Nur eine Autostunde nördlich liegt das Herzstück des schwarzen Golds, der Houstoner Binnenhafen. Gemessen an der Tonnage ist er einer der wichtigsten Umschlagplätze Nordamerikas geworden. Texas erlebt einen nie da gewesenen Boom. Mehr als 100 Milliarden Dollar wird die Branche in den kommenden Jahren hier investieren, schätzen Analysten. Massenweise entstehen neue Jobs. In der Landeshauptstadt Austin sprudeln die Steuereinnahmen. Texaner sind stolz auf sich. Nach Kalifornien sind sie der ökonomisch zweitwichtigste Bundesstaat. Einige fordern schon, sich von Washington abzuspalten, um unabhängig zu werden.
Verbesserte Techniken wie das horizontale Bohren oder Fracking sorgen für die Aufbruchstimmung. Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in tiefe Gesteinsformationen unter hohem Druck gespült, um den fossilen Brennstoff zu lösen. 7000 Öl- und Gasquellen wurden im texanischen Schiefergesteinsvorkommen namens Eagle Ford angezapft, das Areal erstreckt sich 400 Meilen entlang der mexikanischen Grenze.
Einer der Profiteure des Booms in den USA ist ExxonMobil, die Nummer 1 mit Sitz im texanischen Irving. Dank des hohen Ölpreises und der gestiegenen heimischen Produktion kletterte der Profit im zweiten Quartal kräftiger als von Analysten erwartet. Zusätzlich halfen der Verkauf von Unternehmensteilen und der seit dem kalten US-Winter stark gestiegene Erdgaspreis.
Doch es bleiben bohrende Fragen: Der Konzern leidet seit einigen Quartalen unter einer schrumpfenden Produktion im Ausland. Das will Exxon-Boss Rex Tillerson langfristig ändern. 21 neue bedeutende Vorhaben stehen auf der Agenda von Tillerson, darunter auch ein großes Gasfeld in Papua-Neuguinea. Bis 2017 sollen die Projekte anlaufen. So begannen die Texaner vor wengen Tagen, in der russischen Arktis zu bohren. Hierbei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit der russischen Rosneft. Zwar verhängte der Westen drastische Sanktionen gegen Russland, seit sich die Krise in der Ukraine nach dem Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine zugespitzt hat. Exxon aber umgeht geschickt die Sanktionen, ohne sie zu verletzen.
Vom Fracking-Boom im Inland profitieren, im Ausland weiter wachsen - das ist auch die Devise von Chevron. Und das macht die Nummer 2 in den USA aus einer Position der Stärke. Der Koloss mit Sitz im kalifornischen San Ramon erhöht seit 26 Jahren kontinuierlich die Dividende. Ob auf Sicht von fünf oder zehn Jahren - jedes Mal bescherte der Bluechip seinen Aktionären eine Gesamtrendite von knapp 15 Prozent per annum, Kurszuwachs und Dividende eingeschlossen. Vorstandschef John Watson ist begeistert, gemessen am geförderten Barrel die höchste Marge in der Branche einzufahren. Und das seit vier Jahren.
Das Erstaunliche an der hohen Ertragskraft ist, dass Watson gleichzeitig massiv investiert. Er setzt immer neue Projekte in Gang. In Angola zapfte er voriges Jahr ein Gasvorkommen an. Seit November sprudelt 110 Kilometer südöstlich von der Küste Rio de Janeiros Öl, Kooperationspartner ist Brasiliens Staatskonzern Petrobras.
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Voller Energie ins Ausland
Im Westen Australiens macht derweil das Gasprojekt namens Gorgon große Fortschritte. Bald soll die Produktion beginnen. Chevron hält knapp die Hälfte an dem Joint Venture, mit jeweils 25 Prozent sitzen ExxonMobil und Royal Dutch Shell im Boot. Ebenfalls im Westen Australiens möchte Chevron einen anderen Erdgasschatz namens Wheatstone heben. 40 Milliarden Dollar investierten die Amerikaner in beide australische Gasprojekte, 24 000 Jobs sind schon vor Ort entstanden.
Das reicht ihm nicht. Watson möchte binnen vier Jahren 15 neue Projekte rund um den Globus anstoßen. Jedes Projekt soll mindestens eine Milliarde Dollar kosten. Darunter sind mehrere Tiefwasserbohrstellen im Golf von Mexiko, die in diesem und dem nächsten Jahr die Förderung aufnehmen sollen. Minderheitspartner sind aus strategischen Gründen jedes Mal eingebunden. Darunter das dänische Konglomerat Maersk und die norwegische Statoil. Weil andere an Bord sind, sinken die Anlaufkosten und Risiken für Chevron. Je mehr Interessen gebündelt sind, desto größer der Einfluss auf Behörden, Regulierer und Interessenverbände.
Ziel des 57-jährigen Chevron-Lenkers ist, die Produktion bis 2017 von 2,6 auf 3,1 Millionen Barrel pro Tag hochzufahren. Ein Mammutvorhaben. Denn vielen Playern fällt es schwer, lediglich die ausgebeutete Menge durch neue Funde zu ersetzen. Insofern erscheint das Ziel extrem ehrgeizig.
Mithilfe der vielen mittelgroßen Neuvorhaben und etwas Glück kann Watson das Abenteuer jedoch gelingen. Kleinere Rückschläge scheinen ihn dabei nicht so schnell aus der Bahn zu werfen. "Unsere langfristigen Produktionsziele sind herausfordernd", gibt er offen zu. "Wir investieren heute in Projekte, die uns helfen, Produktion, Cashflow und Gewinnwachstum am Ende des Jahrzehnts zu erfüllen." Doch angesichts zunehmender geopolitischer Risiken sind Rückschläge programmiert. So zogen kürzlich Exxon und Chevron Mitarbeiter aus dem Irak ab. Seit islamische Extremisten das Land erobern, fliehen viele Ausländer. Es besteht die Gefahr, dass die Förderung im Irak, einem Land mit einer der weltweit größten Ölreserven, zum Stillstand kommt.
In der Küstenstadt Galveston ist davon wenig zu merken. Am Horizont ziehen die Tankschiffe vorbei, die Ölplattformen sind draußen fest im Meeresboden verankert. Dies zeigt, dass Exxon und Chevron bei ihrer Expansion ins Ausland weiter auf die Stabilität und Stärke des Heimatmarkts zählen können.
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