Bei Mobileye reicht ein Gerücht für
einen Kurssprung um 13 Prozent: Der
Elektroauto-Pionier Elon Musk kündigt
eine Überraschung bei den Einbauten
in seine Tesla-Autos an - wenige Tage später
bestätigte sich, dass der kalifornische
Autohersteller Technologie von Mobileye
für ein neues Autopilotsystem verwenden
wird. Die Aktie des Börsenneulings ist der
Highflyer in New York: Am ersten Handelstag
Anfang August stieg sie um 50 Prozent,
inzwischen hat sich der Kurs bereits
verdoppelt.
Die Aktie von Mobileye trifft den Nerv
der Zeit wie kaum eine andere: Das an der
Nasdaq notierte Unternehmen liefert die
Technologie für fahrerlose Autos. Seine
Chips und Algorithmen nutzen Kamerabilder,
um Straßenmarkierungen auszuwerten
und Unfälle zu vermeiden. Gemessen
an künftigen Gewinnen ist die Aktie bereits
unglaublich teuer - wie sich das für die einzige
lupenreine Wette auf die Zukunft von
Roboterautos wohl auch gehört. Diese
könnten in absehbarer Zeit tatsächlich
Realität
werden: Google schickt bereits
25 vollautomatische Autos ohne Fahrer
durch Kalifornien. 2017 sollen die ersten
Google-Modelle ohne Lenkrad in Serie
gehen. Mobileye
plant für 2016 freihändiges
Autofahren auf der Autobahn, auf regulären
Straßen bis spätestens 2022. Daimler
hält fahrerloses Fahren erst in zehn Jahren
für möglich. Die dafür notwendigen
Technologien werden aber schon heute als
Sonderausstattung in Premium-Autos eingebaut
- etwa Assistenten, die automatisch
für Sicherheitsabstand
zum vorausfahrenden
Auto sorgen oder Fahrzeuge selbstständig
in der Spur halten.
Auf Seite 2: Analysten außer Rand und Band
Analysten außer Rand und Band
Mobileye ist in erster Linie noch ein Forschungslabor.
Das Unternehmen besteht
zu 70 Prozent aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
Jüngstes Produkt ist
eine automatische Notbremse. Die Analysten
überschlagen sich dennoch mit optimistischen
Schätzungen: "Wegen seines
frühen Starts und seiner herausragenden
Technologien hat Mobileye einen Vorsprung
von fünf bis zehn Jahren gegenüber
Rivalen", schätzt Morgan-Stanley-Analyst
Ravi Shanker. Sein Kursziel: 100 Dollar.
2020 könnte Mobileye bereits einen Umsatz
von einer Milliarde Dollar erzielen -
vorausgesetzt, in die Hälfte aller Autos sind
Kamerasysteme eingebaut, und Mobileye
hat die Hälfte all dieser Systeme geliefert.
Heute rollen bereits 3,9 Millionen Autos
mit Mobileye-Technologie über die Straßen
- das Unternehmen arbeitet direkt mit
BMW, Audi, Honda und General Motors
zusammen,
verkauft seine Systeme aber
sonst auch über Automobilzulieferer wie
Magna International oder TRW Automotive,
die durch ZF Friedrichshafen übernommen
werden. 200 von 1100 Automodellen
fahren mit Mobileyes Assistenzsystemen
(Advanced Driver Assistance Systems,
ADAS). Noch schreibt die Firma verschwindend
geringe Gewinne. Doch die riesigen
Wachstumschancen preist der Kurs mit
einem KGV von 118 bereits ein.
Der Börsenprospekt verweist übrigens
im Kleingedruckten auf das Risiko, dass die
Kooperationspartner von Mobileye selbst
aktiver werden könnten. Die Technologien
dafür haben sie. Ihre Aktien weisen aber
längst keine ähnlich hohe Roboauto-Prämie
auf. Dabei kennen sich auch andere
Firmen mit Fahrerassistenzsystemen aus,
sie fristen an der Börse aber bislang eher
ein Mauerblümchendasein.
Der schwedisch-amerikanische Automobilzulieferer
Autoliv etwa arbeitete mit Mobileye
und BMW zusammen an Systemen
für die 1er-Serie der Münchner. Das klassische
Geschäft von Autoliv sind passive
Sicherheitssysteme
wie Sicherheitsgurte
und Airbags. Jedoch liefert die Firma auch
aktive Systeme wie Kollisionsvorhersage
und Technologien, die beim Überholen
den toten Winkel kontrollieren. Auf Basis
der geschätzten 2015er-Gewinne wird
Autoliv
mit einem KGV von 12,5 bewertet.
Um die Expertise bei aktiven Sicherheitssystemen
zu untermauern, ist geplant, die
Gewinne der Sparten "Aktiv" und "Passiv"
gesondert auszuweisen. Die Margen sind
wegen der erheblichen Investitionen in aktive
Sicherheitstechnologien unter Druck -
Zukunftsinvestitionen also. Zudem verlagert
Autoliv seine Produktion von West- ins
billigere Osteuropa. Das kann sich in Zukunft
auszahlen. Auch der US-Konzern
Gentex ist mit automatisierten Systemen
aktiv und Marktführer für selbstdimmende
Rückspiegel, die das Fahren bei
Nacht sicherer machen. Als neues Produkt
werden auch Kollisionswarnsysteme angeboten.
Das KGV liegt bei moderaten 13,4.
Wabco bietet solche Systeme für Lkw
und Busse an - Brems-, Stabilisierungsund
Schaltsysteme sind die Kernkompetenz
der Amerikaner. Ihre Kollisionswarnsysteme
bremsen automatisch, wenn Fahrer
in einer gefährlichen Situation nicht
reagieren.
Analysten sehen ein schnelles
Gewinnwachstum voraus - die Aktien sind
mit einem KGV unter 14 noch günstig.
Sogar die Deutsche Telekom will bei dem
Milliardengeschäft mit vernetzten Autos
dabei sein. Mit China Mobile gründete sie
ein Joint Venture, das Technologien für
vernetzte Fahrzeuge entwickeln soll.
Der deutsche Automobilzulieferer Continental
ist da schon längst weiter: Für die
selbstfahrende S-Klasse von Mercedes hat
der DAX-Konzern Komponenten geliefert
und arbeitet mit IBM daran, Autos mobil zu
vernetzen. Zudem gilt Google als potenzieller
Partner der Hannoveraner. Rasantes
Wachstum sieht Continental-Chef Elmar
Degenhart bei Technologien, die für Roboautos
zentral sind: Die Bestellungen für
Sensoren verdoppelten sich binnen zwei
Jahren auf zehn Millionen für 2015. In
naher Zukunft erwartet Continental einen
Umsatz mit selbstfahrenden Systemen von
einer Milliarde Euro.
Angesichts eines Umsatzes von 33 Milliarden
Euro ist Conti aber keine reine Wette
auf den Selbstfahrtrend. Die Aktie wurde
im Zuge der jüngsten Marktturbulenzen
ausgestoppt und wird daher von uns vorerst
auf "Beobachten" herabgestuft. Wer
auf den Trend zu Roboterautos setzen will
und ein hohes Chance-Risiko-Verhältnis
liebt, ist mit Mobileye bestens bedient. Für
konservativere Anleger eignen sich Autoliv
und Wabco.
Auf Seite 3: Roboterauto-Aktien unter der Lupe