von Robert Halver
Gegen Mario gewinnt man nicht!
Im Juli 2012 begann Drahis Heldenepos. Damals hatte er den Euro-renitenten Angreifern einen gnadenlosen Kampf angesagt. Mit dem beruhigenden Blick auf sein unendlich großes Portemonnaie drohte er, wenn nötig, für jeden Euro Spekulationsgeld gegen Euro-Staatsanleihen zwei Euro dagegen zu setzen. Das Ergebnis ist die bedingungslose Kapitulation der Spekulanten: Seitdem schmelzen die Zinsen in Italien, Spanien & Co. und ihre Renditeaufschläge zu deutschen Staatsanleihen schneller als Eiswürfel in tropischen Cocktails. Mussten für 5-jährige portugiesische Staatsanleihen im Juli 2012 noch 11 Prozent gezahlt werden, sind es heute nur noch mickrige 2,6. Unser Held Draghi hat das Ausfallrisiko von Euro-Ländern ausgemerzt und Euroland das finanzielle Leben gerettet. Und dabei ist nicht ein einziger Euro-Cent Rettungsgeld geflossen. Das nenne ich geldpolitische Abschreckungspolitik.
Auf Seite 2: Die EZB schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe
Die EZB schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe
Mit dieser bislang nur verbalerotischen Rettungsoffensive erschlägt Draghi zwar nicht wie das tapfere Schneiderlein sieben Fliegen auf einen Streich, aber immerhin zwei dicke Brummer. Zum einen entspannt er das Ertragsproblem der Euro-Banken. Denn sie - die sich aktuell zu 0,25 Prozent unbegrenzt Geld von der EZB leihen können - verdienen sich bei Kauf deutlich höher verzinslicher, Euro-peripherer Staatsanleihen eine goldene Nase. Und das ohne Kreditrisiko aufgrund Draghis Rettungsversprechen. Zum anderen kommen die Finanzminister in Euro-Süd zu Mini-Zinsen an neue, konjunkturstabilisierende Schulden.
Früher, als Rentenmärkte noch marktwirtschaftlich organisiert waren, wurden die über die stabilitätspolitischen Stränge schlagenden Finanzminister - die für Sparen und Reformieren ungefähr so viel Sympathie hegten wie für Zahnschmerzen - mit hohen Strafzinsen, gezüchtigt. Heute ist es für den Verfall der Renditen zweitrangig, ob man an den Standortfaktoren arbeitet oder nicht. Wenn wundert es da noch, dass auch Griechenland wieder an den Rentenmarkt zurückkehren kann? Auch griechische Renditen sinken still, wenn der starke Arm der EZB es will. Einen Schuldenschnitt in Hellas braucht jetzt niemand mehr zu befürchten. Denn der würde die Happy Hour an den Euro-Staatsanleihemärkten, dem wiederentdeckten Hort der Stabilität, nur stören.
Auf Seite 3: Die Haken an Draghis Heldentat
Die Haken an Draghis Heldentat
Leider gibt es auch den Fluch der guten geldpolitischen Tat. Draghis Rettungsversprechen hat den Euro zu einer der härtesten Währungen der Welt gemacht. Denn nicht nur Euro-Banken, sondern die ganze globale Finanzsippe kauft unsere schönen, heilen Euro-Staatsanleihen. Sie bieten noch vergleichsweise attraktive, sichere Staatsanleihenrenditen, wenn nicht sogar noch Währungsgewinne über einen harten Euro.
Aber genau dieser harte Euro schwächt jetzt die euroländische Exportwirtschaft. Seit Juli 2012 hat der Euro als Handelswährung gegenüber dem japanischen Yen dramatisch um fast 40 Prozent aufgewertet. Aber auch gegenüber US-Dollar und chinesischem Renminbi ist eine Euro-Aufwertung - wenn auch weniger stark - festzustellen.
Überhaupt, warum sollten Banken die Privatwirtschaft stützende Kredite mit Ausfallrisiko vergeben, die auch noch Eigenkapital verzehren, das Banken regulativ vorgeschrieben aufbauen müssen, wenn alternativ risikolose Euro-Staatsanleihen schöne Renditen und Kursgewinne ohne Eigenkapitalbindung versprechen?
Insgesamt ist die Euro-Staatsschuldenkrise zwar vorbei. Aber dafür wurde eine andere Krisenfront aufgemacht: Schwache Konjunktur und Deflationssorgen in Euro-Süd.
Auf Seite 4: Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen
Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen
Aber auch hier denkt die EZB schon weiter. Wenn bei der EZB laut Draghi zuletzt über Zinssenkungen und Staatsanleihenaufkäufe gesprochen wurde, hat dies eine ähnliche Bedeutung wie die Mitteilung von Eltern an ihre Kinder, man habe über eine Taschengelderhöhung nachgedacht. Auch aus dieser Nummer kommt man nicht mehr heraus.
Hinter vorgehaltener Hand werden bereits Aufkäufe von Staatspapieren - frühestens nach der Europawahl, damit kein Stabilitätsanhänger ein falsches Kreuzchen macht - in Höhe von 1.000 Milliarden Euro zur Inflationsankurbelung diskutiert. Scheute man früher noch Inflation wie der Teufel das Weihwasser, so wird heute förmlich darum gebetet.
Diese tatsächlich fließende Liquidität käme zwar der Wirtschaft im Euro-Raum nicht auf direktem Weg zugute. Aber immerhin, die japanische Notenbank zeigt in den letzten zwei Jahren erfolgreich, dass eine sehr freizügige Geldpolitik die Währung zugunsten der Exportwirtschaft schwächen kann.
Nicht zuletzt verlören über die Liquiditätsausweitung Euro-Staatspapiere weiter an Rendite. Das würde die Attraktivität von Krediten steigern, die dann im Vergleich höhere Zinsen böten. Hier könnte die EZB mit ihrer nächsten konjunkturpolitischen "Heldentat" zuschlagen. Draghi könnte neben Staatspapieren in einem Aufwasch auch noch besicherte Kredite aufkaufen. Wie bei Staatstiteln nähme man Banken zumindest teilweise Ausfallrisiken ab.
Spätestens dann stünde auf der EZB zwar noch Bundesbank drauf, es wäre aber Fed drin.
Auf Seite 5: An der EZB scheitert die Aktienhausse bestimmt nicht
An der EZB scheitert die Aktienhausse bestimmt nicht
Damit ist in der Eurozone die Liquiditätshausse quicklebendig. Sie bekommt durch die konjunkturstützende EZB sogar noch Fleisch an ihren Knochen. Bis Ende des Jahres steigt der DAX bis 10.500 Punkte, auch weil die EZB der größten Alternativanlageklasse, dem Rentenmarkt, die Zinsen gestohlen hat und sie wie der Fuchs die Gans nicht wieder her gibt.
Höhere Aktienkursschwankungen sind aber auszuhalten. Aufgrund sportlicher Bewertungen, übertrieben pessimistischer Erwartungen an die Berichtsaison für das I. Quartal 2014 und schwelenden Krisen sind auch größere Rückschläge zwischendurch möglich.
Aber, und wenn sie nicht gestorben ist, würde die EZB auch morgen und übermorgen noch die Euro-Finanzwelt heldenhaft retten. Selbst bei einem Angriff von Außerirdischen würde ihnen Draghi ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können: Nehmen sie das Geld und verschwinden sie. Halleluja!
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.