Die Börsen hängen fest. Mal geht es ein wenig nach oben, dann wieder nach unten. Dieser unangenehme Zustand wird wohl noch eine Weile anhalten. Vermutlich so lange, bis sich US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping zu einem dann hoffentlich klärenden Gespräch treffen. Das Problem daran: Die Herren werden sich wohl erst beim G20-Treffen in Osaka zusammensetzen, und das findet am 28. und 29. Juni statt. Es ist also Geduld gefragt. Bis dahin - da muss man kein Prophet sein - werden tagesaktuelle Nachrichten, Tweets und Gerüchte für mal heftige, mal weniger heftige Bewegungen an den internationalen Marktplätzen sorgen. Wie gewohnt.
Trump wird sich aber spätestens beim Gipfel entscheiden müssen. Einerseits sieht er sich gern als "Tariff Man", als eine Art Superheld, der mit Zöllen den vermeintlich ungerechten Welthandel in den Griff bekommt. Zeitgleich spielt er aber auch gerne den "Dow Man". Steigende Notierungen an der Wall Street sind für ihn ein Beweis für gute Politik. Dass Trump das Auf und Ab an der Börse nahezu obsessiv verfolgt, ist kein Geheimnis.
Das Dumme ist nur, dass die jüngsten Aktionen von Tariff Man seinem Alter Ego, dem Dow Man, so richtig in die Quere gekommen sind. Sprich: fallende Aktienkurse. Eine Koexistenz der beiden Persönlichkeiten, wie sie durchaus möglich war, als der Handelsstreit nur so ein wenig am Köcheln war, ist bei einer richtig krassen Eskalation der Streitigkeiten schlicht nicht möglich. Trump wird sich also entscheiden müssen.
Auffällig ist derweil, dass die Korrektur der US-Börse seit den Zoll-Tweets des Präsidenten recht überschaubar geblieben ist. Nicht einmal fünf Prozent hat der breite Markt nachgegeben. Zudem fällt auf, dass auf täglicher Basis die Kurse eigentlich immer via Futures über Nacht gefallen sind, um sich dann tagsüber meist wieder zu erholen. Das ist ein Zeichen von Widerstandskraft.
Das bestätigt auch das Research-Unternehmen SentimenTrader: Auch 2002 und 2008, als die Märkte in der Nähe der Tiefpunkte notierten, gab es Kursbewegungen, die denen der zurückliegenden Wochen ähnelten: Absturz über Nacht, Erholung im Tagesverlauf.
Unabhängig davon ist die gute Nachricht, dass die Weltkonjunktur ordentlich läuft, egal wie der Kompromiss in Sachen Handelsgespräche aussehen wird. Die Gefahr einer Rezession ist minimal, was auch daran liegt, dass die wichtigsten Notenbanken (allen voran die US-Fed), signalisiert haben, weiterhin "geduldig" bleiben zu wollen. Zinserhöhungen sind so schnell also nicht zu erwarten.
Doch was, wenn alles ganz anders läuft? Denn natürlich gibt es auch den "Elefanten im Raum", ein Szenario, das man nicht recht diskutieren will, weil es als zu unwahrscheinlich erscheint. Dies wäre ein "full blown" Handelskrieg, ein Konflikt, der von beiden Seiten mit extremen Maßnahmen bestritten wird bis hin zu einem neuen Kalten Krieg zwischen den beiden Supermächten. Dann wäre die begonnene Korrektur an den Märkten natürlich längst nicht zu Ende. Aber noch gibt es für eine solche Eskalation keine Hinweise. Und wir bleiben bei unserem Basisszenario, dass sich die Konfliktparteien spätestens beim G-20-Gipfel einigen werden