Er bereiste die Gummiplantagen
Thailands, war auf dem Motorrad
über die von Schlaglöchern durchsetzten
Straßen im Inneren Chinas
unterwegs. In den Ländern südlich der Sahara
aß er geröstetes Kamelfleisch, Schafsaugen
und gegrillte Skorpione. Er traf sich
mit Prinzen, Potentaten und Paschas,
wurde in arabischen Souks übers Ohr gehauen
und überquerte in Südamerika Gebirge
auf gefährlichen Wegen. Dies alles,
um unterbewertete Firmen zu finden,
bevor es andere Investoren tun.
Mark Mobius hat als Erster in großem Stil
in den Emerging Markets investiert. 1987
baute er für die Fondsgesellschaft Franklin
Templeton ein Büro in Hongkong auf.
Inzwischen sind es 17 Standorte von Santiago
bis Singapur, und Mobius verwaltet
heute mit 90 Mitarbeitern Kundengelder in
Höhe von 50 Milliarden Dollar.
Der 78-Jährige, dessen Markenzeichen
eine glatt polierte Glatze und weiße Anzüge
sind, bezeichnet sich als "Vollzeitnomaden".
Nomaden hat er übrigens schon
immer bewundert. Wegen ihrer Unabhängigkeit,
ihrer Ablehnung konventioneller
Normen und ihrer Sehnsucht nach Freiheit.
"Manche Leute bedauern mich, weil
ich kein Heim habe, keine Familie, keinen
häuslichen Alltag. Dafür habe ich Abwechslung,
stimulierende Anregungen,
Kreativität." Jetlags kennt er nicht. Seine
innere Uhr kann sich sowieso nach keinem
festen Ort ausrichten - Mobius ist ständig
zwischen den Zeitzonen unterwegs.
Geboren wurde er 1936 in Hempstead
auf Long Island. Sein Vater war Deutscher, seine Mutter Puerto Ricanerin. Er studierte
an der Boston University und erwarb am
Massachusetts Institute of Technology den
Doktortitel in Ökonomie und Politik.
Lernen von den Chinesen
Schon früh zog es ihn nach Asien. 1967
war er zum ersten Mal in Hongkong - auf
dem Höhepunkt der Kulturrevolution in
China. Durch die engen Straßen der Stadt
zogen Kolonnen junger Chinesen, die revolutionäre
Slogans skandierten und das rote
Buch mit Mao-Zitaten schwenkten. Bomben
gingen im Geschäftsviertel hoch, und
die Gerüchte häuften sich, dass die Roten
Garden an der Grenze aufmarschiert seien.
Der Hang-Seng-Index war im freien Fall,
der Goldpreis stieg raketenhaft. "Wer damals
gewettet hätte, dass Honkong überleben
und prosperieren würde, der wäre
heute sehr reich", sagt Mobius.
Als die Gefahr eines chinesischen Überfalls
abnahm, gründete Mobius sein eigenes
Unternehmen. Er beriet ausländische
Firmen, die in China Fuß fassen wollten.
Von seinem kleinen Team, alles junge Chinesen,
lernte er die chinesische Art, Geschäfte
zu machen; beispielsweise Lektionen
über Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit,
etwa statt essen zu gehen eine
Lunchbox zu holen und im Büro zu bleiben.
"Ich lernte, dass es in China prestigeträchtig
ist, so Geld zu sparen", erzählt er.
1987 holte ihn Sir John Templeton in
seine Fondsgesellschaft, wo Mobius die
Verantwortung für die Emerging-Markets-
Aktivitäten übernahm. Er startete mit
100 Millionen Dollar. Als er gerade seine
ersten größeren Investitionen tätigte, verursachte
der US-Börsencrash Schockwellen
in ganz Asien. Die Börse in Hongkong
schloss für drei Tage. Danach hatte Mobius
ein Drittel seiner Investments verloren.
Mobius wurde während der Zeit in Hongkong,
wie er sagt, "zumindest im Geiste
selbst fast ein Chinese", was ihm in Finanzdingen
enorme Vorteile gebracht habe,
weil er sich die Affinität der Chinesen zu
Zahlen zu eigen gemacht habe. "Für die
Chinesen lässt sich alles im Leben in Zahlen
ausdrücken. Deshalb macht die Regierung
Hongkongs jedes Jahr einen schönen
Profit bei der Auktion von Autokennzeichen,
die Glück versprechen."
Seit über 40 Jahren ist Mobius unterwegs.
Das "Wall Street Journal" nannte ihn
den "König der Emerging-Market-Fonds",
für "USA Today" ist er der "ultimative Road
Warrior". Sein Credo: "Langfristig bieten
Schwellenländer wegen des starken Wachstums
mehr Potenzial." Doch Mobius gibt
zu: "Dort zu investieren ist nichts für
schwache Nerven." Bevor er das Risiko
eingeht, sich in exotischen Märkten zu engagieren,
müssen diese ein paar grundlegende
Anforderungen erfüllen. Er hat sie
mit einem Kürzel zusammengefasst: FELT.
Das F steht für fair, E für effizient, L für
liquide, T für transparent.
"In vielen dieser Märkte fehlen oft Finanzkennzahlen.
Oder sie sind notorisch
unzuverlässig oder schlicht unverständlich.
Rechnungslegungspflicht oder Verantwortung
gegenüber Aktionären sind oft
Fremdwörter, Liquidität kann ein chronisches
Problem sein." Viele Börsen erfüllen
auch minimale Anforderungen nicht. "In
einem kleinen afrikanischen
Land, das ich besuchte, war die Börse in einem Kaffeehaus."
Bei der Auswahl der Länder, in
denen er investiert, lässt er sich in erster
Linie von der Frage leiten, wo es noch Wachstum gibt. Auf seiner
Favoritenliste stehen zurzeit China,
Brasilien, Indien, Vietnam und Kasachstan
sowie afrikanische Staaten wie Botswana,
Nigeria und Kenia.
Lernen vom Lastwagenindikator
Seine ersten Eindrücke in einem Land
sind entscheidend. "Beim Investieren ist
nichts so wichtig wie die eigene Anschauung.
Wenn ich in einem Land nicht wenigstens
einmal im Stau stehe, macht mich das
misstrauisch." Auch die Zahl der Lastwagen
auf den Straßen sei ein Anzeichen, ob
die Wirtschaft brummt.
Privatanlegern rät Mobius, mindestens
35 Prozent in Emerging-Markets-Aktien zu
investieren. Auch sein eigenes Geld hat er
komplett in den Schwellenländern angelegt.
Aber dies seien langfristige Anlagen.
"Wir behalten Aktien im Schnitt fünf Jahre.
Es ist wichtig, an der Börse nicht in Hektik
zu verfallen."
Die Volatilität der Kurse in den Schwellenländern
stört ihn nicht. Der "FAZ" sagte
Mobius: "Ich kann dieses Gejammer nicht
mehr hören. Was ist denn schlimm daran,
wenn die Kurse schwanken? Das ist doch
wie bei der Fahrt auf der Achterbahn: Entweder
Sie schreien sich vor Angst die Seele
aus dem Leib - oder Sie haben einfach
Spaß dabei. Und ich fahre für mein Leben
gern auf der Börsen-Achterbahn: weil Sie
gute Aktien günstig kaufen können, wenn
die Kurse am Boden sind. Das war schon
immer mein Anlagemotto: Sei ein Hai und
kein ängstliches Schaf."
So hält denn Mobius immer Ausschau
nach dem nächsten großen Crash. "Denn
das große Paradox von Value Investing ist
doch, dass wir das meiste Geld nach und
nicht vor einem Crash machen."
PEB