Kommt sie jetzt doch, die größere Korrektur? Die Angst vor einer vorzeitigen Zinswende und Nachrichten über die Delta-Virusvariante haben es jedenfalls geschafft, die Stimmung erst ein- mal zu vermiesen. Sowohl an den europäischen Börsen als auch an der Wall Street und an den asiatischen Marktplätzen kam ordentlich Druck auf. Dass in Frankreich das Desinteresse an den Regionalwahlen groß ist und es wenig Zuspruch für die Par- tei von Präsident Emmanuel Macron gibt, kam als i-Tüpfelchen noch dazu.
Letztlich lag und liegt es aber vor allem an Jerome Powell, dem Chef der US-Notenbank Fed, dass die Kurse schwächeln. Denn Powell kündigte Zinserhöhungen an. Zwar erst für 2023; da aber einige andere Währungshüter der Federal Reserve auf Zinsschritte bereits im kommenden Jahr pochen, war die Verunsicherung am Markt dann doch groß. Die Sorge ist, dass die Notenbanken die Konjunkturerholung empfindlich bremsen könnten.
Die Reaktion an den Märkten zum Ende der 24. Kalenderwoche fiel heftig aus. Bei- spiel DAX: Hier wurden binnen weniger Stunden etliche Unterstützungen nach unten durchbrochen. Die aus charttechnischer Sicht wichtige steigende exponentielle 55-Tage-Durchschnittslinie kam sogar in Reichweite; sie lag bei Redaktionsschluss bei etwa 15 300 Punkten. Darunter sollte es besser nicht gehen, sonst sind weitere Verluste wahrscheinlich.
Höhere Preise
Doch wie schlimm könnte eine Korrektur tatsächlich ausfallen? Vermutlich weniger drastisch, als die jetzige Verunsicherung vermuten lässt. Denn Fakt ist, dass sich, mittelfristig gesehen, im zweiten Quartal die Konjunktur- und Markterholung mit weiterhin positiven Wachstums- und Gewinnüberraschungen fortgesetzt hat. Die Preise für Öl und Industriemetalle haben zugelegt, und die Kursentwicklung an den Aktienmärkten konnte den Vorsprung gegenüber Anleihen seit Jahresbeginn ausbauen.
Auffällig ist mittelfristig aber auch, dass die Anlegerstimmung angesichts der hohen Bewertungen immer wieder zwischen Wachstumsenttäuschungen, Reflationshoffnung und Inflationsbefürchtungen schwankt. "Die Folge war nicht nur eine volatilere Marktentwicklung mit weniger Zuwachs, sondern auch ein ständiges Hin und Her zwischen den Anlagestilen", schreibt Bernd Meyer, Chefstratege beim Vermögensverwalter Berenberg in einer Analyse.
Unterm Strich führten aber zyklischere und weniger hoch bewertete Anlagen auch im zweiten Quartal die Rennlisten vor Wachstumswerten an. Allerdings dürfte sich "das Hin und Her der Invesmentstile zunächst fortsetzen", so Meyer. Keine leichte Zeit also für Aktionäre.
Mehr Klarheit
Um es zusammenzufassen: Die kräftige Konjunkturerholung sollte andauern, positive Konjunktur- und Gewinnüberraschungen dürften aber abnehmen. Klar scheint auch, dass Inflation ein bestimmendes Thema bleibt und damit auch die Kardinalfrage, wann denn die Zentralbanken de facto die Kehrtwende einleiten. "Wir erwarten spätestens gegen Ende des dritten Quartals mehr Klarheit", so Experte Meyer. Sein Fazit: "Der Pfad für die Märkte über den Sommer erscheint voller Schlaglöcher, es könnte holpriger werden. Zyklische und weniger hoch be- wertete Anlagen könnten zunächst noch im Fokus bleiben, ihre Outperformance im Laufe des dritten Quartals aber nach- lassen. Günstige defensive Anlagen und profitable Wachstumswerte könnten dann interessanter werden."