"Ich weiß, dass dieser gesamte Vorgang zusätzliche Verunsicherung auslöste. Das bedauere ich zutiefst. Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung." Wirtschaftsvertreter äußerten sich erleichtert über den Verzicht auf einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag am Gründonnerstag. Merkel erteilte zudem in der Schalte mit den Länderchefs den Prüfauftrag, ob die Flüge nach Mallorca nicht doch untersagt werden können.
Bund und Länder hatten die Corona-Beschlüsse am Montag in einer stundenlangen Sitzung beschlossen. Der plötzlichen Kehrtwende war heftige Kritik an den Entscheidungen vorausgegangen. Während die Wirtschaft etwa über mangelnde Rechtssicherheit für Betriebe und Läden klagte, kritisierte Innenminister Horst Seehofer (CSU) den erbetenen Verzicht auf physische Oster-Gottesdienste.
Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Armin Laschet (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne), wiederum hatten kritisiert, dass die Mallorca-Flüge für Urlauber nicht gestrichen werden, aber Urlaub im eigenen Land nicht möglich sein soll. Auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) kritisierte die Regeln. Merkel soll in der Schalte nach Teilnehmerangaben Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) direkt kritisiert haben, die am Montag noch argumentiert hatte, dass ein Verbot der Urlaubsflüge unmöglich sei. Nun soll dies vom Innen- und Justizministerium erneut geprüft werden.
Mehrere Ministerpräsidenten wie Laschet oder der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer betonten, dass die 16 Länderchefs ebenfalls Verantwortung für die Oster-Entscheidung trügen. CDU-Chef Laschet hatte Dienstagabend darauf verwiesen, dass Ministerpräsidenten von CDU, CSU, SPD, Grünen und Linken beteiligt gewesen seien. "Es war unser aller Fehler, dass wir in der Nacht der MPK-Entscheidung nicht noch stärker die Konsequenzen hinterfragt haben. Jetzt geht es darum, weitere Wege aufzuzeigen, die Pandemie zu bändigen", teilte auch der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit.
ANDERE BESCHLÜSSE BLEIBEN - WIRTSCHAFT ERLEICHTERT
Die Wirtschaft reagiert erleichtert auf die Absage der ursprünglich geplanten Osterruhe. "Es ist die richtige Entscheidung, die Osterruhe zurückzunehmen und dem Lebensmittelhandel so auch am Gründonnerstag die Öffnung zu ermöglichen", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Ähnlich äußerte sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Er habe Respekt dafür, dass die Kanzlerin den Beschluss zurückgenommen habe. "Die mutige Entscheidung der Bundeskanzlerin beweist Führungsstärke", sagte er.
Die Kanzlerin sagte, die Beschlüsse von Montag böten auch ohne die Ruhetagsregel einen guten Rahmen für die Bekämpfung der Pandemie. Elemente wie die "Notbremse" und mögliche Ausgangsbeschränkungen in Regionen mit sehr hohen Inzidenz-Zahlen seien weiter möglich. Sie verwies darauf, dass auch andere EU-Länder solche Ausgangsbeschränkungen eingeführt hätten, die sie aber nicht bundesweit wolle. Auch in Baden-Württemberg und Thüringen gab es sie bereits. Merkel kündigte im Bundestag an, dass der Bund auch zu "regulatorischen Maßnahmen" bereit sei, wenn die Wirtschaft ihre Selbstverpflichtung zum Testen ihrer Mitarbeiter in den Betrieben nicht umsetze.
RKI MELDET STEIGENDE ZAHLEN
Die Debatte ist bestimmt von steigenden Zahlen an Neuinfektionen und der Warnung etwa des Robert-Koch-Instituts, dass die Zahlen auch wegen der Ausbreitung ansteckenderer Virus-Varianten bis Ostern sehr stark steigen könnten. Das RKI meldete erneut höhere Zahlen an Corona-Neuinfektionen. Am Mittwoch lagen sie mit 15.813 um 2378 Fälle über dem Wert der Vorwoche. Die Sieben-Tage-Inzidenz verharrte bei 108,1 im Vergleich zum Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. "Die Lage ist immer noch dramatisch und wir müssen den Lockdown verlängern", warnte Laschet im nordrhein-westfälischen Landtag. "Wenn das weiter so anhält wie im Moment, werden wir nach Ostern weit über 200er Inzidenz sein und wir werden dann wieder an die Grenze der Belastbarkeit des Gesundheitswesens kommen." Nach RKI-Angaben sind 248 weitere Menschen binnen 24 Stunden in Verbindung mit Covid-19 gestorben. Die Zahl der in Krankenhäusern registrierten Corona-Intensivpatienten stieg laut Divi Register auf 3198.
Die Lage ist regional sehr unterschiedlich - was auch die schwierige Diskussionslage unter den 16 Länderchefinnen und -Chefs erklärt. Neun Länder haben laut RKI eine Inzidenz von über 100, Thüringen von 210. In Sachsen an der tschechischen Grenze ist die Zahl der Neuinfektionen binnen einer Woche auf mehr als 150 geklettert. Dagegen meldete das Saarland eine Inzidenz von 55,5 und Schleswig-Holstein von 58,4.
rtr