In Schwellenländern investiert man meist breit. Dabei reicht auch eine einzige Aktie – Reliance Industries. Das größte Unternehmen Indiens steht für alles, was Emerging Markets ausmacht
Superlative sind ein Synonym für Reliance Industries. Drei Tage Party hatte Unternehmenschef Mukesh Ambani angeordnet. Und das noch vor dem eigentlichen Anlass – der für den Sommer geplanten Hochzeit von Ambanis Sohn Anant mit Radhika Merchant, deren Vater den Krankenhausbetreiber Encore Healthcare leitet. Eine „Pre-Party“ also. Und da ist für die Unternehmerfamilie nichts zu aufwendig und zu teuer: Ambani soll für die drei Tage etliche Millionen ausgegeben haben.
Die 1200 Namen starke Gästeliste war illuster, wobei man munkelt, dass neben dem Vergnügen auch der Businesstalk nicht zu kurz kam. Denn neben Popqueen Rihanna, vielen Bollywood-Stars, dem König von Bhutan und Ivanka Trump war auch Meta-Chef Mark Zuckerberg unter den Partygästen in Ambanis Heimatstadt Jamnagar im Westen des Landes. Dazu Murray Auchincloss von BP, Sundar Pichai von Alphabet, John Elkann, der Boss von Stellantis, sowie Bill Gates.
Typisch für Ambani: Parallel zum Promi-Fest schmiss er ein opulentes Abendessen für die mehr als 50 000 Anwohner des Partyorts. Der 66 Jahre alte Unternehmer geizt nicht, das ist bekannt. Es tut ihm aber auch nicht weh, ist er doch laut US-Magazin „Forbes“ mit rund 118 Milliarden Dollar Vermögen der reichste Mensch Asiens. So gehört ihm etwa ein 27 Stockwerke hoher Wolkenkratzer in Mumbai, der der Familie als Privatresidenz dient.
Basis seines Reichtums ist Reliance Industries, das mit jährlich 125 Milliarden Euro Umsatz stellvertretend steht für den Aufstieg Indiens vom Drittweltland zum stärksten Emerging Market. Indien ist die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft der Welt: Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im Schlussquartal 2023 um 8,4 Prozent. Geht es so weiter, dann wird man schon 2027 an Deutschland und Japan vorbeiziehen und zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen.
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Reliance Industries: Groß, erfolgreich, diversifiziert
Einen gehörigen Anteil daran hat Reliance Industries, das 1966 von Ambanis Vater als Erdöl- und Textilunternehmen gegründet und 1977 an die Bombay Stock Exchange gebracht wurde. Mittlerweile ist es dort mit umgerechnet 225 Milliarden Euro Marktkapitalisierung das schwerste Unternehmen, vor dem IT-Dienstleister Tata Consultancy mit 165 Milliarden.
Und auch in Sachen Performance kann sich Reliance sehen lassen. Vergleicht man die Entwicklung der Aktie mit dem breiten Indien-Index Sensex, dann hat Reliance mit einem Plus von 32 Prozent (inklusive reinvestierter Dividenden) nicht nur auf Jahressicht besser abgeschnitten, sondern ebenso über drei, fünf und zehn Jahre. Seit 2014 etwa haben Anleger mit Reliance 700 Prozent Plus gemacht, mit dem Sensex wären es dagegen „nur“ 300 Prozent gewesen. Wenn man so will, tut es also eine einzige Aktie, wenn man in Indien investieren möchte — oder gar in den gesamten Komplex Schwellenländer.
Das Reliance-Geschäft ist über die Jahre breiter geworden, wobei in Sachen Umsatz nach wie vor der Kernbereich rund um die Petrochemie dominiert. Die weltweit größte Raffinerieanlage an einem einzigen Standort — in Jamnagar — ist das größte Asset. Hier dreht sich alles um die Umwandlung von Rohöl in Chemikalien und Materialien. Produziert werden vor allem Transportkraftstoffe, Polymere und Elastomere sowie Polyester. Vieles davon unter dem Dach der Marke Jio, die man als Joint-Venture mit BP betreibt und dessen Tankstellennetz sich durch ganz Indien zieht. Klar, dass da auch BP-Chef Auchincloss zur Party geladen war.
