Für Technologie-Unternehmen zählen nur Innovation, nicht Tradition."
So viele Vorschusslorbeeren könnten einem schon mal Angst und Bange machen. Doch der aus dem indischen Hyderabad stammende Software-Ingenieur hat sich davon nicht beirren lassen - und die richtigen Schlüsse gezogen: "Für Technologie-Unternehmen", verkündete Nadella etwa am Dienstag Nachmittag vor rund 1800 Studenten der Technischen Universität (TU) Berlin, "zählen nur Innovation, keine Tradition". Wer langfristig am Markt erfolgreich sein wolle, brauche deshalb eine "Kultur des Wandels".
Das mit der Kultur des Wandels meint Nadella ernst. Wie ernst, machte der smarte Technologie-Experte bereits kurz nach seiner Beförderung deutlich. Gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Microsoft-Chef Ende März kündigte Nadella die Veröffentlichung von Apps für Apples lange verhasstes iPad an. Seither können auch Apple-Jünger Dateien aus Microsofts Bürosoftware Word, Excel und Powerpoint auf Apples Tablet-Ikone ansehen und inzwischen auch bearbeiten. Android-Geräte sind Anfang 2015 dran.
Noch unter Ballmers Regentschaft war an derlei Revolutionäres nicht zu denken. Zwar lagen die Office-Apps fürs iPad längst fix und fertig in der Schublade, doch der bullige Basketball-Fan stemmte sich beharrlich gegen eine Veröffentlichung. Office-Apps, beschied Ballmer die verdutzten Mitarbeiter, dürfe es nur für das eigene Betriebssystem Windows geben. Die Exklusivität sei eine zentrale Voraussetzung, um den Absatz des konzern-eigenen Tablets Surface anzukurbeln.
Ballmers Brachial-Strategie
Doch Ballmers Holzhammer-Methode erwies sich als Rohrkrepierer. Während die Verkäufe von iPad und Android-Tablets bei den Herstellern lange Zeit für Partystimmung sorgten, lag Microsofts Surface wie Blei in den Regalen. Am Ende mussten die selbstbewussten Amis auf ihre Rechenflundern eine Milliarde Dollar abschreiben. Das saß.
Auf Seite 2: Ein weiteres Ausrufezeichen
Ein weiteres Ausrufezeichen
Erst vor wenigen Tagen etwa setzte Nadella ein weiteres Ausrufezeichen Richtung Öffnung. Ab sofort können Nutzer auch direkt aus Microsoft-Apps auf den Cloudspeicher-Dienst Dropbox zugreifen. Damit macht der Konzern seinem eigenen Speicherdienst OneDrive Konkurrenz. Das galt in den vergangenen Jahren als absolutes Tabu. Statt Angebote der Wettbewerber zu nutzen, bauten die Amis jahrelang andere Lösungen lieber nach oder ignorierten die Angebote der Konkurrenz gleich ganz. Nun setzt Nadella lieber auf Umarmung. Doch angesichts der wachsenden Vernetzung weltweit bleibt ihm keine andere Wahl.
Daneben treibt er auch die technologische Neuausrichtung bei den zentralen Produkten des Konzerns voran. Beispiel Windows: Künftig wird es von Microsofts Betriebssystem nur noch eine technologisch einheitliche Version für PCs, Tablets oder Smartphones geben. Damit würde ein Mal geschriebenes Programm auf allen Plattformen laufen. Für Entwickler soll das ein lohnendes Geschäft werden. Microsoft habe über eine Milliarde Windows-Nutzer, sagte Nadella am Dienstag auf der haus-eigenen Entwicklerkonferenz in Berlin. "Wenn Sie eine Anwendung für Windows 10 schreiben, können Sie so eine riesige Nutzergemeinde erreichen", buhlte Nadella am Dienstag auf einer hauseigenen Entwicklerkonferenz um die Unterstützung der Community.
Selbst beim lange mies laufenden Surface hat der Konzern mit der dritten Version nun ein konkurrenzfähiges Gerät im Portfolio. "Wir brauchen bei Microsoft eben oft drei Anläufe, bis wir es richtig hinkriegen", scherzte Nadella am Dienstag auf dem Technical Summit selbstironisch. Um den Konzern wieder auf Spur zu kriegen, ist ein bisschen Abstand sicher nicht die schlechteste Grundlage.
Auf Seite 3: Was von der Microsoft-Aktie zu halten ist
Einschätzung zur Aktie
Microsoft-Boss Satya Nadella lüftet die Konzernzentrale in Redmond derzeit ordentlich durch. Das ist überfällig. Viel zu lange hat sich der Konzern an sein Monopol bei Windows und Office geklammert, sich abgeschottet und bei Mega-Themen wie Betriebssystemen für mobile Endgeräte, Tablets oder der fortschreitenden Vernetzung übers Internet beinahe den Anschluss verpasst.
In wichtigen Wachstumsfeldern wie Cloud-Lösungen ist Microsoft dagegen hervorragend aufgestellt. Während der Mittelstand Themen wie Office 365 oder der Cloud-Plattform Azure eher skeptisch gegenüber steht, geht es bei Konzernen in Sachen Datenwolke längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann.
Mit den geplanten Neuerungen bei Windows 10 ist der Konzern ohnehin auf dem richtigen Weg. Denn mit dem einheitlichen Konzept setzt Microsoft voll auf die Appstore-Spirale. Viele Nutzer ziehen viele Entwickler an, die viele Anwendungen schreiben, was wiederum noch mehr Nutzer anzieht.
Auch auf der Kostenseite greift Nadella an. Nach der Übernahme des Handy-Geschäfts von Nokia sind die Personalkosten zunächst deutlich angestiegen. Mit dem Abbau von insgesamt 17500 Jobs will Microsoft hier wieder in die Spur kommen.
Die jüngsten - um die Kosten des Personalabbaus bereinigten Zahlen - waren hervorragend. "Microsoft bleibt unsere Top-Value-Story", schrieb UBS-Analyst Brent Thill zu den jüngsten Quartalszahlen Ende Oktober. Selbst auf der zuletzt schwächelnden Hardwareseite gibt es deutliche Verbesserungen. Das Weihnachtsgeschäft dürfte insbesondere den Absatz der Spielekonsole Xbox One sowie der Lumia-Smartphones beflügeln.
Charttechnisch sieht die Microsoft-Aktie ohnehin prima aus. Erst vor wenigen Tagen hat das Papier den höchsten Stand seit dem Jahr 2000 erreicht. Wir bleiben optimistisch. Kursziel: 46,00 Euro, Stopp bei 35,00 Euro. Kaufen.