DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:
Größter Schatz von Morphosys ist eine sogenannte Antikörperbibliothek - vom rein physischen Umfang in etwa so groß wie eine kleine Rolle Pfefferminz-Bonbons. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der biopharmazeutischen Forschung der Firma und hat aktuell das Potenzial, das erste eigene Medikament aus dem Hause Morphosys hervorzubringen.
Antikörper sind Eiweiße und aus der aktuellen Medizin kaum noch wegzudenken. Sie haben in den vergangenen Jahren in der Entwicklung neuer Medikamente etwa gegen Krebs oder Multiple Sklerose zunehmend Bedeutung erlangt. Sie beeinflussen Krankheiten, in dem sie etwa eine Reaktion des Immunsystems auslösen oder beispielsweise eine Krebszelle vergiften.
In den vergangenen Jahren hatte Morphosys jedoch zunächst noch Schlagzeilen mit Flops gemacht. Mit Celgene sprang überraschend ein potenter Partner aus den USA ab. Die Zukunftsaussichten für das gemeinsam entwickelte Mittel Mor202 standen über Nacht in der Schwebe. Inzwischen ist zumindest für einige asiatische Länder ein neuer Partner gefunden. Das Blatt wendete sich aber an der Börse, als Morphosys seinen ersten richtigen Treffer landete. Mit dem Schuppenflechte-Mittel Guselkumab der Johnson & Johnson-Tochter (JohnsonJohnson) Janssen wurde im Sommer 2017 erstmals ein Medikament zugelassen, das auf einem Morphosys-Antikörper basierte.
Hieraus fließen nun Tantiemen. Die Gewinne lassen bisher zwar noch auf sich warten, weil Morphosys wie in der Branche üblich viel Geld in seine Forschung steckt. Treiber für die Börse ist aktuell aber vielmehr die Medikamentenpipeline - also jene Mittel, die vielversprechend sind und auf den Markt gelangen könnten. So winkt in den USA dem Mittel Mor208 wegen dessen Schlagkraft im Kampf gegen den Blutkrebs eine beschleunigte Zulassung. Damit hätte Morphosys erstmals ein eigenes Mittel. Daneben gibt es noch eine Zahl anderer Kandidaten.
Gut kommt an der Börse aber auch an, dass Morphosys weiter als verlässlicher Partner großer Konzerne gilt. Erst kürzlich berichtete das Unternehmen über den Anlauf einer wichtigen Phase III-Studie für das Alzheimer-Mittel Gantenerumab zusammen mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche. Vor einigen Jahren hatte Roche eine gemeinsame Alzheimer-Studie mit Morphosys wegen mangelnden Erfolgs noch gestoppt.
DAS MACHT DIE AKTIE:
An der Börse leisten die Investoren bereits eine Wette auf eine glanzvolle Zukunft. Am vergangenen Mittwoch eroberten die Morphosys-Anteile die Marke von 100 Euro zurück. Am Freitag legte sie in der Spitze bis auf 105,20 Euro zu. Auf diesem Niveau hatten sie zuletzt im Jahr 2000 notiert. Damals war es in der Euphorie des Neuen Marktes sogar bis fast an die 150-Euro-Marke hochgegangen, bevor die Blase platzte und sich insbesondere bei Biotechwerten die Ernüchterung breit machte. Die Erfolgsaussichten vieler Medikamente waren damals massiv überbewertet.
Wie viele andere Werte der Branche musste aber auch Morphosys erst seine Feuertaufe bestehen, damit die Investoren wieder Vertrauen fassten. Seit Mitte 2016 geht es nun im Dauerlauf wieder nach oben, seitdem hat sich der Wert verdreifacht.
Allein seit Jahresbeginn 2018 beläuft sich das Kursplus auf gut 30 Prozent, womit die Anteilsscheine zu den fünf gewinnträchtigsten TecDax-Werten in diesem Jahr zählen.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
So positiv die Börse, so optimistisch ist auch der überwiegende Teil der Analysten. Die meisten Branchenexperten im dpa-AFX Analyser empfehlen die Papiere aktuell zum Kauf. Ein paar Skeptiker gibt es aber, weshalb die Kursziele von 62 Euro bis 106 Euro reichen. Im schlimmsten Fall halten die Analysten also einen Rückschlag um rund 40 Prozent für möglich.
Noch etwas Spielraum nach oben sieht Analyst Igor Kim von der Investmentbank Oddo BHF, der sein Kursziel Mitte Juni von 93 auf 106 Euro anhob. Auch er sieht den starken Kursanstieg als Spiegelbild der Fortschritte in der Wirkstoffentwicklung, hält aber das Aufwärtspotenzial noch nicht für ausgereizt. Kim weist zudem auf einen laufenden Patentstreit mit den Unternehmen Genmab und Janssen hin, dem seiner Einschätzung nach Kompensationszahlungen zugunsten Morphosys folgen dürften. Die Patentklage gegen Genmab und den eigenen Guselkumab-Partner Janssen hatte Morphosys in Zusammenhang mit einem anderen Antikörper eingereicht.
Analyst Keyur Parekh von Goldman Sachs hält sich bei den Morphosys-Papieren hingegen lieber an der Seitenlinie auf. Für ihn ist die Zukunft für Morphosys noch nicht eindeutig geklärt. Er verweist auf das mögliche positive wie auch negative Überraschungspotenzial wichtiger Medikamentenkandidaten - und dass mit ersten Gewinnen wohl erst ab 2021 oder 2022 zu rechnen sei./tav/ajx/jha/