Nachhaltige Investments erfreuen sich auch bei deutschen Anlegern einer wachsenden Beliebtheit. Traditionell besonders von Interesse sind auf Ebene der Einzelaktien für deutsche Investoren zudem Vertreter aus dem DAX. Daher macht es Sinn, sich gezielt unter ESG-Aspekten (Umwelt, Soziales, Governance)) Mitglieder aus dem deutschen Leitindex näher anzusehen.
Mit Linde (ISIN: IE00BZ12WP82) ist dabei dieses Mal die Wahl auf einen Titel gefallen, der regelmäßig in der Liste der meistgesuchten Aktien bei BÖRSE ONLINE auftaucht. Hinter dem Namen steckt ein amerikanisch-deutsches, in Irland ansässiges multinationales Chemieunternehmen. Gemessen am Marktanteil und Umsatz handelt es sich um das größte Industriegase-Unternehmen weltweit. Linde beliefert unter anderem Kunden in den Bereichen Gesundheitswesen, Erdölraffination, Lebensmittel, Stahlerzeugung, Luft- und Raumfahrt, Chemie, Elektronik und Wasseraufbereitung. Ein wachsendes Segment ist der Wasserstoffbereich.
Wasserstoff-Aktivitäten sorgen für Phantasie
Der letztgenannte Aktivitätsbereich trägt mit entscheidend zum relativ regen Anlegerinteresse an dem Wert bei. Denn Wasserstoff gilt als Megatrend, der auf Sicht ansehnliches Wachstum und somit für beteiligte Gesellschaften gute Gewinne verspricht. Erst jüngst wartete Linde hierzu mit der Meldung auf, den Chiphersteller Infineon am Standort im österreichischen Villach langfristig mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Linde soll dazu bis 2022 eine Zwei-Megawatt-Elektrolyseur-Anlage vor Ort bauen und den darin erzeugten grünen Wasserstoff anschließend so aufbereiten, dass er den Anforderungen des Infineon-Produktionsprozesses entspricht.
Beim Industriegas Wasserstoff deckt Linde die gesamte Wertschöpfungskette ab, das heißt, der Konzern ist in Produktion, Speicherung und Distribution tätig. Das Unternehmen betreibt bereits zahlreiche Wasserstofftankstellen in Europa. Dieses Segment sollte laut den Analysten bei der Erste Bank in den nächsten Jahren stärker wachsen.
Beim hauseigenen ESG-Scoring-Modell des österreichischen Kreditinstituts, das den Kategorie-Score eines Unternehmens zum globalen Sektor-Durchschnitt in Relation setzt, schneidet Linde allerdings nicht absolut top ab. Wie die zugehörige Grafik zeigt, ist man in den Bereichen Umwelt und Soziales nur Sektor-Durchschnitt, wobei es aber immerhin bei der Unternehmensführung zu einem überdurchschnittlichen Ergebnis im Branchenvergleich reicht.
Sustainalytics hält die ESG-Risiken für vernachlässigbar
Sehr viel besser fällt das Resultat beim ESG-Risk-Rating von Sustainalytics aus. Hier belegt Linde den zweiten Platz unter 443 Chemieunternehmen. Damit liegt man vor den Konkurrenten Air Products & Chemicals und Air Liquide, die auf den Plätzen drei und vier folgen. Zum Verständnis: Dieses Rating bietet Einblicke in das ESG-Risiko auf Unternehmensebene, indem es das Ausmaß des nicht gemanagten ESG-Risikos einer Organisation misst.
MSCI verleiht Linde beim hauseigenen ESG Rating die Note A. Dazu muss man wissen, dass die MSCI ESG-Ratings von führend (AAA, AA) über durchschnittlich (A, BBB, BB) bis hin zu rückständig (B, CCC) reichen. Das heißt, Linde ist hier guter Durchschnitt. Ein MSCI ESG-Rating soll die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gegenüber langfristigen, branchenrelevanten Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken messen.
