Die Strong Dollar-Policy der Vergangenheit ist Vergangenheit
Zunächst erhalten Rohstoffe seit März 2020 Rückenwind von der Währungsseite. Da sie in US-Dollar notieren, bewegen sie sich entgegengesetzt zum Greenback. Eine markante Dollar-Befestigung ist auch nicht zu erwarten. Denn zur Konjunkturstützung setzt Amerika weiter auf Export.
Daneben begünstigt die weltweit üppige und billige Liquiditätsversorgung über zinsseitigen Anlagenotstand auch jede -form und damit auch Rohstoffe.
Zwar kommt es aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs zu Preissteigerungen, die Fed, EZB & Co. gemäß ihrer neuen Ausrichtung - nach langer Zeit unter- auch überdurchschnittliche Inflation zulassen - billigend in Kauf nehmen. Daher droht der Rohstoff-Hausse keine geldpolitische Austrocknung. Im Gegenteil, da sich Investoren mit Rohstoffen gegen Inflationstendenzen wappnen, stützen sie deren Preise zusätzlich.
Sind das gemeinsam mit der Konjunkturerholung, die zwar verspätet, dann aber gewaltig kommt, die Zutaten für einen neuen Superzyklus bei Rohstoffen?
Jenseits der 70 US-Dollar wird für Öl die Luft dünn
Zwar sorgt die Erholung der Weltkonjunktur bei wieder zunehmender Reisetätigkeit für eine fundamentale Unterfütterung bei Rohöl.
Doch nach den Produktionskürzungen der Ölförderländer, die erheblich zur Preiserholung beigetragen haben, ist ab April mit einer Wiedererhöhung der Förderung zu rechnen. Vor allem in Saudi-Arabien, das den Löwenanteil der Produktionskürzungen trägt, können steigende Preise die sinkenden Mengen nicht kompensieren. Die üppigen staatlichen Transferleistungen zur sozialpolitischen Beruhigung der Bevölkerung will man nicht gefährden.
Gleichzeitig nutzt die US-Fracking-Industrie die aktuellen Preisanstiege zur margenerhöhenden Ausweitung ihrer Produktion gnadenlos aus. Die Zahl der aktiven Ölbohrungen ist bereits auf ein 9-Monats-Hoch gestiegen.
So ist nicht zu erwarten, dass der Ölpreis an seine historischen Hochs anknüpft. Sicher profitieren Öl-Konzerne von der Preisbefestigung, zumal sie mittlerweile deutlich kosteneffizienter aufgestellt sind. Außerdem sind die Öl-Riesen bestrebt, ihre Öl-schwarze Weste mit Investitionen in erneuerbare Energien zu weißen. Auf das ESG-Anlagekapital will man ungern verzichten.
Industriemetalle als Leitwolf im Rohstoff-Rudel
Vor allem konjunkturzyklischen Industriemetallen kommt die wieder anziehende Nachfrage der Auto-, Maschinenbau- und Bauindustrie zugute. Sie notieren aktuell 30 Prozent höher als noch Anfang 2020.
Auch aufgrund eines mangelnden Kupferangebots durch einen coronabedingt eingeschränkten Minenbetrieb in den Hauptförderländern Chile und Peru positionieren sich Anleger für weitere Preissteigerungen. Die spekulativen Positionen auf einen Kupferanstieg liegen auf Rekordhoch. Damit hat sich aber hohes Korrekturpotenzial durch Gewinnmitnahmen aufgebaut. Mittlerweile ist Kupfer teurer als zur Zeit der Hoch-Konjunktur vor Corona-Ausbruch.
Nachhaltig werden die Industriemetalle vom Mega-Thema Digitalisierung gestützt. Kupfer ist beim Bau der 5G-Mobilfunknetze sowie der E-Mobilität von zentraler Bedeutung. Bei der entsprechenden Produktion von Batterien spielt Nickel eine Schlüsselrolle. Wegen der Verwendung in Brennstoffzellen wird Platin von Fortschritten bei der Wasserstoff-Technologie Auftrieb erhalten.
Gold-Sorgen sind unbegründet
Gold hat sich von seinem Rekordniveau entfernt. Physische Investoren haben die zwischen Mai 2019 und August 2020 angefallenen Buchgewinne gesichert, um sich an haussierenden Aktien und anderen Rohstoffen zu laben.
Selbst das Mega-Argument der Zinslosigkeit verliert an Überzeugungskraft. So hat sich das globale Volumen negativ verzinster Anleihen von seinem Höchststand entfernt.
Doch sind die Notenbanken angesichts der steigenden Verschuldung auch zukünftig zur Zinsdrückung gezwungen und das selbst bei Inflationsanstieg. Noch negativere Realrenditen werden Gold anhaltend begünstigen.
Zudem sind Risiken nicht ausgestorben. Corona bleibt angesichts von Virus-Mutationen ein latenter Unsicherheitsfaktor und der geopolitische Konflikt zwischen den USA und China ein Evergreen.
Übrigens wirkt auch die ungebrochen starke physische Nachfrage der Notenbanken wie eine Rücklaufsperre für den Goldpreis.
Silber in der Spekulationsblase?
