Sein Gesicht verrät keine Regung. Markus Frick ist nicht anzusehen, ob er erleichtert ist, als der Staatsanwalt den Strafantrag gegen ihn verliest. 27 Monate Haft. Frick starrt auf die Tischplatte vor sich. Nur das Zucken seiner Wangenpartie verrät, dass er die Zähne zusammenbeißt. Das wäre eine milde Strafe. Er hatte gestanden, für ein Schmiergeld in Millionenhöhe Aktienkurse in die Höhe getrieben zu haben. "Der Tatbestand der Marktmanipulation ist allein dadurch erfüllt", sagt Staatsanwalt Philipp Zmyj-Köbel gerade, "dass bei der Bewerbung der Aktien nicht erklärt wurde, dass sie gegen ein Entgelt beworben wurden."

Frick hält den Kopf gesenkt. Auf Marktmanipulation stehen bis zu fünf Jahre Haft. Ursprünglich hatte die Anklage gegen den 41-Jährigen sogar auf bandenmäßigen Betrug gelautet - dieser Vorwurf hätte Frick bis zu zehn Jahre hinter Gitter bringen können. Allerdings, führt der Staatsanwalt aus, habe der Angeklagte früh gestanden, Reue gezeigt und Wiedergutmachung angestrebt.

Frick hebt den Kopf, sein Blick wandert zum Zuschauerraum. Dort sitzt sein Vater. Graue Haare, dunkle Jeans, blau-weiß gestreiftes Hemd, ein dunkelblauer Pullover. Mit schwarzer Brille und gelbem Notizheft verfolgt er seit Beginn der Hauptverhandlung den Prozess gegen seinen Sohn. Der wurde im Lauf der Hauptverhandlung immer schmaler. Oder sein Anzug immer weiter.

1,9 Millionen Euro hat Markus Frick dafür erhalten, dass er die Aktien von LetsBuyIt, Venatus und Autev in dem eigens geschaffenen Börsenbrief "Deutscher Aktiendienst" anpries. 660 000 Euro habe er an seine Geschäftspartner weitergeleitet, sagte der Bäckermeister aus. Seine Hintermänner sollten die von Fricks Aktientipps ausgelösten Kurssteigerungen dazu genutzt haben, sich zu überhöhten Preisen von ihren Aktien zu trennen. In 90 ausgewählten Musterfällen hatte die Anklage einen Betrugsschaden von 625 000 Euro errechnet, sich zur Höhe des Gesamtschadens aber nicht geäußert. Im fraglichen Zeitraum waren die drei Aktien in einem Volumen von rund 21 Millionen Euro gehandelt worden.

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Smarter Selfmademan

Die Geschichte von Markus Frick ist nicht nur die Geschichte eines smarten Selfmademans, der es zu viel Ruhm und sehr viel Geld gebracht hat. Der mit 14 seine erste Aktie kaufte und mit 26 die erste Million auf dem Konto hatte, der es als Emporkömmling aus Sinsheim zum Buchautor und Fernsehmoderator mit eigener Sendung brachte, der bei Sandra Maischberger und Stefan Raab saß und in vollen Sälen Tausenden Kleinanlegern marktschreierisch Börsentipps gab. Es ist nicht nur die Geschichte von einem Bäckerjungen, der keine kleinen Brötchen backen wollte, sondern den Traum vom großen Geld verwirklichte, von einem, dem der Aufstieg zum Millionär gelang - und der dafür auf breiter Front bejubelt wurde.

Der Jubel ist längst verstummt, als Frick im Frankfurter Landgericht versucht, auf der Anklagebank Haltung zu bewahren. Die Initiative zur Gründung des Börsenbriefs "Deutscher Aktiendienst" im Jahr 2012 mit rund 3000 Abonnenten sei allein von dem mitangeklagten Geschäftspartner Michael J., gelernter Bäcker und einst Mitbesitzer eines Matratzeneinzelhandelsfachgeschäfts, ausgegangen. Dieser habe die technische Abwicklung organisiert, während er nur für den redaktionellen Teil verantwortlich gewesen sei, trägt Frick dem Gericht vor. Im Lauf des Prozesses wird herauskommen, dass er dies nicht mit eigenem Namen, sondern unter einem frei erfundenen Pseudonym und mit fremden Handyanschlüssen getan hat.

