von Alexander Sturm
Der Altmeister der Emerging Markets kann es nicht lassen: Rund 250 Tage im Jahr reist Mark Mobius mit seinem Firmenjet um die Welt, um die verheißungsvollsten Aktien für die US-Fondsgesellschaft Franklin Templeton aufzuspüren. Seit 1987 hat er rund 20.000 Firmen besucht. Doch in den vergangenen Jahren schwächelten einige seiner Fonds - die Schwellenländer stecken in der Krise. Im Interview erklärt Mobius, was für ein Comeback einiger dieser Länder spricht.
Herr Mobius, Sie gelten als dienstältester Fondsmanager für Emerging Markets. Hatten Sie mit dem Absturz der Schwellenländerwährungen zu Jahresbeginn gerechnet?
Mark Mobius: Ehrlich gesagt hat mich die Krise nicht sehr überrascht. Bei einigen Ländern war sie überfällig, weil viele Währungen zu stark aufgewertet hatten. Brasiliens Real war schlicht zu teuer und hat den Exporten des Landes geschadet. Es war Zeit für eine Korrektur.
Nichts weiter als eine normale Marktbereinigung also?
Natürlich haben die Börsen überreagiert - wie immer. Aber die Investoren haben einen Denkfehler gemacht: Nur weil die Währung eines Landes abstürzt, heißt das nicht, dass alle Unternehmen in die Krise rutschen. Einige exportstarke Firmen profitieren von niedrigen Wechselkursen: Tata Consultancy zum Beispiel, ein indischer IT-Dienstleister, dessen Kosten in Rupie, aber dessen Erlöse meist in Dollar abgerechnet werden. Je niedriger die Rupie, desto höher die Gewinne. Der Aktie hat es nicht geschadet.
Zur Währungskrise kam es auch, weil einige Schwellenländer Reformen versäumt haben Diese Probleme sind ja nicht aus der Welt ...
Ja, Staaten wie die Türkei und Indonesien müssen ihre Leistungsbilanzdefizite in den Griff bekommen, um nicht mehr so abhängig von ausländischem Kapital zu sein. Und in Indien sind Reformen bitter nötig. Doch jetzt hat Narendra Modi die Wahlen klar gewonnen, er gilt als wirtschaftsfreundlicher Reformer. Auch daher wir das Land im Templeton-Emerging-Markets-Fonds vergleichsweise hoch gewichtet.
Inzwischen haben wir eine neue Krise in der Ukraine. Machen Sie sich jetzt Sorgen um die Schwellenländer in Osteuropa?
Nein, ich bleibe gelassen. Osteuropa wird es abgesehen von Russland kaum treffen. Was die Ukraine betrifft: In der Eurokrise dachten alle, dass die Welt untergeht. Heute gibt es die Währungsunion immer noch. Das Leben geht weiter.
Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht?
Ich glaube, dass Russland letztlich rational handelt. Putin hat kein Interesse daran, sich die Ostukraine einzuverleiben. Unterm Strich würde die Region ihm mehr eine Last bedeuten, als ihm nutzen. Auch in den Konflikten um Georgien und Südossetien wollte Russland Einfluss behalten, aber nicht die Gebiete annektieren.
Die russische Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck. Wie reagieren Sie darauf?
Wir kaufen russische Aktien, weil sie jetzt extrem billig sind. Manche Engagements in unseren Fonds bauen wir sogar aus. Auch polnische Aktien finden wir interessant.
Zuletzt haben viele Schwellenländer enttäuscht. Mit dem S & P 500 oder dem DAX ist man in den vergangenen Jahren besser gefahren. Warum sollte sich das 2014 ändern?
Die Verschuldungsquote sinkt in vielen Ländern wie Thailand oder Indonesien, einige Schwellenländer werden von den Ratingagenturen hochgestuft und immer mehr Anleger investieren in Schwellenländern in lokaler Währung. Auch die Reserven in ausländischen Währungen steigen. Und natürlich wachsen die Emerging Markets dank ihrer jungen Bevölkerung langfristig schneller als die Industriestaaten.
Aber das sind doch immer dieselben Argumente, mit denen seit Jahren für die Schwellenländer geworben wird. Nur den Anlegern hat das nichts gebracht.
Ja, aber dieses Jahr sind Schwellenländeraktien noch dazu günstig bewertet und bieten einen Abschlag zu den Industriestaaten. Auch nach der Asienkrise Ende der 90er-Jahre und der Finanzkrise haben sich die Schwellenländer schnell erholt. Auch dieses Mal ist das so: Seit Jahresbeginn schlagen Schwellenländeraktien globale Aktien. So wie in sieben der jüngsten zehn Jahre. Noch haben viele Investoren die Emerging Markets untergewichtet, aber sie werden bald aufwachen. Die Schwellenländerstory ist nicht vorbei!
Was macht Sie da so sicher?
Schauen Sie sich Firmen wie BMW an: Die erzielen immer mehr Umsatz in China. Manche deutschen Konzerne könnten glatt als Schwellenländerfirmen durchgehen. Langfristig gesehen haben Schwellenländeraktien übrigens besser abgeschnitten als deutsche Aktien.
