Wer macht das Rennen? Der Markt für Elektroautos hat spürbar an Schwung verloren - zumindest in Europa und den USA. In China bleiben Stromer dagegen auf der Überholspur, aber die Hersteller sitzen im eigenen Land. Die Konsequenzen für Aktionäre. Von Walter Böhm
Noch bis vor Kurzem sah es nach einem globalen Siegeszug der Elektromobilität aus. Doch die Entwicklungen in den USA, Europa und China verlaufen mittlerweile höchst unterschiedlich. In den westlichen Märkten hat sich der Trend zur Elektrifizierung des Autoverkehrs spürbar abgebremst.
Mittlerweile verkommen die Stromer zu Ladenhütern. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: Die Preise für E-Autos sind nach wie vor zu hoch. Die Hersteller bieten vor allem im Premiumsegment E-Autos an, weil sie hier höhere Gewinnmargen erzielen. Erschwingliche Stromer für 30 000 Dollar oder weniger gibt es kaum. Tesla-Chef Elon Musk kündigt zwar immer wieder ein Einstiegsmodell für rund 25 000 Dollar an. Doch bislang hat der Ankündigungsweltmeister nicht geliefert. Bei preiswerten Stromern heißt es: Fehlanzeige. Zweitens gibt es einfach nicht genug Ladesäulen. Das ist in einem weiten Land wie den USA, wo Mobilität einen enorm hohen Stellenwert genießt, kaum förderlich. In manchen Gegenden beträgt der Abstand von Ladestation zu Ladestation bis zu 850 Meilen. Das schafft so gut wie kein Stromer - zumindest nicht ohne Abschleppdienst.
Teslas Wachstumsmotor stottert
Auch bei Tesla wachsen die Bäume längst nicht mehr in den Himmel. Der Hersteller ausschließlich elektrisch angetriebener Autos hat im vergangenen Jahr zwar die Auslieferungen weltweit von 1,4 auf 1,8 Millionen Fahrzeuge gesteigert, aber eigentlich wird Tesla nur noch die Modelle 3 und Y los -und das vor allem wegen der hohen Rabatte. Model S und Model X sind kaum mehr gefragt. Dennoch hält Branchenexperte Dudenhöffer die Konzentration auf wenige Modelle für richtig: "Durch den Aluminiumdruckguss kann Tesla große Teile der Karosserie in einem Stück fertigen. Da die dafür nötigen Maschinen riesig sind, lohnt sich das aber nur bei hohen Stückzahlen pro Modell. So sind jedoch die Kostenvorteile enorm. Das ist vergleichbar mit der Einführung des Fließbands durch Henry Ford."
Dennoch spiegelt sich das eingetrübte Umfeld auch bei Tesla in den jüngsten Ergebnissen wider. Der Umsatz stieg im vierten Quartal 2023 weltweit nur noch um drei Prozent auf 25,2 Milliarden Dollar. Das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen brach um mehr als ein Viertel auf knapp vier Milliarden Dollar ein.
Im neuen Jahr gab es weitere schlechte Nachrichten. Durch einen Anschlag auf die Stromversorgung des Werks in Grünheide bei Berlin entstand Tesla ein Schaden im dreistelligen Millionen-Euro- Bereich. Und Besserung ist kaum in Sicht. Tesla verliert zunehmend seine Alleinstellungsmerkmale als E-Auto-Pionier. Immer mehr herkömmliche Autobauer aus dem Westen und vergleichsweise junge Firmen aus China bauen mittlerweile auch wettbewerbsfähige E-Autos. Die großen Innovationen lassen bei Tesla auf sich warten.
Die Analysten von Wells Fargo stuften die Aktien des einstigen Börsenlieblings bereits auf "Untergewichten" herunter. BÖRSE ONLINE stuft Tesla als Beobachten ein und steckt das Kursziel bei 190 Euro.
Volkswagen – wie schlägt sich die Bundesrepublik?
