Während viele Unternehmen unter der Konjunktur leiden und Gewinnwarnungen liefern, brummt bei MTU das Geschäft. Basis des Erfolgs ist eine starke Marktpositionierung: Im Bereich der Triebwerkinstandhaltung ist die Firme der weltgrößte unabhängige Anbieter, was zu einer hohen Visibilität der Mittelrückflüsse aus dem Wartungsgeschäft führt. Als Hersteller militärischer und ziviler Flugzeugtriebwerke sind ein enormes Know-How und hohe Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig, die Null-Toleranz für Fehler stellt eine nicht zu unterschätzende Markteintrittsbarriere dar. Die starke Kursperformance von etwa 50 Prozent seit dem Jahreswechsel wird auch durch die operative Entwicklung untermauert.
Zwar lag der Umsatz im zweiten Quartal aufgrund von Basiseffekten etwas tiefer, im ersten Halbjahr legten die Erlöse aber dank des starkes Jahresstarts um vier Prozent auf 2,24 Mrd. Euro zu. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) kletterte im abgelaufenen Quartal um elf Prozent auf 178 Mio. Euro zu. Und auch der Blick in die Zukunft könnte kaum besser sein: Ende Juni erreichte der Auftragsbestand einen neuen Rekordwert von 18,5 Mrd. Euro. Dies entspricht einer rechnerischen Produktionsauslastung von etwa 3,5 Jahren. Dazu kommen noch Aufträge im Volumen von 1,3 Mrd. Dollar, die im Rahmen der Paris Air Show akquiriert wurden.
Bewertung ausgereizt? Für das Gesamtjahr rechnet der Boeing- und Airbus-Zulieferer aus München mit einer bereinigten operativen Umsatzrendite von 16 statt bisher 15,5 Prozent. Angetrieben wird die Marge durch einen lukrativen Produktmix und gute Wartungsgeschäfte am Standort in China. Doch gerade im hochprofitablen Ersatzteilegeschäft schwächte sich zuletzt der Wachstumstrend ein wenig ab. MTU sieht den Grund bisher in der normalen Fluktuation. Allerdings könnte sich hier auch der Abwärtstrend in der Luftfracht widerspiegeln und damit eine mögliche Trendwende.
Und auch aus Bewertungssicht ist die Aktie inzwischen hoch geflogen. Seit März sind die 2020er-Gewinnschätzungen der Analysten deutlich von 10,99 auf 11,25 Euro gestiegen, ähnlich sieht die Entwicklung für 2019 und 2021 aus. Die Bewertung mit einem 2020er-KGV von 20 und einem KUV von 2,8 bei 1,4 Prozent Dividendenrendite lässt beim defensiven Wachstumswert nicht mehr viel Fantasie aufkommen. Dazu kommen zwei weitere Faktoren.
DAX-Aufstieg kein Segen Berechnungen des Börsenmagazins Index Radar zeigen, dass DAX-Neulinge drei und sechs Monate nach dem Indexwechsel meist tiefer notierten. Von den sieben Werten, die seit 2010 in den DAX aufgerückt sind, notierten nach 60 Tagen fünf Titel tiefer, im Durchschnitt büßte der Kurs um zehn Prozent ein. Noch negativer fällt das Ergebnis im mittelfristigen Bereich über sechs Monate aus.
Und auch von charttechnischer Seite ist das Chance-Risiko-Verhältnis nicht attraktiv. Übergeordnet und somit langfristig bestimmt zwar ein intakter Aufwärtskanal die Richtung. Zuletzt notierte MTU aber im nördlichen Bereich der Range und zeigt derzeit eine Konsolidierung. In den vergangenen Jahren kam es nach jedem Test der Oberseite zu einer Rückkehr bis mindestens an die 200-Tage-Linie (violett). Der viel beachtete Durchschnitt stellt somit im Bereich der Wendezone um 210 Euro das nächste Kursziel dar. Hier eröffnet sich dann wieder eine gute Gelegenheit zum Einstieg - auch die Bewertung wäre dann attraktiver.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de