Der deutsche Biotechpionier Morphosys steht vor einem spannenden Jahr mit kurstreibenden Nachrichten. Die Zulassung des ersten eigenen Medikaments ist in Reichweite. Zudem sind weitere Ergebnisse aus der eigenen Entwicklungspipeline zu erwarten. Allerdings wird Firmengründer Simon Moroney seinen 2020 auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern.
Im Geschäftsjahr 2018 hat Morphosys die Erwartungen erfüllt. Während sich der Umsatz um 14 Prozent auf 76,4 Millionen Euro verbesserte, verringerte sich der operative Verlust von 67,6 auf 59,1 Millionen Euro. Wegen der steigenden Investitionen soll sich dieser Betrag 2019 aber auf 127 bis 137 Millionen Euro erhöhen. Auf der Umsatzseite geht Finanzchef Jens Holstein davon aus, dass sich die Einnahmen auf 43 bis 50 Millionen Euro verringern werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass 2018 eine einmalige Zahlung von Novartis in Höhe von 47,5 Millionen verbucht wurde.

Geht alles glatt, wird Morphosys nun den lange angekündigten Wandel zu einem "voll integrierten biopharmazeutischen Unternehmen" vollziehen, erklärt Firmenchef Moroney im Interview.
In der Praxis heißt das: Die Einnahmen aus Forschungspartnerschaften sinken - im Gegenzug steigen die Erlöse mit selbst entwickelten Produkten. Zum Beispiel mit Tremfya. Partner Janssen hat den Antikörper auslizenziert und als Mittel gegen Schuppenflechte auf den Markt gebracht.
Für Morphosys bedeutet das Umsatzbeteiligungen im mittleren einstelligen Prozentbereich: 15,4 Millionen Euro waren es 2018, und für das laufende Jahr kalkuliert die Gesellschaft mit 23 bis 30 Millionen Euro.

Der Fokus für 2019 liegt jedoch auf MOR208. Derzeit testet das Unternehmen mit Sitz in Planegg bei München den Antikörper in zwei zulassungsrelevanten klinischen Studien als Therapie gegen diffuses großzelliges B-Zell­Lymphom. Die endgültigen Ergebnisse der ersten Studie sollen zur Jahresmitte vorliegen. Geht alles glatt, will Morphosys bis Ende 2019 den Zulassungsantrag für die USA einreichen und dort auch selbst vermarkten. Momentan wird das Vertriebsteam aufgebaut. Neben dem Hoffnungsträger MOR208 stehen auch andere Produkte vor wichtigen Etappen. Startet GlaxoSmithKline bei MOR103 die klinische Phase III, kassiert Morphosys eine Meilensteinzahlung im höheren Millionenbereich. Klar ist aber auch, dass Morphosys mit dem Abgang des Firmengründers zum heißen Übernahmeobjekt wird. Aber auch ohne den Preisaufschlag im Fall einer Akquisition hat die Aktie auf dem aktuellen Niveau reichlich Luft nach oben.



Auf Seite 2: Interview mit Morphosys-Gründer Simon Moroney





Wird 2019 der große Durchbruch kommen, Herr Moroney?



Eine breite Pipeline und das erste eigene Produkt vor der Zulassung: Morphosys-Gründer Simon Moroney erläutert die Ziele in seinem möglicherweise letzten Jahr als Firmenchef.

BÖRSE ONLINE: Wird 2019 der große Durchbruch kommen?


Simon Moroney:

Auf der Umsatzseite ganz bestimmt. Wir wollen unsere Einnahmen in Zukunft vor allem über eigene Produkte erzielen, sei es aus Umsatzbeteiligungen wie seit 2017 mit Tremfya oder mit eigenen Produkten wie MOR208, wo wir uns die US-Zulassung Mitte 2020 erhoffen. Das ist etwas völlig Neues, denn in der Vergangenheit stammten die Erlöse aus Kooperationen mit Pharmafirmen.

Wie wollen Sie MOR208 positionieren?



Wir testen den Antikörper bei älteren Patienten, die nicht mehr mit hoch dosierter Chemotherapie und Stammzelltransplantationen behandelt werden können. Aktuell gibt es keine zugelassenen Behandlungsoptionen für diese Zielgruppe, die allein in den USA jährlich etwa 8500 Patienten umfasst.

MOR202 ist ein weiterer Kandidat gegen Blutkrebs, den ihr Partner I-Mab für den chinesischen Markt entwickelt. Welche Schritte verfolgen Sie selbst mit dem Produkt?


Wir müssen die Wirksamkeit in einer anderen Indikation als Multiplem Myelom noch beweisen, sehen aber große Chancen, diesen Wirkstoff bei einer Autoimmunerkrankung für die westlichen Märkte zu entwickeln. Um welche Nischenindikation es sich dabei handelt, werden wir wohl im dritten Quartal kommunizieren.

Die Krebstherapien von Morphosys bekommen immer mehr Konkurrenz von neuen Ansätzen wie zellbasierten Gentherapien. Wie wollen Sie sich behaupten?


Wir entwickeln verschiedene antikörperbasierte Formate wie bispezifische Antikörper, deren Wirksamkeit sich sehr gut in Kombination mit anderen Therapien entfaltet.


Bei den Einnahmen aus Lizenzdeals sind mit Ausnahme von Tremfya bislang keine größeren Mittelzuflüsse in Sicht. Ist das nicht enttäuschend?


Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass solche Zahlungen von unterschiedlich langen Entwicklungszyklen abhängen. Da braucht es eine Menge Geduld. Bei Guselkumab/Tremfya dauerte es zwölf Jahre.

Sie scheiden bis zum Sommer 2020 aus - warum gerade jetzt?


Ich bin seit 27 Jahren dabei, und das Unternehmen ist jetzt im bestmöglichen Zustand, um auch ohne mein Zutun weiterzuwachsen. Jedenfalls werde ich der europäischen Biotechindustrie in irgendeiner Form erhalten bleiben.