Bei der Deutschen Bank steht Finanzkreisen zufolge das Privatkundengeschäft vor Umwälzungen. Im Rahmen der Strategiedebatte über die künftige Aufstellung von Deutschlands größtem Geldhaus habe der Aufsichtsrat am Freitag drei Stunden lang drei Szenarien diskutiert, sagten zwei mit der Sache vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende. "Das Privatkundengeschäft muss in jedem Modell Federn lassen", erklärte einer der Insider. Am wenigsten sei dies jedoch der Fall, wenn eine eigene Privatkundenbank inklusive Postbank geschaffen und binnen zwei Jahren über einen Börsengang abgespalten werde. Dafür gebe es im Kontrollgremium, das am Freitag insgesamt 14 Stunden lang tagte, momentan die größte Zustimmung. Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen und vor Ende April auch nicht zu erwarten.
Die Deutsche Bank wollte sich zu den Informationen nicht äußern. Nach wie vor heißt es lediglich, die Ergebnisse der Strategieüberprüfung würden zeitnah vorgestellt. Die Aktionäre hoffen, dass sie bis zur Hauptversammlung am 21. Mai Klarheit haben.
Die anderen beiden Modelle wären den Angaben zufolge entweder eine Vollintegration der Postbank mit einem radikalen Sparprogramm in der Privatkundensparte, wie es gerade die HypoVereinsbank macht, oder ein Verkauf nur der Postbank. In jedem Fall sei die Erkenntnis gereift, dass sich die Deutsche Bank das bislang sehr breit angelegte Universalbank-Modell wegen der hohen Regulierungskosten nicht mehr leisten könne, erklärte einer der Insider. Das Filialgeschäft verschlinge viel Geld. Mit einer Komplettabspaltung des "blauen und gelben" Privatkundengeschäfts würde zudem die Bilanz deutlich verkürzt. Das würde der Deutschen Bank helfen, die sogenannte Leverage Ratio - das Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme - nach oben zu schrauben. Co-Chef Jürgen Fitschen hatte das kürzlich als größte Herausforderung für die Bank bezeichnet. In der neuen Ausrichtung wären die Frankfurter dann eine Bank, die sich mit Investmentbanking, Vermögensverwaltung und Zahlungsverkehr auf gehobene Privatkunden und Firmenkunden fokussiere - eine "Wholesale Bank", wie es intern heißt.
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DEUTSCHE BANK 24 2.0
Reuters hatte bereits im Januar aus Finanzkreisen erfahren, dass ein solches Modell diskutiert wird. Nun scheint es konkrete Formen anzunehmen. Den Angaben zufolge würde man die technische Integration der Postbank in die Deutsche Bank weiter vorantreiben, um jährliche Kosteneinsparungen von etwa 800 Millionen Euro zu erreichen. Bis spätestens Anfang 2017 solle die Privatkundenbank dann schlank und hübsch und börsenfähig sein. Zwar sei noch offen, bei welchen Privatkunden man "abschneiden" würde. Aber das Massengeschäft dürfte auf jeden Fall in die Privatkundenbank wandern. Das wäre quasi eine Wiederauflage der "Deutsche Bank 24" aus den neunziger Jahren - schon damals wollte sich das Institut im Kerngeschäft eigentlich auf die vermögenderen Privatkunden fokussieren, hatte dann aber einen Rückzieher gemacht.
Das globale Investmentbanking steht im Rahmen der Strategiedebatte nicht zur Disposition. Das hatte Co-Chef Anshu Jain erst vor wenigen Tagen auf einer Finanzkonferenz signalisiert. Aber diese Sparte muss sich den Angaben zufolge auf Einschnitte einstellen, weil viele Geschäfte einfach zu viel Kapital verschlingen. So stelle die Deutsche Bank derzeit etliche Auslandsniederlassungen wie Südkorea und Indien infrage und wolle insbesondere das Interbanken-Kreditgeschäft zurückfahren. Anpassungen soll es auch im Handelsgeschäft geben.
Viele europäische Rivalen haben ihr Investmentbanking aus Kapitalgründen bereits gestutzt oder sind dabei - etwa die Schweizer UBS und die britische Barclays. Jain spekuliert aber darauf, den Rückzug dieser Rivalen nutzen zu können, um in Lücken vorzustoßen und Marktanteile zu gewinnen. Er will nicht den US-Rivalen das Feld überlassen, wie er immer wieder bekundet. Einige Großinvestoren haben dafür zuletzt offen Unterstützung signalisiert, etwa der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock.
Reuters