Michael Stich, einst einer der besten Tennisspieler weltweit, kann mit einem wei­teren, eher unbekannten Rekord aufwarten: Er war der jüngste deutsche Stiftungsgründer, als er mit 25 Jahren die Michael Stich Stiftung ins Leben rief (sie kümmert sich um Kinder, die HIV-infiziert oder aidskrank sind). Der 50-Jährige empfängt im Hamburger Büro der Stiftung. Der Raum ist gefüllt mit Skulpturen und Bildern - manches hat Stich sogar selbst gemalt, denn Kunst ist sein liebstes Hobby - und Teil seiner Investments. Gesprächsthemen gibt es also genug.

€uro am Sonntag: Herr Stich, kennen Sie die TV-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"?
Michael Stich: Ja. Warum fragen Sie?

Die Teilnehmer müssen dort in einem Dschungelcamp unangenehme Prüfungen ablegen, um ein Antrittsgeld und eventuell die Siegprämie zu erhalten. Immer wieder treten ehemalige Spitzensportler auf, die das Geld offensichtlich brauchen. Warum können so viele nicht mit Geld umgehen?
Viele denken einfach nicht daran, dass sie mit 20 Jahren viel verdienen und mit 30 vielleicht nichts mehr. Sie geben ihr Geld mit vollen Händen aus und sind mit der Aufgabe überfordert, fürs echte Leben vorauszuplanen. Und sie bekommen auch keine seriöse Hilfestellung.

Gehört Boris Becker, der zeitgleich mit Ihnen an der Tennis-Weltspitze war, zu dieser Kategorie? Man liest immer wieder, dass er erhebliche finanzielle Probleme hat.
Ich äußere mich nicht über Dritte, wenn ich den genauen Sachverhalt nicht kenne. Das ist auch hier der Fall.

Werden wir Sie bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" im Dschungel ­erleben?
Sicherlich nicht. Ich glaube, ich kann mit Geld ein bisschen umgehen - auch wenn ich es leider nicht so gut kann wie Tennisspielen. Mein Credo ist: Was ich im Jahr ausgebe, will ich auch verdienen. Da zehre ich vor allem vom Kapitalstock, den ich vor Jahrzehnten angelegt habe. Anfangs hat sich mein Vater um meine Finanzen gekümmert. Die Millionensummen an Preisgeldern, die ich damals bekommen habe, waren für mich erst einmal nur abstrakte Größen ohne realen Bezug. Und mein Vater hat das Geld vernünftig investiert.

Wie?
Beispielsweise in eine Schiffsbeteiligung, einen Geschlossenen Fonds. Der war auf lange Sicht gesehen eine meiner besten Geldanlagen. Da gab es schon mal 30 Prozent in einem einzigen Jahr. Insgesamt ist sicherlich ein Mehrfaches der einbezahlten Summe an Ausschüttungen herausgekommen. Und weil der Fonds damals extrem steuerbegünstigt war, kam noch eine schöne Steuer­ersparnis obendrauf.

Seit wann kümmern Sie sich selbst um Ihre Finanzen?
Seitdem ich 25 bin und das erste Mal geheiratet habe. Mir war damals klar: Wenn ich die Verantwortung für eine Ehe übernehme, muss ich auch für den Rest meines Lebens Verantwortung ­tragen. Und irgendwann will man auch nicht mehr, dass ein anderer die eigenen Kontoauszüge kontrolliert.

Was haben Sie dann mit Ihrem Geld ­gemacht?
Ich habe damals in Salzburg gelebt und mit einer dortigen Privatbank zusammengearbeitet. Ich war schon immer pro Aktien eingestellt. So haben mir meine Berater einen eigenen Aktienfonds aufgebaut aus Gründen der Invest­mentstrategie und der Steueroptimierung. Man konnte innerhalb des Fonds Aktien kaufen und verkaufen, ohne dass Steuern fällig wurden - ganz wie bei ­institutionellen Investoren.

Wie hieß der Fonds?
Das darf ich gar nicht sagen, der Name war so abwegig. Jetzt sind wir aber gespannt. Er hieß GMDG USA. Das war die Abkürzung für: Gib mir dein Geld und schreib’s ab. Das hatte ich mal in einem Holly­wood-Film gehört und fand es sehr passend. Weil man bei Aktien ja nie weiß, was letztlich herauskommt.

Und was ist bei Ihrem Fonds heraus­gekommen?
Leider nur, was ich eingezahlt hatte.

Wie haben Sie seitdem investiert?
Breit gestreut, weil Diversifikation für mich wichtig ist. In weitere Schiffsbeteiligungen, Einzelaktien, Zertifikate, verschiedenste Fonds, Immobilien. Nur Bundesanleihen waren nie dabei. Insgesamt ist vieles gut gelaufen, andererseits habe ich mich immer mal wieder vertan. Aber das gehört dazu. Wenn man Gewinne generieren will, muss man mal ein Risiko eingehen. Da ist Anlegen so ähnlich wie Tennisspielen.