Volkswagen etwa verkauft einen großen Teil seiner Pkw in der Volksrepublik und steht dort unter hohem Konkurrenzdruck von einheimischen Autobauern. Das gilt vor allem für Elektroautos, bei denen die Chinesen mittlerweile als technologisch führend gelten. Und jetzt versuchen BYD und Co auch noch, in Europa Fuß zu fassen. Bislang verkaufte kein europäischer Hersteller mehr Autos in China als die Wolfsburger, die in der Volksrepublik jahrzehntelang Marktführer waren. Damit ist es vorbei -wahrscheinlich für immer. Im ersten Quartal 2023 verkaufte BYD erstmals in China mehr Autos als VW. Während die Chinesen ihre Absatzzahlen dramatisch steigerten, gingen sie bei den Deutschen zurück. Ob der Rückstand durch Kooperationen mit chinesischen Herstellern wieder aufzuholen ist, muss sich erst noch zeigen.
Beim nach Toyota zweitgrößten Autohersteller der Welt gibt es allerdings auch Lichtblicke. Vor allem nach einem guten vierten Quartal erhöhte sich 2023 der Umsatz im VW-Konzern um 15 Prozent auf 322,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn vor Sondereinflüssen trat allerdings mit 22,5 Milliarden Euro auf der Stelle. Trotz aller Schwierigkeiten stieg der Anteil batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge an den gesamten Auslieferungen von 6,9 auf 8,3 Prozent und soll weiter zulegen. Insgesamt ist fürs laufende Jahr der Start von rund 30 neuen Modellen geplant, unter anderem der ID.7 Tourer und der Audi Q6 e-tron. VW muss den CO2-Flottenausstoß senken, sonst drohen in der EU Strafzahlungen. Ohne mehr Elektroautos wird das nicht funktionieren.
Ein Problem bleibt jedoch: Der Konzern arbeitet wenig profitabel. Die operative Marge ging zuletzt von 8,1 auf sieben Prozent zurück und soll im laufenden Jahr nur geringfügig steigen -wenn überhaupt. Dennoch meinte VW-Chef Oliver Blume bei der Vorlage der Ergebnisse: "Die Aufräumarbeiten sind abgeschlossen." Ob er recht behält, bleibt abzuwarten. Kursziel: 155 Euro.
Mercedes kassiert die Ziele ein
Vor nicht allzu langer Zeit hat Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius die Parole "Electric only" ausgegeben. Allerdings schränkte er schon damals ein, das gelte nur, "wo immer es die Marktkonditionen zulassen". Und das scheint immer weniger der Fall zu sein. Jetzt rechnet der Konzern nur noch damit, ab 2030 jedes zweite Auto mit Hybrid-oder reinem Elektroantrieb auszuliefern. Doch selbst dieses Ziel erscheint nur schwer erreichbar. Der Anteil von E-Autos und Plug-in-Hybriden an den insgesamt verkauften Fahrzeugen stieg im vierten Quartal 2024 im Jahresvergleich gerade einmal von 20,7 auf 21,8 Prozent. Bei diesen Zahlen ist der mittlerweile rein elektrische Smart mit eingerechnet. Obwohl im abgelaufenen Geschäftsjahr der Umsatz leicht um 2,1 Prozent auf 153,2 Milliarden Euro zugelegt hat, blieb weniger in der Kasse hängen. Der Nettogewinn gab um 1,9 Prozent auf 14,8 Milliarden Euro nach. Im laufenden Jahr rechnet Källenius mit einem weiteren Gewinnrückgang. Zumindest soll die Dividende von 5,20 auf 5,30 Euro steigen. Außerdem will der Konzern für drei Milliarden Euro eigene Aktien zurückkaufen, knapp vier Prozent der umlaufenden Papiere. Kursziel: 90 Euro.
BMW – wie steht es mit den E-Autos?
