Die Wahlen in den USA dominieren mehr und mehr die Nachrichten. Nicht nur was die generelle politische Ebene anbelangt. Auch die Börsen-News sind voll davon. Letztlich werden auch die Kurse an den Märkten selbst von Aspekten wie der TV-Debatte zwischen den Kandidaten bewegt - und jüngst auch von der Ansteckung des Präsidenten Donald Trump mit dem Covid-19-Virus. Alles andere tritt in den Hintergrund. Durchaus mit einer gewissen Berechtigung. Es ist ja nicht mehr lange hin bis zum Wahltermin am 3. November.
Dass die Kurse in der vergangenen Woche anfänglich unter Druck kamen, als bekannt wurde, dass sich Trump nebst Familie in Quarantäne begeben musste, ist ein kleiner Hinweis darauf, dass man an den Märkten wohl einen Wahlsieg Trumps präferiert. "Normalerweise wäre zu erwarten, dass aufgrund der jeweiligen Steuerpolitik Aktien von einem Sieg Donald Trumps profitierten", findet auch Mark Dowding, Chefanleger beim Geldverwalter Blue Bay Asset Management. Andersherum formuliert: Ein Erfolg der Demokraten unter ihrem Kandidaten Joe Biden sollte eher zu Kursrückgängen am Aktienmarkt führen.
So einfach ist es allerdings dann doch nicht. Zum einen könnte ein erneuter Wahlsieg Trumps soziale Unruhen schüren - was wiederum die Märkte belasten würde. Andererseits wären unter einer Biden-Präsidentschaft höhere Fiskalausgaben wahrscheinlich, was die Märkte unterstützen könnte.
Mal rauf, mal runter
Diese Ungewissheit sorgt für Unruhe an den Börsen. Gut zu sehen war das in den vergangenen Wochen. Mal ging es rauf, mal runter, in Summe jedoch stagnieren die Märkte. Man wird also wohl warten müssen bis nach der Wahl, bevor es wieder zu echten Trends kommt. "Wenn es ein kohärentes Wahlergebnis gibt, und falls sich vor Ende 2020 ein Impfstoff gegen Covid-19 abzeichnet, lässt sich absehen, ob und wie die Märkte das Jahr positiver beenden könnten", findet auch Experte Dowding.
Für die Finanzmärkte, das ist auch klar, ist es wichtig, dass es am Wahlabend oder wenigstens innerhalb von wenigen Tagen nach der Wahl einen anerkannten Sieger geben wird. "Doch daran gibt es beträchtliche Zweifel. Und auch das Gezerre um zusätzliche Fiskalspritzen in den USA trägt nicht unbedingt zu einer positiven Stimmung am Markt bei", findet Ingrid Szeiler, Chefanlegerin bei der Fondsgesellschaft Raiffeisen KAG.
Wichtig für Börsianer ist letztlich aber auch, nicht nur in Richtung USA zu schielen. Denn die Welt jenseits der wichtigsten Volkswirtschaft dreht sich schließlich weiter. "Die US-Wahl ist definitiv nicht das einzige wichtige Ereignis, das vor uns liegt", bekräftigt John Vail, Chefstratege des Geldverwalters Nikko Asset Management. "An erster Stelle steht der Weg, den das Virus einschlägt, ein Impfstoff und seine Verteilung sowie die Art und Weise, wie die Politik mit der Öffnung oder Schließung ihrer Volkswirtschaften reagiert."
Weitere Faktoren, die zuletzt in den Hintergrund gedrängt wurden, sind der Brexit, das Verhältnis von China zur Welt und die Probleme im Nahen Osten. "Alles von entscheidender Bedeutung", so Vail. Dazu kommen positive Einflussfaktoren: Die Weltwirtschaft erholt sich, die Unternehmensgewinne haben die Talsohle durchschritten und werden im nächsten Jahr zweistellig wachsen. Und am Anleihemarkt sind die Renditen wieder unattraktiver geworden. Das spricht für die Aktienmärkte.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com