Wenn so viele deutsche Firmen so stark in den Schwellenländern engagiert sind, warum sollten Anleger das Risiko auf sich nehmen und direkt dort investieren?
Teils fahren Anleger mit Aktien westlicher Firmen tatsächlich besser als mit Direktinvestments. Aber um alle Renditechancen zu nutzen und ein wirklich globales Portfolio zu haben, sollten sie auch direkt in den Schwellenländern investieren. Selbst BMW erzielt den Großteil der Umsätze in langsam wachsenden Regionen wie den USA und Europa.
Manche Ihrer Fonds wie der Asian Growth haben trotzdem schlecht abgeschnitten. Was lief falsch?
Manche der Aktien, die wir kauften, haben sich kurzfristig nicht so gut entwickelt. Aber langfristig haben sich unsere Fonds bewährt. Im Asian Growth liegen wir im laufenden Jahr wieder vor dem Vergleichsindex. Auch der Fonds Asian Smaller Companies läuft gut. Für uns ist es am wichtigsten, unserer Strategie auch in Schwächephasen treu zu bleiben.
Welche Sektoren in den Schwellenländern finden Sie derzeit am attraktivsten?
Konsumgüter, Banken und Infrastruktur: Gerade Südamerika muss bei den Verkehrsnetzen aufholen. Und Telekommunikationsfirmen, weil sich Smartphones ausbreiten. Davon werden chinesische Anbieter wie ZTE oder Huawei profitieren, die günstige Geräte anbieten.
Sehr gut gelaufen sind zuletzt die Frontier-Märkte, junge Kapitalmärkte wie Vietnam, Dubai oder Nigeria. Besteht schon die Gefahr der Überhitzung?
Ja, teils - etwa bei manchen Börsen auf der Arabischen Halbinsel. Nach Kuwait fließt zum Beispiel viel Geld. Ich sage nicht voraus, dass dort die Börse abstürzt. Aber generell sind die Kurse in manchen Frontier Markets weit gelaufen. Einige Fondsmanager halten sich schon zurück.
Sind Frontier Markets die besseren Schwellenländer, weil sie dynamischer wachsen als die etablierten Emerging Markets wie Brasilien?
In gewisser Weise schon. 2013 waren acht der zehn wachstumsstärksten Länder der Welt Frontier-Staaten. Es steht außer Frage, dass diese Kapitalmärkte aufholen. Langfristig etwa spricht viel für die Arabischen Emirate, weil sie wegen der niedrigen Steuern zahlreiche Investoren anziehen. Auch Afrika kommt. Dort haben Konsumaktien und Banktitel Potenzial, weil die Mittelschicht wächst und Finanzdienstleister braucht.
Sind Investments in Ländern wie Nigeria nicht zu riskant?
Natürlich ist dort noch viel zu tun. In manchen Regionen im Norden des Landes herrscht Chaos. Für Fondsmanager geht es deswegen darum, jene Unternehmen herauszufiltern, die Turbulenzen trotzen. Langfristig lohnt sich das. Denn die Welt verändert sich rasant.
Sie bereisen seit mehr als einem Vierteljahrhundert Schwellenländer. Welches Land hat Sie in dieser Zeit am meisten überrascht?
Wir hatten gehofft, dass die Philippinen einen großen Aufschwung erleben und das nächste Japan werden könnten. Dort wurden wir im negativen Sinn überrascht. Bei Südkorea war es das Gegenteil: Früher war es bettelarm, heute ist das Land eine wohlhabende Industrienation.
Sie sind 77 Jahre alt und immer noch fast pausenlos unterwegs. Sind Sie es nicht langsam müde?
Nein, ich bin gern auf Reisen und selten länger als eine Woche an einem Ort. In Südamerika und Asien habe ich jedes Land besucht, aber in Afrika fehlt mir noch jedes zweite. Ich habe keine Pläne für die Rente. Es gibt noch eine Menge zu tun.
zur Person:
Der Indiana Jones der Geldanlage
Mark Mobius wurde am 17. August 1936 als Sohn deutscher und puerto-ricanischer Eltern in New York geboren. Als Markenzeichen des zierlichen Amerikaners gelten seine Glatze, weiße Anzüge und grelle Krawatten, die er häufig trägt. Er studierte Wirtschafts- und Politikwissenschaften an der Universität Boston und promovierte am Massachusetts Institute of Technology. Danach leitete Mobius zehn Jahre die eigene Beratungsfirma in Hongkong und arbeitete bei einer Investmentgesellschaft in Taiwan. 1987 wechselte er zu Franklin Templeton, um dort Schwellenländerinvestments zu steuern. Heute steht er 18 Auslandsbüros sowie 21 Emerging-Markets-Fonds vor. Wegen seiner Reisen in kaum erschlossene Länder bekam er den Spitznamen "Indiana Jones der Geldanlage". Noch heute berichtet er im Internetblog von seinen Abenteuern in den Emerging Markets. Mobius hat eine Wohnung in Dubai, wo er auch mal eine Reisepause einlegt.