Die Quittung für das Querdenker-Image, das er beinahe pedantisch pflegt, hat Max Otte gerade bekommen. Einst omnipräsent in TV-Expertenrunden, wird er nur noch selten eingeladen. Die Medien fallen über ihn her, weil seine Fonds dem Markt hinterherhinken. Angeblich.
Auf den ersten Blick ist der Fall klar: Bis dato kaum bekannter Professor landet einen Glückstreffer, wird zum Vorzeigebörsianer des Landes, nutzt seine Popularität, um einen neuen Fonds aufzulegen - und scheitert kläglich. So war das sinngemäß seit Mitte des Jahres in verschiedenen durchaus renommierten Medien nachzulesen, etwa im "Handelsblatt", der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" oder auf "Spiegel Online".
Die Langversion der Geschichte ist etwas komplexer. Zu einer Art Börsenlegende wurde Max Otte, zwei Jahre nachdem im Herbst 2006 sein Buch "Der Crash kommt" erschienen war. Darin warnte er vor den Gefahren eines weitgehend auf Pump finanzierten Wirtschaftssystems, vor der Immobilienblase in den USA, vor unkontrollierbaren Kreditderivaten.
Der Crash kam 2008. Otte wollte nie Crash-Prophet sein, wurde aber als solcher förmlich durch die Talkshows gezerrt, hielt bis zu 100 Vorträge im Jahr, ließ seine Lehrtätigkeit weitgehend ruhen, widmete sich der Expansion seiner Firma in Köln, beteiligte sich an einer Vermögensverwaltung. Nicht alle Kooperationen funktionierten, manche endeten vor Gericht. Ein einfacher Charakter war er nie.
Matthias Otte, heute 52 Jahre alt, wuchs in Plettenberg im Sauerland auf. Nach dem Tod seines Vaters, eines Berufsschullehrers und CDU-Kommunalpolitikers, nahm er dessen Vornamen Max an. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft promovierte er an der US-Eliteuni Princeton, wo er unter anderem in den Genuss von Vorlesungen der Notenbankchefs Paul Volcker und Ben Bernanke kam. Als Professor lehrte er in Worms, Würzburg und bis vor Kurzem in Graz.
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Vom Guru zum Buhmann
Otte wurde Ende 2005 für ein erstes Fondsprojekt der Banque SCS Alliance engagiert, den Pléiade Privatinvestor. Das Projekt kam nie über die Startphase hinaus. Die Initiatoren verließen die Bank, Otte beendete die Zusammenarbeit Anfang 2007. Aktuell berät er drei Fonds: Seit 2008 den PI Global Value Fund, seit 2013 den nach ihm benannten Max Otte Vermögensbildungsfonds und seit Kurzem einen Hedgefonds für professionelle Investoren.
Die Fonds liefen anfänglich mehr als ordentlich. Der PI Global Value etwa schlug den MSCI-World-Index 2009 um 31 Prozent, 2010 um 20 Prozent und wurde 2014 von Feri als "bester globaler Aktienfonds 2013" prämiert. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Otte-Fonds empfindliche Rücksetzer hinnehmen. Unter anderem weil Goldminenaktien lange Zeit einen Schwerpunkt der Anlagestrategie gebildet hatten und kurz vor der Trendwende zum Positiven verkauft wurden.
Er habe "zu oft Konsensentscheidungen akzeptiert", statt seine eigene Anlagestrategie durchzusetzen, resümiert Otte heute. Die Konsequenz: "Ich treffe die Entscheidungen wieder komplett selber und verantworte alles persönlich. Das bin ich meinen Anlegern schuldig."
Seitdem läuft es auch wieder besser. Den DAX, den er ohnehin für die geeignetere Benchmark hält, weil vornehmlich deutsche Anleger bei ihm investieren, hat der Max Otte Vermögensbildungsfonds in den zurückliegenden drei Monaten jedenfalls geschlagen. Mit dem US-lastigen MSCI-World-Index konnte er zuletzt nicht ganz Schritt halten. Doch der Vorwurf einer kontinuierlichen Underperformance ist falsch. Seit Auflegung des PI Global Value Fund am 21. März 2008 hat er neben DAX und Eurostoxx 50 auch den MSCI World geschlagen. Die 7,46 Prozent Rendite pro Jahr, die der Fonds seit Auflegung am 17. März 2008 bis zum 2. Dezember 2016 erzielte, können sich sehen lassen. Absolut gesehen sind das 87,43 Prozent Wertsteigerung.
Nicht ganz zu Unrecht führt der Professor ins Feld, dass "diejenigen, die mich in die Pfanne hauen wollen, sich irgendeinen Zeitraum herausgreifen, in dem ich schlecht aussehe". Von "Spiegel Online" forderte und bekam er eine Unterlassungserklärung. Das Fondsvolumen sei vor allem wegen der Performance nach dem Crash 2008 angewachsen, nicht wegen seiner Popularität.
Otte sieht sich als nüchternen Value Investor, der Aktien und Wertpapiere unabhängig von Konjunkturlage und Marktpsychologie kauft, wenn sie in seinen Augen fundamental billig sind. Von Benjamin Graham habe er gelernt, extrem billige Unternehmen zu kaufen, auch wenn sie oft hässlich aussehen. Nach der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon war BP seine größte Position. Trotz aller kritischen Nachfragen hielt Otte an der Aktie fest und verdiente viel Geld.
Im Portfolio finden sich auch Aktien wie LVMH oder Alphabet, die eher dem Anlagestil eines Warren Buffett zuzuordnen wären. Seine Anlagestrategie ist offensichtlich um Längen besser, als sie derzeit dargestellt wird.
Durchhänger sind bei Value-Strategien völlig normal, aber bei weniger populären Vermögensverwaltern interessiert das niemanden. Bei Otte wird eine große Story daraus.
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Lektion nicht gelernt
In der Eifel hat Otte ein altes Pfarrhaus erworben, wohin er sich zurückzieht, um nachzudenken, Strategien für seine Fonds zu entwickeln und um mehr Zeit mit seinen drei Kindern zu verbringen. Vor Kurzem hat er einen fokussierten Hedgefonds für professionelle Investoren initiiert, um seinen Anlagestil "in Reinkultur umsetzen zu können".
Diesmal nicht nur als Berater, sondern als Eigentümer des Fonds. Er habe "seine Freiheit wiedergewonnen". Die Einsamkeit der Eifel scheint ihn zu beflügeln, Nähe zu den Finanzzentren sei für das Nachdenken eher schädlich.
An den Mainstream anpassen will er sich partout nicht. Er gefällt sich in der Rolle des Unbeugsamen, lässt sich von seinen Überzeugungen nicht abbringen, auch wenn er sich damit schadet. Zum Entsetzen der deutschen Öffentlichkeit verkündet er, der Wahlsieg Trumps sei besser für die Welt - nicht etwa, weil die Aktienkurse gestiegen sind, sondern weil von Clinton "eine höhere Kriegsgefahr ausgegangen wäre".
Spricht’s, zieht sein grasgrünes Röcklein an und begibt sich auf die Jagd.