"Die vielen Ausfälle der letzten Jahre haben das Vertrauen erschüttert", sagt Britta Holt, leitende Analystin bei der Ratingagentur Scope. "Viele Anleger sind mittlerweile skeptisch und agieren sehr vorsichtig."

Die Insolvenzen, die zunächst vor allem Emittenten aus dem Krisensektor Erneuerbare Energien wie etwa den Windkraft-Zulieferer SIAG Schaaf betrafen, ziehen sich inzwischen durch viele Branchen. Im vergangenen Jahr traf es unter anderem den Fahrradhersteller MIFA und den Telekommunikationsdienstleister Mox. Laut Scope sind von den seit 2010 begebenen 188 Bonds bislang 29 ausgefallen. Allein 2014 waren es elf Anleihen. Aus Sicht von Björn Stübiger von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner hat man bei den Hochzinspapieren mit Kupons von zum Teil 11,5 Prozent in den vergangenen Jahren vor allem einen Fehler gemacht: "Es wurde zu wenig hingeguckt." Investoren, zu denen vor allem Privatanleger gehörten, hätten sich von Renditen und bekannten Unternehmensnamen blenden lassen. Gleichzeitig hätten auch einige Ratingagenturen oder beratende Banken viele Risiken nicht gesehen. Einige Marktbeobachter vergleichen die Entwicklungen bei den Mittelstandsbonds bereits mit dem "Neuen Markt", der erst zu einem Aktienboom führte, Privatanlegern Anfang des Jahrtausends aber herbe Kursverluste einbrockte und dann schlussendlich geschlossen wurde.

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REFINANZIERUNGSWELLE STEHT BEVOR

Zu den Hochzeiten 2012 und 2013 wurden laut Scope über 90 Mittelstandsanleihen emittiert, das Volumen summierte sich insgesamt auf rund vier Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 28 Bonds in einer Größenordnung von etwa einer Milliarde Euro - unter anderem der Erotikkonzern Beate Uhse und KSW Immobilien zapften den Kapitalmarkt an. Der durchschnittliche Kupon von Mittelstandsbonds lag Experten zufolge zuletzt bei knapp sieben Prozent - Niveaus von denen Anlegern bei Anleihen großer Dax-Konzerne wie etwa Daimler nur träumen können. Benotet werden mehr als zwei Dritteln aller Mittelstandspapiere mit "BB" oder darunter - und liegen damit auf Ramschniveau.

Ob der Markt für Mittelstandsbonds sein Image noch einmal aufpolieren kann, dürfte sich nach Einschätzung von Experten vor allem in den kommenden vier Jahre zeigen, wenn laut Scope Anleihen im Umfang von 4,2 Milliarden Euro refinanziert werden müssen. Das sind mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens aller bislang begebenen Mittelstandsanleihen. "Können die Unternehmen ihre Schulden bedienen, sollte sich das Image wieder bessern. Kommt es zu weiteren Ausfällen, dürfte der Markt für Mittelstandsanleihen dagegen einen stillen Tod sterben," prognostiziert Hans-Werner Grunow von der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsgesellschaft Capmarcon.

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NEUE PLATTFORM IN DÜSSELDORF SOLL MEHR TRANSPARENZ BRINGEN

An der Düsseldorfer Börse geht man inzwischen neue Wege, um die in Verruf geratene Anlageklasse zu retten. Das Ende 2010 gestartete Segment "mittelstandsmarkt" ist Geschichte - statt dessen sind kleinere und mittlere Unternehmensbonds wie die Papiere des Hemdenherstellers Seidensticker oder des Modeunternehmens Hallhuber nun im so genannten Primärmarkt zu finden. Damit Anleger die Ausfallwahrscheinlichkeit von Anleihen künftig besser einschätzen können, werden die Papiere laut Börsenbetreiber je nach Höhe der Rendite in verschiedene Risikoklassen unterteilt. Andere Betreiber wie etwa die Bayerische Börse wollen ihrem Mittelstandsportal "m:access" dagegen treu bleiben und setzen auf die selbst heilenden Kräfte des Marktes: "Vielleicht tragen die jüngsten Ausfälle dazu bei, dass es künftig zwar weniger Mittelstandsanleihen gibt, aber dafür qualitativ bessere", sagt Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Börse München.

Unternehmensberater Stübiger ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Bedarf für ein speziell auf den Mittelstand zugeschnittenes Anleihesegment weiterhin vorhanden ist, auf Unternehmens- wie auch auf Investorenseite. Firmen hätten über Bonds die Möglichkeit, ihren Kapitalzugang auf eine breitere Basis zu stellen und ihre Abhängigkeit von Bankkrediten zu reduzieren, sagt der Experte. "Und Anleger, gerade Institutionelle, suchen angesichts der anhaltenden Niedrigzinspolitik verstärkt nach Möglichkeiten, ihr Geld noch gewinnbringend anzulegen."

Reuters