften, die traditionell den klassischen Rückhalt der deutschen Volkswirtschaft darstellen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um bekannte Hidden Champions oder besser ausgedrückt: Public Champions. Wie die DZ Bank erläutert, weisen viele dieser Unternehmen eine langfristige Erfolgsgeschichte auf, auch wenn sie nicht so bekannt oder so groß sind wie die vielen Weltkonzerne im Leitindex DAX.
Bemerkenswert ist auch, dass viele dieser Marathon-AGs einen dynamischen Wachstumspfad beschritten haben, ohne dabei ausschließlich auf Akquisitionen zu setzen. Viele Firmen haben demnach ein hohes organisches Wachstum erzielt, indem sie sich frühzeitig auf internationale Märkte konzentrierten. Solche nachhaltigen Umsatz- und Gewinnzuwächse honoriert die Börse. Das Problem im aktuellen Stadium ist allerdings, dass nach einer bereits lange anhaltenden Hausse im Nebenwertesegment viele Marathon-AG-Aktien anspruchsvoll bewertet sind. Wir stimmen aber mit dem Urteil der DZ Bank dahingehend überein, dass Marathon-AGs als Langfristinvestments nur bei einem akzeptablen Preis infrage kommen.
Auf Seite 2: Ein Sextett besteht den Test
Ein Sextett besteht den Test
Natürlich unterliegen auch Marathon-Unternehmen Leistungsschwankungen - manche von ihnen verlieren gar dauerhaft ihre Form. Wenn ein Leistungseinbruch wie jüngst beispielsweise bei Fielmann in Form einer Gewinnwarnung auftritt, fragen sich Value-Anleger wie DZ-Bank-Analyst Michael Bissinger automatisch, ob eine damit einhergehende Kursschwäche eine Kaufchance bietet. Zentral bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage ist laut Bissinger, ob das schützende Geschäftsmodell nach wie vor intakt ist oder Schaden genommen hat.
Die ständige Kontrolle, inwieweit ein Geschäftsmodell weiterhin funktioniert, halten wir zwar ebenfalls für unerlässlich, langjährige Börsenerfahrung hat uns diesbezüglich aber auch Demut gelehrt. Das bedeutet, wir halten es dann für am wahrscheinlichsten, dass ein Geschäftsmodell weiterhin greift, wenn auch der Markt das so sieht.
Deshalb setzen wir bevorzugt auf Aktien mit einem intakten charttechnischen Aufwärtstrend. Bei der Aufgabe, aus der Liste der deutschen Marathon AGs der DZ Bank jene Titel mit den besten Kursaussichten herauszufiltern, müssen Kandidaten nicht nur im Zehnjahresvergleich gut abschneiden, sondern (bis auf eine Ausnahme) auch in der jüngeren Vergangenheit seit 2015 positive Dynamik aufweisen. Ein weiteres Auslesekriterium war zudem ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, das sich spätestens auf Basis der Gewinnschätzungen für 2020 oder 2021 bei unter 20 bewegt.
Übrig geblieben bei dieser Vorgehensweise sind letztlich lediglich sechs Gesellschaften, die aus unserer Sicht besonders gut gerüstet sind für einen anhaltenden Kurs-Dauerlauf.
Auf Seite 3: Adesso
Adesso-Aktie: Kleine Marathon-Aktie mit großem Akku
Adesso ist nach Marktkapitalisierung der kleinste Wert unserer sechs Favoriten. In Sachen Wertentwicklung zählt er aber zu den Großen. Seit Oktober 2012 verzehnfachte sich der Kurs. Der Wert liegt beim Test der DZ Bank sowohl im kurzfristigen Zeitraum ab 2015 als auch über zehn Jahre hinweg gut im Rennen. Bei der Steigerung des Unternehmenswerts auf Sicht eines Jahrzehnts rangieren die Dortmunder mit knapp 30 Prozent per annum sogar unter den Top 10 aller deutschen Marathon-AGs. Wegen des starken Wachstums zählt Adesso mittlerweile in Deutschland zu den führenden Anbietern für Beratung und Softwareentwicklung bei branchenspezifischen Prozessen, IT-Transformation und Digitalisierung.
