In den kommenden Monaten rechnet Merck mit stärkeren Effekten durch die "inzwischen zur Pandemie ausgeweitete Covid-19-Krise". Anfang März, als Merck-Chef Stefan Oschmann erstmals seine Ambitionen für das Jahr formulierte, war Corona noch eher ein regionales Problem in China und Asien gewesen.
Für 2020 peilt Merck nun für den Umsatz einen "leichten bis moderaten" Anstieg aus eigener Kraft an, dabei sind also Zu- und Verkäufe sowie Wechselkurseffekte ausgeklammert. Die Erlöse sollen so zwischen 16,8 bis 17,8 Milliarden Euro herauskommen, ein Plus von maximal rund zehn Prozent nach 16,15 Milliarden Euro vor einem Jahr. Anstatt des zuvor angepeilten "starken" organischen Wachstums wird für das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) nun lediglich eine stabile Entwicklung erwartet. Als Zielkorridor nennt Merck 4,35 und 4,85 Milliarden Euro, nach rund 4,4 Milliarden Euro vor einem Jahr - ein Rückgang wäre also nicht ausgeschlossen.
Die Prognose steht unter der Annahme, dass in Europa und den USA das zweite Quartal den Höhepunkt der Pandemie darstellt. Bis zum Ende des dritten Quartals dürfte sich das Ausbruchsgeschehen dann in diesen Märkten wieder normalisieren, die bei Merck für mehr als die Hälfte der Erlöse stehen.
Im ersten Quartal konnten die Südhessen ihren Umsatz und das Ergebnis kräftig steigern, auch dank der 2019 getätigten Zukäufe des Halbleiterzulieferers Versum Materials und des kalifornischen Materialspezialisten Intermolecular. Die Erlöse kletterten im Vergleich zum Vorjahr um knapp 17 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro, das war mehr als von Analysten erwartet. Das organische Wachstum von rund 8 Prozent wurde vom Pharma- und Laborgeschäft getragen.
Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zog ebenfalls überraschend stark um 27 Prozent auf knapp 1,2 Milliarden Euro an. Nach Steuern blieb ein Gewinn von 458 Millionen Euro, vor einem Jahr waren es lediglich 190 Millionen Euro gewesen.
Der breit aufgestellte Merck-Konzern wurde dabei im ersten Quartal durch Pandemie höchst unterschiedlich getroffen. So stand Rückgängen etwa im Geschäft mit Medikamenten zur Fruchtbarkeitsbehandlung ein Corona-bedingt erhöhter Absatz im Geschäft mit endokrinologischen und allgemeinmedizischen Produkten gegenüber. Das Pharmageschäft wurde zudem durch die weiterhin steigende Nachfrage nach der MS-Tablette Mavenclad angetrieben.
In der Sparte für Spezialmaterialien litt Merck unter der sinkenden Nachfrage aus der Autoindustrie, die der Konzern mit Pigmenten für Lacke beliefert. Im Geschäft mit Materialien für Displays, in dem Merck sein ohnehin seit geraumer Zeit durch Konkurrenz bedrohtes Flüssigkristallgeschäft bündelt, musste der Konzern zudem prozentual zweistellige Umsatzeinbußen hinnehmen. Starkes Wachstum verzeichneten dagegen die Halbleitermaterialien, auf die Merck die Sparte zunehmend ausrichten will.
Das Laborgeschäft konnte der Konzern seinen Umsatz zwar um knapp sieben Prozent steigern, aber auch hier bekam Merck erste Auswirkungen der Pandemie zu spüren - insbesondere durch die Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens in Asien und da Kunden wie etwa akademische Forschungseinrichtungen geschlossen wurden./tav/kro/stk