Marseille-Kliniken: Delisting auf Kosten der freien Aktionäre
· Börse Online Redaktion
Sucht man bei Marseille-Kliniken nach
Erklärungen für die schwache Entwicklung,
ist Selbstkritik nicht gefragt. Dass
der 57-jährige Großaktionär Ulrich Marseille
vielfach die Strategie gewechselt
hatte, Vorstände in Serie entließ und -
glaubt man TV-Beiträgen - auch erhebliche
Mängel in der Pflege tolerierte,
scheint in einer Art Generalamnesie unterzugehen.
Nun will Marseille die Aktie
(WKN: A1TNRR) von der Börse nehmen.
Ab dem 11. August soll sie nicht mehr im
Freiverkehr gehandelt werden. Gestützt
auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus
dem vergangenen Jahr, erfolgt das Delisting
ohne Beschluss der Hauptversammlung
und ohne Pflichtangebot an die
freien Aktionäre. Die Folge: Der Kurs verlor
gut ein Drittel an Wert. Es ist keine
allzu gewagte Vermutung, dass Marseille,
dessen Familie rund 60 Prozent der
Aktien kontrolliert, auf diesem Weg versucht,
preiswert an die Aktien des Streubesitzes
zu kommen. Am Ende könnte die ganze
Gruppe dann zu höheren Preisen verkauft
werden. So gesehen, wäre es für den
Streubesitz sinnvoll, Interessengruppen
zu bilden und Aktien zu bündeln. Auch
Börsenbetreiber und der Gesetzgeber
müssen sich des Themas annehmen,
damit der Schaden durch Delistings für
die Finanzierungsform Aktie nicht zu
groß wird. Eine Möglichkeit wäre, über
alle Marktsegmente hinweg Bedingungen
einzuführen, die oberhalb bestimmter
Grenzen des Streubesitzes ein zwingendes
Kaufangebot erforderlich machen würden.