Sehr gut wiederum fällt das Abschneiden beim CSRHUB / ESG Ranking aus. Denn bei diesem Bewertungsansatz kommt man auf 95 von maximal 100 möglichen Punkten. Der ESG-Daten-Spezialist CSRHub aggregiert und harmonisiert dabei Daten aus 771 Quellen und erstellt ESG-Bewertungen für 22.318 öffentliche, private und gemeinnützige Unternehmen aus 134 Branchen und 148 Ländern. Für jedes bewertete Unternehmen bietet CSRHub zwölf Teilbewertungen zu Themen wie Klimawandel, Führungsethik, Menschenrechte und Lieferkette sowie Mitarbeitervielfalt. Die CSR-Bewertungen geben die wahrgenommene Leistung auf einer absoluten Skala von 0 bis 100 an.
Der Finanzdienstleister Refinitiv gibt den für Linde ermittelten ESG-Score mit 86 von maximal möglichen 100 Punkten an, was Platz 3 unter 291 verfolgten Chemiefirmen bedeutet. Dieser ESG-Score ist so konzipiert, dass er die relative ESG-Leistung, das Engagement und die Effektivität eines Unternehmens bei zehn Hauptthemen (Emissionen, ökologische Produktinnovationen, Menschenrechte, Aktionäre usw.) auf der Grundlage öffentlich gemeldeter Daten misst.
Linde-Aktien sind auch bei Fondsmanagern beliebt
Das Unternehmen selbst nimmt für sich in Sachen Nachhaltigkeit für sich in Anspruch, die Kunden weltweit dabei zu unterstützen, ihre Umweltleistung zu verbessern und ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Gleichzeitig sei man bestrebt, auch den eigenen Verbrauch an Umweltressourcen, einschließlich Energie, Wasser und Abfall, zu minimieren. Der Vorstand steuert die Leistung dabei durch ein Managementsystem für nachhaltige Entwicklung mit Kennzahlen und Zielvorgaben, die für die verfolgten globalen Aktivitäten sowie für die Wertschöpfungskette gelten.
Die Resultate im ESG-Bereich in Verbund mit der geschäftlichen Aufstellung von Linde sind aus der Sicht von Fondsmanagern offenbar gut genug, um auch bei professionellen Investoren ein gesteigertes Interesse an den Aktien des Unternehmens zu wecken. Unter den bei ESG-Fonds beliebtesten Aktien aus dem STOXX 600 Index kommt der Wert nach Angaben der Bank of America derzeit jedenfalls immerhin auf Platz 27 inne.
Ganz abgesehen davon ist es hinsichtlich der sonstigen Argumente, die für uns gegen die Anteilsscheine dieses DAX-Vertreters sprechen so, dass das hohe Anlegerinteresse zu einer anspruchsvollen Bewertung führt, Das zeigt sich etwa an einem geschätzten KGV von fast 31 auf Basis der für 2022 erwarteten Gewinne. Zu sehen ist das auch als ein Preis für ein defensives Ergebnisprofil sowie für ein sehr gut funktionierendes Geschäftsmodell. Wobei dieses auch davon profitiert, dass der Industriegase-Markt oligopolistisch strukturiert ist.
Wie gut es derzeit geschäftlich läuft, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass zuletzt acht Quartale in Folge gelungen ist, die operativen Marge zu verbessern, wobei Analysten hier noch immer Luft nach oben wittern. Die Berenberg Bank stuft Linde als das am besten geführte und sicherste Investment unter den drei großen Industriegase-Herstellern ein und das scheinen auch andere Marktteilnehmer so zu sehen, wie ein auf Rekordjagd befindlicher Aktienkurs nahelegt. Die BÖRSE ONLINE-Redaktion rät bei den Linde-Aktien übrigens mit einem Kursziel von 300,00 Euro zum Kauf.