Ein wichtiger Gewinnbringer ist aber vor allem der Bereich „Digital Services“, wo man ebenfalls unter der Marke Jio immer dominanter wird. Indien könne in Sachen Digitalisierung nicht zurückbleiben, sagte Ambani einst zu „Forbes“. Alles, was digital werden kann, werde auch digital, so der Unternehmenslenker. Und so bietet man mit dem Mobilfunknetzwerk Jio schon seit 2016 Highspeed-Internet zum Kampfpreis an, wodurch etliche Konkurrenten aufgeben mussten. Jio ist dadurch inzwischen zum drittgrößten
Mobilfunkanbieter der Welt angewachsen, auch, weil Ambani 2020 gut 27 Milliarden Dollar eingesammelt hat, um Jio auszubauen — Geld, das auch von bekannten Unternehmen aus dem Silicon Valley stammt, von Meta und Alphabet etwa, wodurch sich auch hier der Kreis zur Hochzeitsparty schließt.
Wegweisender Deal mit Disney
Halt macht die Digitalisierung auch nicht vor dem zweitgrößten Bereich des Unternehmens, dem Einzelhandel. Reliance Retail ist Indiens größter Einzelhändler und das einzige indische Unternehmen des Bereichs, das unter den Top-100-Einzelhändlern der Welt rangiert. Neben Supermärkten wie Smart Bazaar und Convenience-Läden wie Fresh Signature versorgt JioMart — eine digitale Handelsplattform für Lebensmittel, Elektronik, Mode, Schmuck, Schönheit und mehr — die verwöhnte Kundschaft mit „Home Delivery“. Dazu passt auch, dass angeblich der britische Internet-Retailer Asos sich in den indischen Markt wagen möchte — es soll bereits Gespräche zwischen dem Modehändler und Reliance Retail geben.
Schlagzeilen machte man zuletzt aber in einem anderen Bereich: Reliance Industries und Walt Disney kündigten nämlich in der vergangenen Woche die Zusammenlegung ihrer indischen TV- und Streamingaktivitäten an. Mit dem 8,5 Milliarden Dollar schweren Deal entsteht im bevölkerungsreichsten Land der Welt ein Unterhaltungs-Powerhouse, das seinen Rivalen weit voraus ist. Disney, das sich schon 1993 nach Indien wagte, gibt damit de facto seine Bemühungen auf, dem Land mit 1,4 Milliarden potenziellen Medienkonsumenten passende Inhalte zu liefern. Daran versucht sich jetzt Nita Ambani, die Ehefrau des Konzernlenkers, die den Vorsitz des Projekts übernehmen wird. „Reliance hat ein tiefes Verständnis für den indischen Markt und den indischen Verbraucher“, sagte Bob Iger, der Chef von Disney, in einer Erklärung. Passend dazu scheint auch Paramount Global über den Verkauf seines Indien-Geschäfts an Reliance nachzudenken.
Dem bisher kleinen Geschäftsbereich Medien wird der Deal viel Auftrieb verschaffen. JioCinema wird wahrscheinlich die neue Heimat für Disneys Inhalte in Indien werden. Dafür spricht auch, dass sich der japanische Entertainment-Riese Sony von seinem bisherigen indischen Partner Zee trennt, Indiens erstem privaten Kabelfernsehunternehmen. „Die von zwei Giganten geprägte Landschaft wird nun wahrscheinlich von nur einem dominiert“, kommentiert dazu die „New York Times“ — und der heißt Reliance. Denn als riesiges Konglomerat hat Reliance einen klaren Vorteil im Kampf um die Vorherrschaft. Das Zauberwort heißt Cross-Selling. Man wird den Reliance-Kunden in den Bereichen Einzelhandel, Telekommunikation und Kreditgeschäfte schon passende Kombi-Angebote machen. Überall Superlative eben. Kursziel: 90 Euro
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