Der Finanzdienstleister MLP zeigt seit einigen Jahren eine erfreuliche Entwicklung. Umsatz und Gewinn legen zu, der Aktienkurs steigt. Gerade erst wurde die Prognose zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben. Das war nicht immer so. Lange Zeit waren MLP-Papiere für Anleger allenfalls als Dividendentitel von Interesse. Vorstandsvorsitzender Uwe Schroeder-Wildberg ist sich jedoch sicher, mit seinem Unternehmen gut aufgestellt zu sein und sieht große Chancen am Markt.
Der Vorstandschef fühlt sich auf seinem Weg, den Konzern über viele Jahre hinweg immer wieder auszubauen, bestätigt. Das Erlöswachstum von fast 20 Prozent im Halbjahr und mehr als 20 Prozent im zweiten Quartal zeigten deutlich, dass MLP-Berater für ihre Kunden relevant seien.
Neben der Gesamtsicht auf die finanzielle Situation ihrer Privatkunden und deren Betreuung durch die knapp 2.100 Berater bietet MLP einschlägige Expertise durch Tochterunternehmen beim Aufbau und der Betreuung betrieblicher Vorsorge für Unternehmen vor allem aus dem Mittelstand, bei der Immobilienvermittlung und -projektierung, bei Sachversicherungen und beim Investmentmanagement für große Privatvermögen sowie institutionelle Anleger wie Versorgungswerke oder Pensionsfonds. In den nächsten Monaten soll das Geschäft mit Industriesachversicherungen weiter ausgebaut werden.
Euro am Sonntag: Herr Schroeder-Wildberg, Sie sind fast 19 Jahre bei MLP. Wird das nicht langweilig?
Uwe Schroeder-Wildberg: Überhaupt nicht. Jede Zeit hatte und hat ihre Herausforderungen. Wir haben das Unternehmen grundlegend weiterentwickelt. Das war und ist sehr spannend. MLP ist heute so gut aufgestellt wie zu keinem Zeitpunkt zuvor.
Wie sah diese Entwicklung aus?
Wir wollten der ursprünglichen Idee, mit der MLP gegründet wurde, treu bleiben, sie aber modernisieren und erweitern.
Was heißt das konkret?
Wir sind heute deutlich breiter aufgestellt als zu Beginn meiner Zeit bei MLP. Eine wichtige Etappe der Modernisierung war, die eigenen Versicherungstöchter im Jahr 2005 zu verkaufen. Aus meiner Sicht passten diese nicht zu unserem wichtigsten Versprechen und eben der Ur-Idee, im Auftrag der Kunden unabhängig zu beraten. Diese Klarstellung und Rückbesinnung auf den Kern von MLP war wichtig. Wir haben uns dann ganz bewusst für den Maklerstatus entschieden.
Worin bestand die Modernisierung weiter?
Um unserem Anspruch gerecht zu werden, in allen Finanzfragen zu beraten, mussten wir Geschäftsfelder ausbauen und in andere vorstoßen, die wir bis dahin nicht besetzt hatten. Das Erste war die betriebliche Vorsorge. Die Kompetenz haben wir bei unserer Marke TPC gebündelt und sind heute in diesem Bereich der größte deutsche Makler. Etwas später haben wir mit Feri, dem damals größten unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland, Expertise für das Management großer Vermögen und institutioneller Anleger ins Haus geholt. Dieses Beratungsfeld gewinnt auch für unsere Privatkunden bei MLP mit zunehmendem Alter immer mehr an Bedeutung. Was hier und an anderen Stellen immer mehr zum Tragen kommt: das Zusammenwirken der vielfältigen Kompetenzen innerhalb des Konzerns.
Haben Sie Beispiele dafür?
MLP-Berater ziehen gezielt Spezialisten in relevanten Kundensituationen hinzu: Mit Feri geschieht dies bei umfassenden Anlagesituationen, also bei großen und komplexeren Mandaten vermögender Kunden. Allein im ersten Halbjahr 2021 sind dadurch 100 Millionen Euro Nettomittelzuflüsse entstanden. Oder nehmen Sie TPC, wenn es um komplexe Versorgungssituationen bei einem Arbeitgeber geht: MLP-Privatkunden sind oft auf Geschäftsführungs- und Managementebene tätig, wo die Entscheidungen über die betriebliche Altersvorsorge im Unternehmen getroffen werden. Darüber hinaus besteht viel weiteres Potenzial innerhalb unseres Geschäfts mit Firmenkunden.
Wie wollen Sie dieses Potenzial heben?
TPC beispielsweise betreut vorwiegend Mittelständler in Fragen der betrieblichen Altersvorsorge - und genau diesen Geschäftskunden können wir nun über unser jüngstes Gruppenmitglied RVM auch in Absicherungsfragen ein sehr kompetitives Angebot machen. Andersherum, also für bestehende RVM-Geschäftskunden, funktioniert das natürlich genauso. Der große Vorteil ist, dass wir nicht nur die Expertise im Konzern haben, sondern dann bereits mit dem jeweiligen Geschäftskunden am Tisch sitzen und auf einer bestehende Kundenbeziehung aufsetzen können.
