Schwerer Rückschlag für Merck: Ein neues Krebsmedikament des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns wirkt nicht wie erhofft. Das Mittel Evofosfamide erreichte in zwei Phase-III-Studien nicht das Studienziel. "Wir haben heute entschieden, Evofosfamide in den Indikationen Bauchspeicheldrüsen- und Weichteilkrebs nicht weiterzuverfolgen", sagte der Leiter der weltweiten Forschung und Entwicklung des Biopharmageschäfts von Merck, Luciano Rossetti, am Montag. "Zudem werden wir eine schnelle Entscheidung über die Zukunft des weiteren Entwicklungsprogramms von Evofosfamide fällen." Das Mittel war das am weitesten entwickelte Medikament in der Pharmapipeline von Merck.
Die Analysten der Schweizer Bank UBS hatten Evofosfamide einen Spitzenumsatz von 400 Millionen Euro für Weichteilekrebs und 800 Millionen Euro für Bauchspeicheldrüsenkrebs zugetraut. Allerdings hatten sie auch die Möglichkeit eines Erfolgs der Studien nur mit 50 Prozent eingeschätzt, da die Entwicklung von Medikamenten bei diesen Krebsarten, vor allem bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, mit sehr hohem Risiko behaftet ist.
Für den designierten Merck-Chef, Stefan Oschmann, der den bisherigen Vorstandschef Karl-Ludwig Kley im April 2016 ablöst, steigt nun der Druck, im Pharmageschäft Erfolge vorzuweisen. Oschman ist derzeit stellvertretender Vorstandschef und leitete zuvor seit seinem Amtsantritt 2011 bei Merck das Pharmageschäft. Lange konnte Merck in diesem Bereich nicht mehr glänzen. Der letzte Blockbuster der Darmstädter wurde 2003 mit dem Krebsmedikament Erbitux zugelassen. Seitdem wurden nur zwei Medikamente auf den Markt gebracht, die weniger als 100 Millionen Euro im Jahr umsetzen.
Dagegen gab es eine Serie von Rückschlägen, wie etwa das Krebsmittel Stimuvax und die Multiple-Sklerose-Tablette Cladribin. Mit einem Umbau sollte die Schlagkraft des Pharmageschäfts gestärkt werden. Größter Hoffnungsträger ist nun noch die Krebsimmuntherapie Avelumab, für die Merck 2014 eine Allianz mit dem US-Pharmakonzern Pfizer vereinbart hatte. Die Erwartungen daran sind hoch: Eine erste Markteinführung von Avelumab erwarte Merck 2017, danach soll mindestens eine weitere Marktzulassung pro Jahr bis 2022 erreicht werden.
Evofosfamide wurde von der US-Pharmafirma Threshold Pharmaceuticals entdeckt, mit der Merck 2012 eine Vereinbarung zur weltweiten Entwicklung und Vermarktung des Mittels getroffen hatte. Die für das Mittel einkalkulierten Gelder wollen die Darmstädter nun in andere Entwicklungsprogramme investieren.
Die Aktien des Pharma- und Chemiekonzerns fielen in der Spitze um 2,5 Prozent auf ein Drei-Wochen-Tief von 90,22 Euro und bildeten damit das Schlusslicht im Dax.
Reuters