Dies ist nicht nur die Geschichte von einem, den die Großmannssucht zu Fall brachte, einem, der trotz vorherigen Warnschusses der Versuchung nicht widerstehen konnte, dessen Gier größer war als sein Verstand, von einem, der seine Freiheit aufs Spiel setzte - und verlor.

Der laufende Prozess ist nicht der erste gegen Frick: Bereits 2011 war er wegen strafbarer Aktienempfehlungen vom Berliner Landgericht rechtskräftig zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Damals hatte das Gericht 42 Millionen Euro aus dem Vermögen einer Treuhandgesellschaft, bei der Frick Aktienpakete besaß, zugunsten der Staatskasse für verfallen erklärt.

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Schnelles Geld und große Gier

Es ist nicht nur die Geschichte von einem, den die Medien euphorisch zum "Börsenguru" hypten, bevor sie ihn nach seinem ersten Rechtsbruch mit Häme überschütteten. Hatte Markus Frick am zweiten Verhandlungstag in Frankfurt, vor der Verlesung seines Teilgeständnisses, im Gerichtssaal noch selbstgefällig wie zur Tonprobe auf das vor ihm stehende Mikrofon geklopft und damit manchen Zuschauer an seine alten Tage als gefeierter Börsenentertainer erinnert, scheint die zu Prozessbeginn demonstrierte Fassade aus Selbstbewusstsein und Überheblichkeit inzwischen zerbröselt.

Nach dem Teilgeständnis zum Prozessauftakt lieferte Frick am Tag vor Weihnachten ein volles Geständnis nach und beteuerte im Lauf des Prozesses immer wieder, einen Totalverlust aufseiten der Anleger nie beabsichtigt zu haben, schließlich seien Stützungskäufe vereinbart worden, die das Abstürzen der Kurse hätten verhindern sollen. Einziges ihm bekanntes Ziel sei es gewesen, einen seriösen und erfolgreichen Börsendienst aufzubauen, um später die Aktien des vom mitangeklagten J. gegründeten Internethandels Zoo-Gigant AG lukrativ an den Markt zu bringen, gab der kleinlaut gewordene Angeklagte wiederholt zu Protokoll.

Vor dem Landgericht in Frankfurt nannte der vorbestrafte Angeklagte die Empfehlung nun einen "schweren Fehler", an dem er und seine Familie schwer trügen. Er habe 2012 unter starkem finanziellen Druck gestanden. Schon häufig seien ihm hohe Beträge angeboten worden, damit er bestimmte Titel empfehle. "Ich habe in diesem Moment nicht widerstehen können", sagte er dem Gericht.

Seit Januar 2013 sitzt Frick nun schon in Untersuchungshaft. Ungewöhnlich lange für Angeklagte in einem Wirtschaftsstrafprozess, da sind sein Verteidiger und der Staatsanwalt sich einig. Sehr wahrscheinlich kommt Frick deswegen am Tag der Urteilsverkündung auf freien Fuß. Ob und wie lange er zum Verbüßen seiner Strafe dann noch mal hinter Gitter muss, hängt auch davon ab, ob das Berliner Gericht die Bewährungsstrafe widerruft.

Hinter ihm liegen bereits jetzt mehr als 400 Tage Haft. Das ist eine lange Zeit, um sich einer Schuld bewusst zu werden. Eine lange Zeit, für einen, dessen Tochter gerade laufen lernt und dessen Sohn glaubt, er weile auf Geschäftsreise. Doch das dürfte den geprellten Anlegern egal sein, vielen wird vermutlich schon die vom Staatsanwalt geforderte Strafe zu wenig sein. Sie werden kaum Mitleid haben mit dem Mann, der sie um ihr Erspartes gebracht und ihnen den Traum vom schnellen Geld geraubt hat.

Etwa 30 von ihnen hatte der Vorsitzende Richter Klaus Wiens als Zeugen geladen und mit engelsgleicher Geduld angehört, wie sie eine zum Teil hanebüchene Ahnungslosigkeit vom Aktienmarkt offenbarten. Während der ein oder andere Beobachter im Zuschauerraum längst kopfschüttelnd schmunzelte, spiegelte in diesen Momenten weder das Gesicht des Richters noch das des Angeklagten deren Gedanken wider. Alle hatte offenbar die Hoffnung auf den schnellen Profit getrieben. Einer von ihnen bekannte sogar freimütig, "nein", Fundamentaldaten interessierten gar nicht, er vertraue ausschließlich Empfehlungen und seinem "Bauchgefühl".