Sie haben mit der Akquisition von RVM im April das Geschäft mit Industriesachversicherungen gestärkt. Mit welchem Ziel?
Wir möchten auch als Makler für Industrieversicherungen eine führende Position einnehmen.
Genügt dazu die Akquisition von RVM oder wollen Sie weiter zukaufen?
Klares Ja zu weiteren Zukäufen - und wir hatten mit einer Maklergruppe aus Hamburg vor wenigen Monaten bereits nachgelegt. Die Gewerbe- und Industriesachversicherung ist derzeit unsere Hauptpriorität in Sachen Akquisitionen. Wir hatten dieses Geschäft zuvor eher punktuell betrieben und entwickeln es jetzt so systematisch wie beispielsweise die betriebliche Vorsorge. Unser Angebot als Industriemakler werden wir bundesweit ausbauen, auch durch weitere Zukäufe. Dabei wollen wir in diesem sehr fragmentierten Markt in die Top Ten vordringen. Dafür ist es wichtig, den neu hinzukommenden Maklern eine gute und dauerhafte Heimat in unserer Gruppe zu bieten - das heißt, ihr bestehendes Geschäftsmodell zu respektieren und zusammen mit unserer Finanzkraft langfristig weiterzuentwickeln.
Schließen Sie Akquisitionen in anderen Bereichen aus?
Die Aussage von eben bezog sich nur auf diesen Bereich. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns andere Möglichkeiten anschauen. Denn wir haben eine große Bilanzstärke, die wir über die Jahre aufgebaut haben. Oberste Priorität hat aber, wie gesagt, für die nächsten drei bis vier Jahre das Segment Industriemakler.
Wie sehen Sie derzeit den Markt für Ihr Geschäft?
Wir befinden uns strategisch in einer sehr guten Lage. Anders ausgedrückt: Die Zahlen der vergangenen Jahre sind der beste Beleg dafür, dass die strategische Weiterentwicklung erfolgreich verläuft. Das sieht man auch an der Entwicklung unseres Aktienkurses. MLP wurde lange als Dividendentitel gehandelt. Darüber freuen wir uns. Wir haben aber gezeigt, dass wir auch über die Kursentwicklung Wert für die Aktionäre schaffen. 20 Prozent Wachstum allein im vergangenen Halbjahr können sich sehen lassen. Grundlage ist das strukturell bereits erfolgreich angelegte Ergebniswachstum. Unsere Planung für ein Ebit von 75 bis 85 Millionen Euro für Ende 2022 bringt dies zum Ausdruck. Kurzum: Die Aktie verbindet Stabilität durch eine breite Aufstellung mit dynamischen Hebeln für weiteres Wachstum.
Die mögliche Ampelkoalition hat ein Sondierungspapier veröffentlicht, in dem es heißt, der Deutschen Rentenversicherung solle es ermöglicht werden, Reserven am Kapitalmarkt anzulegen. Was halten Sie davon?
Es geht wohl um einen, wie auch immer gearteten, Staatsfonds. Die Idee dahinter, also eine teilweise Anlage am Kapitalmarkt, kann man sich zumindest anschauen, weil das Umlagesystem längst seine Grenzen erreicht hat. Doch es bleiben entscheidende Folgefragen: Wer berät den Fonds? Welche Risikoklassen gibt es? Gelingt es, mit temporären Misserfolgen, sprich: schlechter Performance, umzugehen? Und vor allem: Ist der deutsche Staat diszipliniert genug, nicht in den Fonds hineinzugreifen, wenn er Geld benötigt? Klar ist: Ein Staatsfonds allein wird unsere Probleme in der Altersvorsorge nicht lösen, schon gar nicht mit den angedachten zehn Milliarden Euro. Nur um die Dimension zu verdeutlichen: Wir reden heute bereits von Bundeszuschüssen in die Rentenkasse von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Eine Summe von zehn Milliarden wäre eher ein Signal, als dass sie kurzfristig etwas fundamental ändert. Ich glaube, es wäre besser, wenn man sich zunächst darauf konzentrieren würde, andere Dinge im System konsequent anzugehen.
Woran denken Sie dabei?
Es gibt andere und vor allem bewährte Möglichkeiten, wie die betriebliche Altersvorsorge, die einen guten Zugang zu Arbeitnehmern gewährleistet. Dieses Thema ließe sich noch stärker ins Bewusstsein bringen, indem etwa ein Opting-out geschaffen würde, bei dem Arbeitnehmer automatisch dabei wären und sich andernfalls aktiv gegen eine eigene betriebliche Altersvorsorge entscheiden müssten. Wenn man ideologiefrei darüber nachdenkt, ist auch Riester mit seiner hohen Förderquote für Geringverdiener und Familien weiterhin eine gute Möglichkeit. Leider wird ein Staatsfonds ohne Garantie oft mit einem Riester-Produkt mit Garantie verglichen, was ein verzerrtes Bild erzeugt. Eine Reform von Riester, die angekündigt war, wäre sicher hilfreich, auch wenn es in Berlin aktuell nicht unbedingt danach aussieht. Selbst wenn ein neu einzuführender Staatsfonds die gesetzliche Rente langfristig tatsächlich stärken sollte, bleibt der Bedarf für ergänzende Altersvorsorge weiterhin hoch - das gilt besonders für unsere Kundenklientel.