Wie meinen Sie das?
Ich kann nicht immer nur auf der Grundlinie bleiben und sichere Bälle spielen. Ich muss auch mal versuchen, ein Ass zu schlagen oder einen Stopp zu machen. Hopp oder top - manchmal kommt bei mir dieses Zocker-Gen des Sportlers durch.

Was ist so richtig schiefgegangen?
Ich habe mal 250.000 D-Mark in eine Firma investiert, die Schiffswracks ­suchen und Schätze heben wollte. Es ­endete in einem Totalverlust.

Was waren gute Investments?
Als die VW-Aktie 2008 extrem stark gestiegen ist, habe ich zum Glück erst spät verkauft. Nicht beim Höchstkurs von 1000 Euro, aber weit über meinem Einstandspreis. Generell bin ich kein kurzfristiger Trader, das ist mir zu anstrengend. Ich versuche, mich auch hier breit aufzustellen und an einigen Trends zu verdienen, die die Gesellschaft als Ganzes beschäftigen, beispielsweise ­erneuerbare Energien.

Was meiden Sie?
Etwa Werte aus der Sportbranche, auch wenn ich im Lauf meines Lebens damit viel zu tun hatte. Adidas, Puma oder Nike sind hervorragende Unternehmen. Aber ich weiß, wie volatil der Markt ist. Eine gute oder eine schlechte Kollektion kann alles durcheinanderwirbeln. Bei Internetwerten bin ich ebenfalls zurückhaltend, weil ich privat wenig im ­Internet unterwegs bin und damit in­stinktiv nicht viel anfangen kann. Generell treffe ich viele Entscheidungen rund ums Geld aus dem Bauch heraus und bin damit oft gut gefahren.

Da hätten wir gern ein Beispiel.
Da gibt es viele. Eine Uhr der Manufaktur Lange & Söhne, die mir vor 20 Jahren ins Auge gefallen war. Die ist heute viel mehr wert als die 75.000 Euro von damals. Mein Haus auf Sylt, das ich vor 15 Jahren gekauft habe, weil ich es dort sehr schön finde. Wenn ich mir die Preisentwicklung ansehe, hätte ich gleich noch eins kaufen sollen. Besonders viele emotionale Entscheidungen treffe ich als leidenschaftlicher Kunstsammler. Ich habe noch nie ein Werk erworben, das mir nicht gefallen hat - selbst wenn die Chancen auf Wertsteigerungen groß waren.

Wie viel Geld geben Sie jedes Jahr für Kunst aus?
Es gibt kein festes Budget. Es kann sein, dass ich zwei Jahre lang nichts kaufe, weil mir nichts so richtig gefällt. Und dann gebe ich auch mal 100.000 Euro aus. Zugegebenermaßen fällt es mir schwer, auch mal ­etwas zu verkaufen. Da muss dann schon einiges an Gewinn drin sein.

Zurück zu Ihren Einnahmen als Spieler: Einen Teil davon haben Sie als 25-Jähriger in eine gemeinnützige Stiftung gesteckt und waren damit der jüngste Stiftungsgründer Deutschlands. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Auf die Gefahr hin, dass es anmaßend klingt: Ich habe mich schon in der Schule für die eingesetzt, die es schwerer hatten, war Klassensprecher. Später hatte ich immer wieder das Gefühl, ich müsste etwas von dem vielen Geld abgeben - an Menschen, die nicht so viel Glück haben. Dann hatte ich das damals höchstbezahlte Turnier der Welt gewonnen, den Compaq Grand Slam Cup. Eigentlich wollte ich das Preisgeld von zwei Millionen Dollar behalten.

Warum haben Sie es nicht getan?
Ein Journalist fragte mich, ob ich ­damit etwas Gemeinnütziges anfangen werde. Das brachte mich wochenlang zum Nachdenken. Ergebnis: Ich wollte etwas tun - aber nicht einfach spenden, sondern die Kon­trolle behalten, wohin das Geld fließt. So habe ich mit einer halben Million Dollar die Michael Stich Stiftung gegründet.

Sie widmet sich Kindern, die aidskrank oder HIV-infiziert sind. Weshalb gerade diese Ausrichtung?
Ganz einfach: Speziell für diesen Zweck gab es damals noch nichts. Wir arbeiten mit Krankenhäusern und Initiativen zusammen, leisten beispielsweise monetäre Hilfe für den Alltag. Ein neues Bett, Zuschüsse zur Miete. Die Betroffenen leben oft in prekären finanziellen Verhältnissen. Für die Berliner Charité finanzieren wir seit Langem Babymilch, weil infizierte Mütter ihre Neugeborenen nicht stillen sollen.

Die Stiftung gibt es seit 25 Jahren. Was ist Ihr Resümee zu diesem ­Jubiläum?
Es war die Sache wert. Wir haben so viel zurückbekommen - Dankbarkeit, Offenheit, Vertrauen. Das sind Werte, die nicht unbedingt unsere heutige Zeit prägen, und deshalb schätze ich das besonders.