Nur ganz selten stützte der Richter im Lauf der Verhandlung seinen Kopf auf die Hand. Noch viel seltener verrieten die Finger des Angeklagten mit einem leichten Zupfen an der Unterlippe oder dem kurzen Streichen über die Augen seine Anspannung. Meist hatte er die Ellenbogen auf die Stuhllehne gestützt, die Hände scheinbar ruhig auf Brusthöhe gefaltet oder vor sich auf den Tisch gelegt. Möglich, dass Frick sich gut im Griff hatte und selbst in diesen Momenten zu wirken wusste.

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Schuldbewusst zum Richter

Nur ein einziges Mal platzte die Erleichterung aus ihm heraus, als ein Zeuge ihn entlastet hatte. Schuldbewusst blickte er sofort zum Richter. Ist es bloß die Inszenierung großer Reue oder echte Erkenntnis seines Unrechts, die den ehemaligen Fernsehmoderator im Lauf des Prozesses bewegt? Am Ende weiß er das wohl nur ganz allein.

Doch selbst der Staatsanwalt erkannte sein Schuldbewusstsein an und hielt Frick sein frühes und umfassendes Geständnis zugute. Außerdem habe Frick den mit der Marktmanipulation erzielten Betrag in Höhe von 1,24 Millionen Euro vollständig zur Verfügung gestellt, um die betroffenen Anleger zu entschädigen. Ein eventueller Restbetrag soll an gemeinnützige Einrichtungen fließen, es sei "sichergestellt und ausgeschlossen", dass der Angeklagte darauf zugreifen könne. "Frick hat deutlich gemacht, dass er sich auch inhaltlich von der Tat distanziert", begründet der Staatsanwalt seinen milden Strafantrag. Fast scheint es, als täte ihm der Angeklagte leid.

Hätte er beim ersten Prozess gegen ihn "auch nur einen einzigen Tag in Untersuchungshaft gesessen", wäre ihm dies eine Lehre gewesen, soll Frick zu seinem Anwalt gesagt haben.

In den Prozesspausen gestattet der Richter dem Angeklagten ein kurzes Gespräch mit seinem Vater. Beide treten an die halbhohe Brüstung, die den Zuschauerraum vom Gerichtssaal trennt. Der Vater zieht ein Foto aus seinem gelben Notizbuch, dem Angeklagten fällt unter dem Blick des Vaters die Anspannung aus dem Gesicht, beim Betrachten des Bildes lächelt er. Die letzten Zuschauer verdrücken sich verstohlen aus dem Raum, gewähren Vater und Sohn einen unbeobachteten Augenblick.

In diesem Moment wirkt die Reue des Angeklagten überzeugender als jemals zuvor. Plötzlich ist die Geschichte von Markus Frick nicht mehr nur die von Selbstüberschätzung, falschem Ruhm und großer Gier. Von Täuschung und Enttäuschung. In diesem Moment steht da ein Sohn in Handschellen vor seinem Vater.

Der Börsen-Ikarus

Markus Frick begann Ende der Neunziger mit einer Börsen-Hotline. In Büchern wie "Ich mach Sie reich!" und "So macht Geld glücklich" schildert der gelernte Bäcker, der mit 14 seine erste Aktie kaufte und an der Börse ein Vermögen erzielte, seinen Aufstieg und schuf sich eine Fangemeinde, die hoffte, sie könne seinen Weg zum Millionär nachahmen. Die TV - Sendung "Make Money - Die Markus Frick Show" auf dem TV -Sender N24 machte ihn einem breiten Publikum bekannt, das ihn als Börsenguru feierte. 2011 wurde er in Berlin erstmals wegen Kursmanipulation verurteilt. Seit 2013 wird ihm in Frankfurt der Prozess gemacht: Vorgeworfen wird ihm die Bewerbung von Aktien im Auftrag Dritter gegen Erhalt eines Schmiergelds. Die Anklage wegen Betrugs war fallen gelassen worden, da die Höhe des entstandenen Schadens nach Auffassung des Gerichts nicht ohne eine unangemessen lange Strafverfolgung hätte ermittelt werden können. Das Urteil will das Landgericht Frankfurt am 25. Februar verkünden.