Wie gut die Marktstellung ist, zeigt auch der kürzlich erfolgte Zuschlag im Zuge einer europaweiten Ausschreibung für einen bedeutenden Rahmenvertrag der Bundesverwaltung - Auftragsvolumen bis zu 25 Millionen Euro. Das Beschaffungsamt des Bundesministeriums hat die Gesellschaft für weitere sechs Jahre mit der Pflege, Wartung und Weiterentwicklung seiner elektronischen Vergabeplattform beauftragt. Durch Marktpenetration, Branchenausweitung, Internationalisierung und Ausbau eigener Softwarelösungen ist es Adesso gelungen, sich ein bewährtes Wachstumsmodell zu erarbeiten.
Darüber hinaus bieten Digitalisierung, E-Commerce und Effizienzverbesserungen große Wachstumschancen und führen zu einer Optimierung der Kern-geschäftsprozesse bei den Kunden von Adesso. Analysten sehen den Gewinn je Aktie von 2017 bis 2022 von 1,79 Euro auf 5,07 Euro steigen. Erfüllt Adesso diese Zielvorgaben, wäre bestimmt auch künftig der Status als Marathon-AG gesichert.
Auf Seite 4: Bechtle
Bechtle-Aktie: Auf bestem Weg zur Nummer 1
Ein echter mittelständischer Champion ist Bechtle. 1983 als Einmannbetrieb gegründet, ist der TecDAX-Vertreter längst das größte konzernunabhängige IT-Systemhaus in Deutschland. Zudem dürften die Neckarsulmer durch die eben eingefädelte Übernahme von Inmac WStore vor dem Aufstieg zur Nummer 1 im europäischen E-Commerce-Segment stehen. Damit wäre das hauseigene Ziel bereits vorzeitig erreicht. Weitere - bis zum übernächsten Jahr - vorgegebene Ziele sind: ein Umsatz von fünf Milliarden Euro und eine Gewinnspanne vor Steuern von fünf Prozent.
Dass diese Vorgaben erreicht werden, ist Bechtle zuzutrauen die Bilanz in der Vergangenheit spricht ebenso dafür. Der Umsatz kletterte von 2003 bis 2017 von 792 Millionen auf 3,57 Milliarden Euro. Eine der Stärken des Geschäftsmodells besteht aus einem lückenlosen, herstellerübergreifenden Angebot rund um die Themen IT-Infrastruktur und IT-Betrieb. Der Vorstand möchte auch weiterhin die Solidität eines finanzkräftigen, internationalen Konzerns mit der persönlichen Betreuung und Flexibilität eines regionalen Dienstleisters verbinden.
Im Zehnjahresranking der DZ Bank kommt Bechtle auf 35 von 40 möglichen Punkten: Das bedeutet einen Platz in der Spitzengruppe. Wichtig ist auch das in der jüngsten Vergangenheit (seit 2015) bewiesene Momentum bei Umsatz und Gewinn, wie die in dieser Kategorie ergatterte volle Punktzahl belegt. Der charttechnische Aufwärtstrend ist bei Kursen nahe der Bestmarke ohnehin intakt. Bei einem von 2017 bis 2020 erwarteten Gewinnanstieg von 2,73 Euro auf 4,18 Euro je Anteilschein ist am Ende dieses Zeitraums zudem die Bedingung erfüllt, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis unter 20 liegt.
Auf Seite 5: Deutsche Wohnen
Deutsche Wohnen-Aktie: Aktie mit einem soliden Fundament
Unter unseren Marathon-AG-Favoriten bringt die Deutsche Wohnen mit einem Börsenwert von rund 15 Milliarden Euro mit Abstand das meiste Gewicht auf die Waage. Ausgereizt scheint uns der MDAX-Vertreter deswegen aber noch nicht - zumindest nicht, wenn die Analystenprognosen stimmen. Diese sagen für 2021 einen Gewinn je Aktie von 3,79 Euro voraus, was einem KGV von elf entspräche. Das ist vertretbar.