Sehen Sie Gutverdienende in der Pflicht, Ähnliches zu tun?
Überhaupt nicht. Nur weil jemand erfolgreich ist, muss er sich nicht zwangsläufig für die Gemeinschaft engagieren. Das sollte eine individuelle Entscheidung bleiben. Generell meine ich, dass jeder etwas für unsere Gesellschaft tun sollte - egal, wie viel er verdient. Und ich würde mir wünschen, dass über diese ­Ehrenamtlichen mehr gesprochen wird. Denn das wirkt motivierend auf andere.

Wie viel haben Sie im Lauf der Zeit selbst in die Stiftung eingezahlt?
Das könnte schon an die drei Millionen Euro heranreichen. Von der vielen Arbeit, die ich reingesteckt habe, gar nicht zu reden. Hinzu kommen derzeit pro Jahr etwa 500.000 bis 700.000 Euro an Spenden, die wir hauptsächlich durch Veranstaltungen generieren. Sie fließen beinahe zu 100 Prozent in unseren Stiftungszweck. Unser Ziel ist es, durch die ­Erträge unseres Kapitals die Fixkosten komplett zu decken.

Gelingt das?
In Zeiten der Niedrigzinsen ist es schwierig, weil wir ganz überwiegend in relativ sichere Anlagen gehen, etwa in einzelne Anleihen und Anleihefonds. Da wurden zuletzt ­einige Umschichtungen nötig.

Warum?
Stiftungen haben eigentlich den Vorteil, dass sie keine Kapitalertragsteuern und Einkommensteuern bezahlen. Seit Anfang 2019 werden aber bei allen handelsüblichen Fonds erstmals steuerliche Vorabpauschalen fällig. Deshalb haben wir einen Teil des Geldes in spezielle Stiftungsfonds übertragen, bei denen dieses Problem nicht besteht.

Sie sind auch als Unternehmer tätig. Auf was achten Sie, bevor Sie Geld in die Hand nehmen?
Sowohl das Thema als auch die ­verantwortlichen Personen müssen stimmen, denn ich investiere auch hier langfristig. So habe ich es bei meinem ältesten Engagement ge­halten, dem Rückenzentrum Am Michel, das ich vor knapp 20 Jahren mitgegründet habe, denn das Thema Gesundheit liegt mir als ehemaligem Sportler nahe. Um Medienangebote rund um Stiftungen geht es bei der Stiftungsführer GmbH, die ich zusammen mit dem Gründer Christoph Michel betreibe. Dann gibt es beispielsweise die Sport­agentur HSE, die mir gemeinsam mit zwei Partnern gehört.

Wird Tennis in Deutschland irgendwann wieder die frühere Bedeutung erlangen, als Sie, Boris Becker und Steffi Graf spielten?
Ich vermute, solch einen Hype konnte es nur einmal geben, der kommt nicht wieder. Allerdings gibt es bei der Jugend ein kleines Revival, die Mitgliederzahlen in diesem Segment steigen leicht. Und wir haben 2018 mit Alexander Zverev den Weltmeister und mit Angelique Kerber die Wimbledon-Siegerin gestellt. Das gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. Medial überstrahlt der Fußball natürlich alles.

Mögen Sie keinen Fußball?
Ich sehe mir gern Fußballspiele an. Aber wenn man sich an jedem Tag der Woche eines angucken kann, wird es irgendwann mal langweilig. Das könnte eine Chance für Tennis sein. Weltweit betrachtet ist Tennis sowieso eine wachsende Sportart.

Boris Becker hatte für den Internetdienst AOL sein Gesicht hingehalten, Steffi Graf für den Nudelhersteller Barilla. Für wen hätten Sie gern geworben?
Für Nutella und Coca-Cola. Das würde ich auch heute noch tun, weil ich beide Produkte gern konsumiere. Aber manche Wünsche gehen wohl nie in Erfüllung.

Vita

Großer Aufschlag
Michael Stich ist ­einer der erfolgreichsten deutschen Tennisspieler. Er gewann in Wimbledon sowohl im Einzel (1991) als auch im Doppel (1992), wurde Olympia­sieger im Doppel (1992), ATP-Weltmeister (1993) und holte im gleichen Jahr mit dem ­deutschen Team den Davis Cup. Stich beendete 1997 seine aktive Karriere. Im Jahr 2000 war er Mitgründer des Hanseatic ­Rückenzentrums Am Michel, von 2009 bis 2018 leitete er als Direktor das ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum.

Heute arbeitet der 50-Jährige als ­Unternehmer und Stifter und bekleidet diverse Ehrenämter. Stich zählt Kunstsammeln zu seinen wichtigsten Hobbys, hat einige Semester Kunstgeschichte studiert und malt selbst. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und lebt in Hamburg.