Microsoft will durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die Dominanz von Google im Suchmaschinengeschäft brechen. Obwohl die Pläne bei Investoren und Analysten gut ankommen, fiel die Aktie gestern auf ein neues 52-Wochen-Tief. Von Jens Castner

Microsofts Investitionen in Künstliche Intelligenz würden „zu einem erheblichen unterschätzen Aufwärtspotenzial führen“, findet Gil Luria, Analyst beim Investmenthaus D.A. Davidson, der das Kursziel für die Aktie bei 270 Dollar (255 Euro) sieht. Hintergrund ist Microsofts Beteiligung an OpenAI, einer offenen Plattform für Künstliche Intelligenz, die kurz vor Weihnachten den Chatbot ChatGPT an den Start brachte, der eine Welle der Begeisterung auslöst. Obwohl die aktuell kostenfrei verfügbare „‚Sparversion“ von ChatGPT nur als mit Informationen bis maximal Ende 2021 gefüttert wurde, gilt die Erfindung als ähnlich revolutionär wie das iPhone im Jahr 2007. ChatGPT kann – auch in geschliffenem Deutsch – Fragen beantworten, perfekte Texte schreiben und vieles mehr.

Sollte Microsoft diese Technologie für seine Suchmaschine Bing nutzen, könnte es eng für den Marktführer Google werden. Dessen Muttergesellschaft Alphabet forscht ebenfalls an Künstlicher Intelligenz. Das Alphabet-Management soll jedoch verschiedenen Quellen zufolge geschockt gewesen sein, wie weit OpenAI mit ChatGPT bereits geklommen ist.

Microsoft hatte 2019 angekündigt, eine Milliarde Dollar in OpenAI zu investieren. Die beiden Unternehmen schlossen damals eine Partnerschaft, um die Reichweite des Cloud-Diensts Azure bei großen KI-Systemen zu erweitern. „Wir haben von Schätzungen zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Dollar jährlicher Ausgaben bei OpenAI gehört, von denen ein Großteil wahrscheinlich für Azure ausgegeben wird", sagte Analyst Luria dem US-Börsendienst Marketwatch. „Wir gehen davon aus, dass diese Ausgaben mit der Einführung von GPT4.0 im Laufe dieses Jahres und den vielen Ablegern, die über APIs mit OpenAI verbunden sein werden, erheblich steigen werden.“

Das KI-Projekt kostet Microsoft also zunächst viel Geld, die Ernte wird erst in einigen Jahren eingefahren. Dazu passt die Herabstufung der Schweizer Großbank UBS, die ihr Anlageurteil für die Microsoft von „buy“ auf „neutral“ senkte und damit einen Kurssturz von 250 auf unter 230 Dollar auslöste. UBS-Analyst Karl Keirstead sieht die Aktie aktuell als „fair bewertet“ bezeichnete. Kurzfristig gibt D.A.-Davidson-Experte Luria seinem Kollegen sogar recht: Angesichts der weltweiten Konjunkturschwäche drohe sich das Wachstum von Azure zu verlangsamen. Auch der Rückgang der PC-Nachfrage könne Microsoft noch schaden. Längerfristig werde Microsoft auch dank des Zugriffs auf die neue KI-Technologie jedoch „mindestens so widerstandsfähig sein wie Apple“.

Einschätzung der Redaktion

Die derzeitige Kursschwäche von Microsoft hat das Chartbild eingetrübt. Kurzfristig orientierte Trader warten ab, bis die Aktie wieder Momentum aufbaut. Mittel- bis langfristig könnte die aktuelle Schwächephase eine historische Kaufgelegenheit sein. Aktien wie Microsoft finden sich übrigens auch im BÖRSE ONLINE Aktien für die Ewigkeit Index. Das Portfolio besteht aus Unternehmen, die wegen ihrer herausragenden Geschäftsmodelle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in mehr als 100 Jahren noch erfolgreich am Markt agieren werden.

Eine ausführliche Analyse zu ChatGPT und den Auswirkungen auf Alphabet, Microsoft und Co lesen Sie nächste Woche in der Printausgabe von BÖRSE ONLINE, die am Donnerstag, 12. Januar 2023, erscheint.


Microsoft (WKN: 870747)

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