Außerdem kommen von 2017 bis 2022 voraussichtlich noch stetig steigende Dividendenzahlungen von 0,80 Euro bis 1,33 Euro je Aktie hinzu. Ebenfalls für eine Kaufempfehlung spricht das Chartbild. Frische Kursrekorde untermauern den Aufwärtstrend. Beim Gesamt-Score auf Sicht von zehn Jahren stehen 33 Punkte zu Buche. Laut DZ Bank ist dabei der Gewinn vor Steuern und Zinsen im Schnitt um 52 Prozent per annum gestiegen. In diesem Punkt ist das eine der besten Steigerungsraten überhaupt. Für die vergangenen drei Jahre hat der Spezialist für Wohnimmobilien die maximal mögliche Punktzahl eingefahren.
Und mit den zum Ende des ersten Quartals 2018 zum Portfolio zählenden 160 723 Wohn- und 2465 Gewerbeeinheiten ist Deutsche Wohnen bestens aufgestellt, um vom weiterhin gut laufenden deutschen Immobilienmarkt zu profitieren. Die DZ Bank lobt jedenfalls das bestehende Wohnimmobilienportfolio als qualitativ hochwertigstes in Deutschland. Dafür spricht auch eine Fokussierung auf vermietete Immobilien in Toplagen. Hinzu kommen außerdem noch sehr solide Bilanzrelationen. Angetan von dem Wert ist übrigens auch Blackrock: Der weltgrößte Vermögensverwalter hält als größter Aktionär mehr als zehn Prozent an der Aktie. Das spricht für den Titel.
Auf Seite 6: Grenke
Grenke-Aktie: Verachtzehnfachung noch nicht genug
Der Aktienkurs der Grenke AG hat sich seit Ende 2008 verachtzehnfacht. Auch die Wertentwicklung ist der einer Marathon-Aktie würdig. Unter den deutschen Marathon-AGs mit kontinuierlich steigenden Umsätzen und Gewinnen führt die DZ Bank den Wert im Zehnjahresvergleich auf dem fünften Platz. In der Kategorie "mittelgroße Werte mit einer Marktkapitalisierung von einer bis zehn Milliarden Euro" reichte es sogar zu Rang 2. Mit einem Plus von elf Prozent pro Jahr gehört der Wert auch zu jenen Marathonläufern mit dem höchsten Umsatzwachstum im vergangenen Jahrzehnt.
Enthalten ist die Aktie zudem in der Liste mit Unternehmen, die ab 2015 mit zunehmendem Momentum aufwarten können. Der Vorstand des Leasingspezialisten äußerte sich am 3. Juli positiv zum Geschäftsverlauf. Zuversichtlich im Hinblick auf das SDAX-Mitglied zeigen sich auch die Analysten. Im Schnitt sagen sie von 2017 bis 2021 eine Ergebnisverbesserung je Aktie von 2,74 Euro auf 5,84 Euro voraus. Das geschätzte KGV läge dann bei rund 17. Angesichts der erwarteten Gewinndynamik wäre das akzeptabel. Nach einer jüngst durchgeführten Kapitalerhöhung im Volumen von 200 Millionen Euro ist laut Deutscher Bank das Wachstum bis ins nächste Jahrzehnt hinein finanziell bereits abgesichert.
Was das Geschäftsmodell angeht, so ist es dem 1978 gegründeten Unternehmen gelungen, sich als globaler Finanzierungspartner für kleine und mittlere Unternehmen stark zu positionieren. Ein Pluspunkt ist sicherlich auch, dass man vom Small-Ticket-Leasing über Bankprodukte bis hin zum Factoring alles aus einer Hand anbietet. Abwicklungseffizienz und persönliche Kontakte erweisen sich ebenfalls als wachstumsfördernd.
Auf Seite 7: MTU Aero Engines
MTU Aero Engines-Aktie: Kurstriebwerk dürfte weiter zünden
Von Oktober 2008 bis heute ist der Kurs von MTU Aero Engines bereits von 12,87 Euro auf 181,00 Euro gestiegen. Damit hat die Aktie des Triebwerkherstellers schon einen langen Marsch gen Norden hinter sich. Wie es sich für einen Marathonläufer gehört, hat dieses MDAX-Mitglied aber weiterhin Potenzial. Zumindest signalisiert dies der eben erst - nach guten Quartalszahlen - hingelegte Zwischenspurt auf neue Rekordkurse. Charttechnisch ist somit alles im Lot und das gilt auch für die operative Entwicklung.