Diese Einschätzung stützt ebenso Silber, das zusätzlich von seinem Industriemetall-Charakter profitiert. Für Solarpaneele, Sensoren von Windturbinen sowie in der E-Mobilität ist das Metall unverzichtbar. Damit ist Silber zumindest aktuell Gold gegenüber im Vorteil.
Nicht zuletzt spielt Silber eine verschwörungstheoretische Rolle. Angeblich sollen Banken und Hedgefonds den Silberpreis seit Jahren künstlich und dramatisch drücken. Silber sei das am meisten leerverkaufte Metall. Es sei mehr Silber verkauft worden als es überhaupt gibt. Das ist ein gefundenes Fressen für einschlägig bekannte Internetforen, die zum Widerstand gegen die Finanzindustrie über den "größten Short-Squeeze der Welt" aufrufen. Kommt irgendwie bekannt vor, oder? Mit massiven Käufen will man die Verknappung und damit den Silberpreis auf Höhen treiben wie zuletzt 2011, als er auf fast 50 Dollar stieg. Schmerzhaft teure Eindeckungen von Leerverkäufen sollen den Hedgefonds schließlich den Garaus bereiten.
Tatsächlich hat die Nachfrage der ETFs nach physischem Silber stark zugenommen. Und damit wachsen auch die Befürchtungen vor Versorgungsengpässen.
Aber ist dieses Schreckensszenario wirklich gerechtfertigt? Am Silber-Terminmarkt zeigen sich die Anleger eher optimistisch. Abseits von Preis-Kapriolen sind nachhaltig extreme Kursanstiege nicht zu erwarten.
Insgesamt wurden vor allem bei zyklischen Rohstoffen sehr viele Vorschusslorbeeren verteilt, was zukünftig weniger Preisdynamik bedeutet. Der Superzyklus bei Rohstoffen fällt weniger super aus als erwartet.
Marktlage - Schürt die Fundamental-Hausse eine Liquiditäts-Baisse?
Die Impf-Fehler in Deutschland können den Optimismus der deutschen Wirtschaft nicht mehr bremsen. So haben sich die ZEW Konjunkturerwartungen - die hierzu befragten Analysten sind nicht für übertriebenen Optimismus bekannt - weiter aufgehellt. Vor allem im Außenhandel, Konsum und Handel wird ein deutlicher Aufholprozess erwartet. Im Super-Wahljahr 2021 werden zunächst weitere staatliche Konjunkturhilfen eingepreist. Dieses aufgehellte Bild wird von den ifo Geschäftszahlen in der kommenden Woche bestätigt.
Flankiert von Impf-Fortschritten und einer schrittweisen Aufhebung des Lockdowns wird ebenso an den Aktienbörsen eine positive Konjunktur-Zukunft bezahlt.
Von dieser robusten Perspektive profitieren naturgemäß zyklische Aktien. Unternehmen aus dem MDAX, SDAX und TecDAX sind hier bestens aufgestellt. Wenn auch nicht auf dem breiten und hohen Niveau der USA oder der Schwellenländer Asiens, können dennoch selbst mittelständische Unternehmen bei IT eine Bella Figura machen.
Unternehmen der zweiten und dritten Reihe sind zudem auch bei Windkraft, Solarenergie und E-Mobilität sowie entlang der gesamten Wertschöpfungskette gut aufgestellt. Im Telefonat von US-Finanzministerin Yellen mit EZB-Chefin Lagarde soll man zudem über einen transatlantischen Schulterschluss in puncto grüner Transformation der Wirtschaft auch als Wachstums- und Job-Motor gesprochen haben. Ohne Zweifel wird die EZB diesen Prozess intensiv begleiten.
Zwar haben sich die Renditen von US-Anleihen mit Blick auf die Konjunktur von ihren Tiefständen erholt. Da sich die Fed gemäß Protokoll der vergangenen Sitzung jedoch weit von ihren Zielen Vollbeschäftigung und Preisstabilität entfernt sieht, wird sie jeder markanten Zinswende die Bleiweste anziehen. Insofern droht kein nachhaltiges Aktien-Ungemach.
Rücksetzer sollten Anleger für Aktienaufstockung vor allem im konjunkturzyklischen und ökologischen Bereich nutzen.
Sentiment und Charttechnik DAX - Zwischenzeitlicher Druckabbau im Aktien-Kessel ist gesund
Aus Sentimentsicht liegt der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten oberhalb der ersten Standardabweichung und signalisiert als Kontraindikator eine steigende Gefahr von Konsolidierungen durch vorübergehende Gewinnmitnahmen, insbesondere bei den High-Flyern im IT-Sektor. Diesem Effekt entkommt auch der deutsche Aktienmarkt nicht, der sich aktuell ohnehin nicht traut, neu erklommene Allzeithochs zu verteidigen.
Charttechnisch trifft der DAX auf dem Weg nach oben bei 13.960 auf ersten Widerstand. Darüber nimmt der Index Kurs auf die Barrieren bei 13.983, 13.992 und schließlich 14.132. Kommt es zu zwischenzeitlichen Rücksetzern, liegen erste Unterstützungen bei 13.915 und 13.832. Darunter trifft der DAX auf weitere Haltelinien bei 13.791, 13.780 und 13.740 Punkten.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.