von Michael Görgens, Leiter des Fondshandels Börse Stuttgart
Die Börsenregel, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, bringt es auf den Punkt: Wer in viele verschiedene Wertpapiere und Anlageklassen investiert, kann Marktschwankungen besser ausgleichen, sein Verlustrisiko verringern und mehr Stabilität ins Depot bringen. Besonders einfach und günstig funktioniert dies mit Exchange Traded Funds (ETFs): Die passiven, börsengehandelten Fonds bilden jeweils einen kompletten Index ab und sorgen so von vornherein für eine gewisse Streuung.
Neben der langfristigen Strukturierung eines diversifizierten Basisportfolios erlauben ETFs aber auch ein kurzfristigeres, aktives Risikomanagement. Schließlich sind die Papiere fortlaufend an der Börse handelbar und ermöglichen somit flexible Reaktionen auf aktuelle Marktentwicklungen. Hier rücken die sogenannten Short-ETFs in den Fokus: Mit diesen Produkten können erfahrene Anleger ihr Depot gegen Korrekturen an den Märkten absichern. Damit ist natürlich kein Rundumschutz gemeint, denn der wäre bei vertretbarem Aufwand nicht umsetzbar. Vielmehr geht es darum, Kursverluste kurzfristig abzupuffern.
Short-ETFs gewinnen in fallenden Märkten: Die Papiere entwickeln sich auf täglicher Basis spiegelverkehrt zu den zugrunde liegenden Indizes. Fällt etwa der DAX um drei Prozent, steigt der Kurs eines Short-ETF auf den deutschen Leitindex um drei Prozent. Durch diesen Zusammenhang können sich Anleger gegen eine vorübergehende Marktschwäche absichern, ohne Wertpapiere aus ihrem Basisportfolio verkaufen zu müssen.
Auf Seite 2: Warum Short-ETFs trotzdem keine Selbstläufer sind
Allerdings ist bei Short-ETFs auch Vorsicht geboten. Werden sie länger gehalten, kann es wegen der täglichen Anpassung zu Basiseffekten kommen. Die Folge sind Abweichungen zwischen der Wertentwicklung des Short-ETF und des zugrunde liegenden Index. Ein Rechenbeispiel zum Verlauf an zwei Tagen verdeutlicht diese Basiseffekte. Wenn am ersten Tag der Long-Index von 100 Punkten um zehn Prozent auf 110 Punkte steigt, fällt der Short-ETF um zehn Prozent beziehungsweise zehn Punkte - so weit entspricht das Ergebnis den Erwartungen. Geht am zweiten Tag der Long-Index um 9,1 Prozent zurück, büßt er zehn Punkte ein und steht erneut bei 100 Punkten. Der Short-ETF legt zwar gegenläufig um 9,1 Prozent zu, gewinnt damit aber nur 8,2 Punkte - wegen der geringeren Basis liegt er am Ende nur bei 98,2 statt bei 100 Punkten.
Setzt man diese Modellrechnung fort, zeigt sich: Je länger die Haltedauer eines Short-ETF, desto größer können die Abweichungen werden. Vorteilhaft ist dies allerdings nur bei stabilen, länger andauernden Abwärtstrends. In anderen Marktlagen sollten Anleger Short-ETFs eher kurzfristig einsetzen. Dabei lassen sich taktische Short-Positionen jederzeit wieder auflösen, wenn eine Korrektur zu enden scheint oder sich die eigene Markteinschätzung geändert hat.
Mit ihren Besonderheiten sind Short-ETFs in den letzten Jahren kontinuierlich beliebter geworden. Das war angesichts der turbulenten Märkte auch kein Wunder: Es kam zu ausgeprägten Korrekturen, sodass viele Anleger auf kurzfristige Absicherungen setzten. Gewinnmitnahmen bei eingegangenen Short-Positionen taten ein Übriges, um die Handelsaktivitäten zu befeuern. Dabei entfiel der Großteil der Short-ETF-Umsätze auf den DAX - diese Dominanz ist hier noch deutlich ausgeprägter als bei Long-ETFs, bei denen der DAX ebenfalls der beliebteste Index ist.
Günstig, flexibel und als Sondervermögen geschützt: Wer sich mit ETFs ein diversifiziertes Basisportfolio schafft, ist mit Blick auf langfristige Risikostreuung auf dem richtigen Weg. Wer zudem kurzfristig Risiken aktiv begrenzen und sich entsprechend taktisch positionieren möchte, kann auf Short-ETFs zurückgreifen. In beiden Facetten ist die Idee des Risikomanagements bei Privatanlegern angekommen.
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Michael Görgens
Seit mehr als 15 Jahren ist Görgens am Kapitalmarkt tätig. Er leitet den Fonds- und Anleihehandel an der Börse Stuttgart. Görgens begann 1998 als Händler bei der Landesbank Berlin im Interbankenmarkt für Jumbo-Pfandbriefe. 2003 kam er an die Börse Stuttgart und verantwortete dort den Aufbau des
Fondshandels und die Gründung spezieller Handelssegmente für aktive und passive Fonds.