BMW-Chef Oliver Zipse hat in der Vergangenheit deutlich weniger als die Vorstandskollegen von der Konkurrenz für Elektroautos getrommelt und sich immer technologieoffen gezeigt. Dennoch belief sich der Anteil von Fahrzeugen mit Elektromotor an allen verkauften Pkw 2023 auf insgesamt 22 Prozent. Davon entfielen allerdings 55 Prozent auf Plug-in-Hybride, die Elektro-und Verbrennermotoren miteinander kombinieren. Immerhin stieg der Absatz vollelektrischer Autos um 74 Prozent auf 375 000 Einheiten. Laut Dudenhöffer ist das maßgeblich dem elektrischen Mini und den Mittelklasse-Fahrzeugen zu verdanken. Im oberen Segment, etwa beim 7er, sieht das auch bei BMW schon ganz anders aus.
Insgesamt lieferten die Münchner im vergangenen Jahr weltweit knapp 2,6 Millionen Autos aus, ein Plus von gut sechs Prozent. Der Gewinn je Aktie ging jedoch von 27,31 auf nur noch 17,67 Euro zurück. Allerdings hatte 2022 die Neubewertung der mittlerweile 100-prozentigen China- Tochter BMW Brilliance für einen positiven Sondereffekt beim Finanzergebnis von 7,7 Milliarden gesorgt. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg um 32 Prozent. Zumindest bei BMW scheint der stark steigende Anteil von Elektroautos nicht zulasten der Profitabilität zu gehen. Kursziel: 130 Euro.
BYD mit großen Ambitionen
Im Gegensatz zu den USA und Europa legen in China die Absätze von E-Autos weiter zu. Im vergangenen Jahr stieg ihr Absatz um gut 21 Prozent auf 5,1 Millionen Fahrzeuge. Fast jeder vierte neu zugelassene Pkw fährt in China elektrisch. Damit ist die Volksrepublik nicht nur der weltweit größte Absatzmarkt für Autos, sondern auch für Stromer. BYD hat Volkswagen in China bereits die Marktführerschaft abgenommen. Doch das reicht den Chinesen nicht. Jetzt wollen sie ins Ausland expandieren. Wie stark BYD und Co nach Europa drängen, ließ sich bereits 2023 auf der IAA in München beobachten, wo die Unternehmen aus Fernost ausgesprochen präsent waren.
Perspektivisch will BYD nicht nur Autos nach Europa und Amerika exportieren, sondern auch vor Ort bauen. Werke in Ungarn und in Mexiko befinden sich bereits in Planung. Damit ließen sich auch drohende Strafzölle umgehen. Während die westlichen Autobauer Batteriefabriken noch bauen oder gar erst planen, produziert BYD die benötigten Akkus seit geraumer Zeit selbst. Dennoch sieht Dudenhöffer die Expansion nach Europa skeptisch. "Das wird schwierig, weil es sich bei E-Autos in Europa mittlerweile um ein schrumpfendes Segment handelt. Und bei Verbrennern fehlen den Chinesen die Alleinstellungsmerkmale", so der Experte.
Ein weiteres Problem, mit dem der Konzern zu kämpfen hat, ist seine Herkunft. Westliche Investoren machen derzeit einen Bogen um China. Die politischen Eingriffe und Unsicherheiten sind einfach zu groß. Die Aktie von BYD ist daher primär für Anleger mit viel Mut zum Risiko geeignet. Auf dem Heimatmarkt machen BYD die hohen Rabatte zu schaffen, die vor allem Tesla ins Rollen gebracht hat. Das Gewinnwachstum flachte im vierten Quartal 2023 spürbar ab. Kursziel: 35,50 Euro – rund 50 Prozent Kurschance.
Diese Geschichte erschien zu erst in der neuen Ausgabe von BÖRSE ONLINE, sie wurde online verkürzt dargestellt. Die ganze Geschichte lesen Sie hier
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen Vz., Mercedes-Benz.
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