Gesetzt, es käme zu einem Staatsfonds, wie sollte er gestaltet sein?
Wie gesagt, es gäbe noch sehr viele Details zu klären und Hürden zu überwinden. Ein Beispiel: Er müsste hinsichtlich seiner Investmentphilosophie frei sein. Das wird aber aller Voraussicht nach nicht der Fall sein, weil eine viel zu große Versuchung für die Verantwortlichen darin liegt, Vorgaben zu machen, die politischen Zielen folgen. Dies birgt dann gleich die Gefahr einer Fehlallokation der angelegten Gelder.
Private Rentenversicherungen werden zunehmend unbeliebt. Nicht zuletzt, weil sie immer weniger Rendite abwerfen. MLP steht treu zu dieser Produktart. Warum?
Ich halte es für entscheidend, bevor man die Produktfrage stellt, sich mit der Kundensituation zu beschäftigen: Hat sie oder er für die eigenen lebenslangen Ausgaben genug lebenslanges Einkommen? Darüber nachzudenken, ist nicht einfach, weil ein paar unbekannte Variablen zu betrachten sind. Sie können Altersvorsorge in zwei Halbzeiten aufteilen: die Aufbauphase einerseits und die zweite Halbzeit als Nutzungsphase, von der Sie aber nicht wissen, wie lang sie dauert. Gerade wenn Renditen niedrig sind, ist es in einer Versicherungslösung möglich, über das Versichertenkollektiv einen Risikoausgleich herzustellen. Dann mag die zweite Halbzeit so lange dauern, wie sie eben dauert. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass der Kapitalstock aufgebraucht ist, die Ausgaben aber weitergehen. Insofern ist es sinnvoll, den Teil seiner Vorsorgenotwendigkeiten mit einer Rentenversicherung abzudecken, die die Grundversorgung sicherstellt.
Der Garantiezins für Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen sinkt zum Jahreswechsel. Sollten Kunden noch schnell solche Policen abschließen?
Das ist auf jeden Fall noch mal ein Anlass, darüber zu sprechen, wenn beim Kunden Bedarf besteht. Denn für denjenigen, der sich erst im kommenden Jahr entscheidet, wird es aufgrund der Garantiezinssenkung teurer. Gerade das Risiko einer Berufsunfähigkeit wird oftmals unterschätzt. Wir reden hier von einer Wahrscheinlichkeit um die 25 Prozent, berufsunfähig zu werden.
Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Berater?
MLP-Berater haben meist einen akademischen Abschluss. Vor allem müssen sie bereit sein, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Dazu betreiben wir eine Corporate University, akkreditiert, an staatliche Hochschulen anschlussfähig. Das bedeutet: Unsere Weiterbildungsinhalte lassen sich dank der Zertifizierung auch in anderen Studiengängen leichter anerkennen. Zudem sind wir zur Ausbildung zum Certified Financial Planner, dem höchsten international anerkannten Standard für Finanzberater, akkreditiert. Wir stellen unseres Wissens die meisten davon im deutschen Markt.
Könnte ein Kunde sich nicht auch allein um seine Finanzen kümmern?
Unsere Kunden sind in der Regel Menschen, die andere Präferenzen im Leben haben, als sich mit Tarifdetails zu beschäftigen. Die meisten wünschen sich stattdessen einen Gesprächspartner in allen Finanzfragen, der auf ihre persönliche Situation professionell eingeht. Insofern etablieren wir ein Berufsbild, das wir aus den USA kennen und das dort seinen Platz neben dem Rechtsanwalt und Steuerberater hat.
Vita:
Der Beständige
Seit 2004 steht Uwe Schroeder-Wildberg (56) als Vorstandsvorsitzender an der Spitze von MLP. Ein Jahr zuvor war der promovierte Betriebswirt als erster Finanzvorstand in der Geschichte des Unternehmens zum Finanzdienstleister aus dem badischen Wiesloch gekommen. Zunächst musste er sich um den vor seiner Zeit aufgekommenen Vorwurf der Bilanzfälschung kümmern, der mit einem extremen Kurssturz der Aktie einhergegangen war. Danach begann Schroeder-Wildberg, MLP zu stabilisieren und durch Akquisitionen kontinuierlich auszubauen.
MLP:
Aktie mit Perspektive
Das auf die Beratung von Medizinern, Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen spezialisierte Unternehmen hat seinen Börsenwert seit Beginn der Pandemie mehr als verdoppelt. In der Krise legte der Bedarf an Finanzberatung zu. Außerdem bietet der Ausbau des Konzerns Möglichkeiten, mit einzelnen Kunden zusätzliches Geschäft zu machen. Das zahlt sich aus.