Nach den ersten sechs Monaten sah sich der Vorstand jedenfalls ermutigt, Umsatz- und Ebit-Prognose für das Gesamtjahr anzuheben. Die eigene Erfolgsstory scheint somit eine Fortsetzung zu finden. Dafür spricht auch ein Auftragsbestand, der die Produktion derzeit für rund dreieinhalb Jahre auslastet. Im vergangenen Jahrzehnt konnten die Münchner Umsatz und Ebit jedenfalls im Schnitt jährlich um 6,9 Prozent und um 7,7 Prozent steigern.
Und wenn es nach dem Analystenkonsens geht, verbessert sich der Gewinn je Aktie von 2017 bis 2021 weiter von 7,35 Euro auf 9,86 Euro. Damit ist auch die für eine Empfehlung nötige Bedingung eines perspektivischen KGV von unter 20 erfüllt. Stark macht das Unternehmen die gute Aufstellung, die auf drei Säulen basiert: ziviles Neu- und Ersatzteilgeschäft, militärisches Triebwerkgeschäft und zivile Instandhaltung. Mit innovativen Hochdruckverdichtern und Niederdruckturbinen ist es der Gesellschaft gelungen, sich bei den großen Triebwerkunternehmen der Welt als unverzichtbarer Partner zu etablieren. Zudem spielt der deutsche Branchenprimus nach eigener Einschätzung eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung sparamerer und leiserer Triebwerke.
Auf Seite 8: VTG
VTG-Aktie: Auf dem richtigen Gleis unterwegs
Der nächste Mitfavorit, VTG, gönnte sich in den Vorjahren zwar die eine oder andere Auszeit, letztlich hat sich die Notiz seit Februar 2009 aber fast verelffacht. Das ist der Lohn dafür, dass es in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt pro Jahr mit dem Umsatz um 6,5 Prozent, dem Ebit um 8,6 Prozent und dem Unternehmenswert um 13,7 Prozent nach oben ging. Das bringt in der Marathon-Liste der DZ Bank eine vordere Platzierung. Zuletzt lief es gemessen an den Marathon-Bewertungskriterien zwar nur mittelprächtig, aber das machen günstige Gewinnaussichten wett.
Zumindest dann, wenn die Analysten recht behalten sollten. Diese sagen von 2017 bis 2020 eine Verbesserung beim Ergebnis je Aktie von 1,93 Euro auf 3,31 Euro voraus. Die Gewinndynamik scheint somit zu passen, und das sich daraus für das übernächste Jahr ergebende KGV ist derzeit für eine Marathon-Aktie im relativen Vergleich moderat. Die besonderen Stärken des Geschäftsmodells sind die Größe und die breite Aufstellung. Mit rund 80 000 Eisenbahngüterwagen zählt VTG zu den führenden Waggonvermietungs- und Schienenlogistikfirmen in Europa.
Durch die Kombination der vernetzten Geschäftsbereiche Waggonvermietung, Schienen-logistik und Tankcontainerlogistik kann der Konzern eine leistungsstarke Plattform für den internationalen Transport anbieten. Auch individuelle Logistiklösungen und Kompetenz im sicherheitssensiblen Flüssigkeits- und Gefahrguttransport gehören zum Repertoire der Hamburger. Hinzu kommen hohe Markteintrittsbarrieren und ein recht konjunkturresistentes Geschäft. Wie attraktiv das Paket ist, zeigt sich an einem kürzlich von der Morgan-Stanley- Tochter Warwick Holding GmbH lancierten Übernahmeangebot. Mit dem gebotenen Preis von 53 Euro je Aktie dürfte es aber nicht für eine Komplettübernahme reichen. Das könnte jedoch bei einer deutlichen Nachbesserung noch gelingen.