Die Zinsen für zehnjährige amerikanische Anleihen sind jetzt also doch über die Schwelle von drei Prozent gestiegen. Das ist durchaus beachtenswert, lag doch die Rendite zuletzt im Jahr 2011 auf derart hohem Niveau. Die Stimmung an den Aktienmärkten war für einige Tage entsprechend schlecht. Bei drei Prozent, so war wohl die Überlegung, könnte doch der eine oder andere Anleger schwach werden und von Aktien in Anleihen umschichten. Doch es blieb dann bei einer nur kurzen Verunsicherung. Denn so einfach ist es eben doch nicht mit dem Zusammenhang von Zinsen und Aktien - nicht automatisch bedeuten steigende Zinsen fallende Aktienkurse.
So hat eine neue Studie der US-Bank JP Morgan noch einmal gezeigt, was erfahrene Börsianer ohnehin schon wissen: Historisch gesehen sind die Kurse an den Aktienmärkten in der Vergangenheit nämlich sogar gestiegen, wenn es mit den Renditen aufwärtsging - allerdings nur solange der Zins unter fünf Prozent blieb.
Beruhigend wirkte in den zurückliegenden Tagen zudem, dass sich laut einer aktuellen Umfrage die professionellen Geldverwalter zurzeit wohl erst ab einem Zinsniveau von 3,5 Prozent größere Sorgen machen. Das hilft, um als Anleger nicht wieder gleich panisch zu werden. Und weil zur selben Zeit auch noch die Friedensgespräche in Korea außerordentlich erfreulich verlaufen sind, hellte sich die Stimmung doch deutlich auf.
Wirklich wichtig für die Börsenentwicklung sind aber andere Faktoren: Das Wirtschaftswachstum, die Unternehmens-gewinne, die Entwicklung der Inflation, was die Notenbanken daraus machen und wie letztlich die Börse darauf reagiert.
Die aktuellen Wachstumszahlen aus den USA sind jedenfalls gut. Besser als erwartet sogar. Um 2,3 Prozent ging es im Quartalsvergleich nach oben. Im Jahresvergleich sogar um 2,9 Prozent. Die Inflationsrate wiederum kletterte auch und liegt derzeit bei immerhin 2,5 Prozent. Das ist fast zu viel des Guten. Alles in allem dürfte die US-Notenbank Fed in diesem Jahr also insgesamt eher vier Mal die Zinsen erhöhen als nur drei Mal.
Und was machte die Börse daraus? Sie legte am Tag der Veröffentlichung dieser Daten leicht zu. Es scheint also immer noch der Grundsatz zu gelten, dass gute Nachrichten auch gut für die Aktienkurse sind. Das ist positiv.
Auch die Unternehmensergebnisse sind überzeugend. Mehr als die Hälfte der amerikanischen Aktiengesellschaften haben bislang neue Umsatz- und Gewinnzahlen vorgelegt - die Berichtssaison ist also in vollem Gang. Dabei sind bislang 79 Prozent der Gewinne und 74 Prozent der gemeldeten Umsätze besser ausgefallen als erwartet. Das ist mehr als der Durchschnitt der zurückliegenden fünf Jahre. Das Momentum hält also an.
Allerdings gab es auch prominente Enttäuschungen: Caterpillar sorgte mit einem sehr gedämpften Ausblick für Verstimmung, und auch bei 3M kam es nach schlechten Zahlen zu Kursverlusten. Das ist schon beachtenswert, weil beide Unternehmen als ausgesprochen zyklisch gelten und damit ein guter Indikator für die generelle Konjunkturentwicklung sind. Insgesamt ist die Gemengelage aber gar nicht so schlecht. Viel Negatives scheint in den Kursen schon enthalten zu sein, anderes - wie den Handelskrieg - kann man vermutlich sogar abhaken. Daher könnte man die altbekannte Börsenregel, nach der man im Mai lieber verkaufen sollte, in diesem Jahr vielleicht ignorieren.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com