Das ist schon bemerkenswert: Der breite US-Aktienmarkt, gemessen am Leitindex S & P 500, hat sich seit dem Tief im März des Vorjahres verdoppelt. Ähnlich der DAX. Hauptgrund für diese auch im historischen Vergleich extrem starke Erholungsrally sind in erster Linie die fiskalund geldpolitischen Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken, kombiniert mit dem Neustart der wirtschaftlichen Aktivitäten.
Beides zusammen spiegelt sich in der fulminanten Erholung der Unternehmensgewinne wider, die ihrerseits die Aktienmarktrally stets weiter anschieben konnten. Die Erwartungen an die Unternehmen wurden immer wieder deutlich übertroffen: Nach einem durchschnittlichen Gewinnrückgang um 14 Pro zent im Krisenjahr war der Konsens zu Jahresbeginn zunächst bei den Profiten der US-Unternehmen von einem Zuwachs um 23 Prozent ausgegangen. Mittlerweile wurde aber laut einer Analyse der österreichischen Raiffeisen-Bank das für das laufende Jahr geschätzte Gewinnwachstum "auf fabelhafte 46 Prozent nach oben revidiert".
Das Problem daran: Derart dramatische Entwicklungen haben meist einen Preis. Sie sind in dieser Form in der Regel schlicht nicht nachhaltig. Zitat RaiffeisenBank: "Klar ist aber auch, dass damit nun das Stärkste an Gewinnwachstumsdynamik hinter uns liegt, da das zweite Quartal des Vorjahres noch von den harten Lockdowns überschattet war."
Abgewälzte Kosten
Künftig ist also wieder mit normaleren Zahlen zu rechnen. So liegt das geschätzte Gewinnwachstum für das kommende Jahr bei den Unternehmen des S & P 500 bei neun Prozent. Was immer noch sehr gut ist. Interessant ist dabei auch, dass die Unternehmen die wegen der Lieferproblematik und der steigenden Löhne deutlich höheren Kosten bisher sehr gut auf die Produktpreise und damit auf die Kunden abwälzen konnten.
Insgesamt sind die Fundamentaldaten also recht robust. Dennoch könnten bald einige Gewitterwolken aufziehen. Da sind zum einen politische Unsicherheiten: Der amtierende US-Präsident Joe Biden wirkt angeschlagen, manche Kritiker fordern wegen der Afghanistan-Krise gar seinen Rücktritt. Auch in Umfragen ist Biden in puncto Beliebtheit abgestürzt - im Gegensatz zu seinem republikanischen Widersacher Donald Trump, der bei einer Veranstaltung in Alabama viele Tausende Unterstützer anzog.
Zudem wird der Konjunkturaufschwung dazu führen, dass die US-Notenbank Fed das Wertpapierankaufprogramm in den kommenden Monaten reduzieren wird. Dies entzieht den Märkten Liquidität und dürfte damit wohl auch an der Börse für wackeligere Kurse sorgen. Die Geldpolitik wird künftig also weniger expansiv ausfallen als bisher gewohnt - auch wenn es wohl noch lange nicht zu einer ersten Anhebung der Leitzinsen kommen wird.
Steigende Infektionszahlen
Eine weitere sinnbildlich heraufziehende Gewitterwolke sind die steigenden Neuinfektions- und Hospitalisierungszahlen bei den Impfvorreitern Israel und Island. Das lässt den Schluss zu, dass mit Beginn der Herbstmonate das Covid-Problem wieder stärker in den Fokus rücken wird. Im schlimmsten Fall inklusive neuer Einschränkungen, die dann wieder negativ aufs Wachstum durchschlagen. Es gibt also durchaus eine gewisse Konsolidierungsgefahr. Nicht zuletzt auch, weil nach einer Verdopplung an der Börse schon aus rein technischer Sicht eine Verschnaufpause immer drin ist.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com