Die Munich Re-Tochter Ergo erwartet in diesem Jahr einen Gewinnrückgang. Am Donnerstag kündigte Vorstandschef Torsten Oletzky auf der Bilanzpressekonferenz in Düsseldorf an, Ergo werde im Geschäftsjahr 2015 wohl ein Ergebnis von 400 bis 500 Millionen Euro erzielen. Das wäre deutlich weniger als im Vorjahr, als der zweitgrößte deutsche Erstversicherer 620 Millionen Euro erwirtschaftete und damit die Prognose von 350 bis 450 Millionen Euro deutlich übertraf. 2014 profitierte Ergo zwar stark von Zinsabsicherungsgeschäften und Steuerrückzahlungen, allerdings, so Oletzky, hätte Ergo das Ergebnisziel auch ohne die Sondereffekte erreicht. In der Bilanz der des Mutterkonzernsblieben davon wegen interner Verrechnungen zwischen Erst- und Rückversicherern 169 Millionen Euro Gewinn hängen.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnten Fortschritte im Auslandsgeschäft die Probleme in der deutschen Lebensversicherung ausbügeln. Ergo leidet vor allem unter den anhaltend niedrigen Zinsen für sichere Kapitalanlagen. In den vergangenen Jahren hat das Tochterunternehmen der Munich Re die laufende Verzinsung auf klassische Leben- und Renten stärker gesenkt als die Konkurrenz. "Das hat uns natürlich keinen Rückenwind gebracht", sagte Vorstandschef Oletzky. Trotzdem sei die Entscheidung aus ökonomischer Sicht richtig gewesen. Finanzchef Christoph Jurecka stellte klar, dass organisch in der Lebensversicherung "derzeit kein Geld mehr zu verdienen" sei. Die verschärften Eigenkapitalanforderungen ("Solvency II"), die 2016 eingeführt werden sollen, dürften die Sparte vor weitere Herausforderungen stellen. Neben der deutschen Lebensversicherung dürften die Prämien laut Oletzky auch im deutschen Schaden- und Unfallgeschäft sinken. Demnach dürften diese 2015 bei 18 Milliarden Euro liegen und damit 200 Millionen Euro unter dem Vorjahreswert.
Anleger nahmen die Neuigkeiten verschnupft auf. Die Munich Re-Aktie lag am Donnerstag nach Börsenschluss 0,1 Prozent im Plus und gehörte damit zu den schwächen Dax-Werten. Der Leitindex dagegen stieg um 1,1 Prozent.
Auf Seite 2: Wie Analysten die Lage einschätzen
Wie Analysten die Lage einschätzen
Momentan lässt sich noch nicht genau feststellen, wie Analysten die Ergo-Zahlen einordnen. Laut Bloomberg hat sich bislang nur ein Experte geäußert. Nach Einschätzung von Dieter Hein von AlphaValue sollten Anleger ihren Bestand an Munich Re-Aktie reduzieren. Das Kursziel beziffert er auf 214,00 Euro. Damit wäre das Potenzial des Dax-Papiers nahezu erschöpft, denn der Titel notiert bereits bei 202,25 Euro.
Eine Einzelmeinung ist natürlich nicht repräsentativ, allerdings spiegelt sie in diesem Falle das Gesamtbild recht gut wieder. Aus allen Einschätzungen, die Analysten in den vergangenen 12 Monaten zur Munich Re-Aktie abgegeben haben, ergibt sich bei Bloomberg ein Konsensrating von 2,61. Damit gilt der Anteilsschein als "schwacher Sell". Von den 38 Branchenkennern stimmten vier für "Buy", 21 für "Hold" und 13 für "Sell". Das bedeutet, dass knapp mehr als die Hälfte der Experten für "Halten" plädierte und rund ein Drittel für "Verkaufen".
Ein genauer Blick in die Bloomberg-Datenbank zeigt allerdings, dass sich das allgemeine Stimmungsbild der Analysten zur Munich Re-Aktie in den vergangenen Monaten nochmals eingetrübt hat. Seit Dezember hat die Zahl der Kaufempfehlungen abgenommen, während die Zahl der Verkaufsempfehlungen zugenommen hat. Durch diesen Trend könnte sich das Konsensrating weiter verschlechtern.
Auf Seite 3: Wie sich die Aktie entwickelt hat
Wie sich die Aktie entwickelt hat
Entgegen der Erwartungen vieler Analysten ist die Munich Re-Aktie in den vergangenen Monaten aber dennoch gestiegen - ausgerechnet in dem Zeitraum, in dem die Skepsis der Experten gewachsen ist. Im November 2014 kostete ein Anteilsschein noch 155 Euro, nun ist er mehr als 200 Euro wert - ein Zuwachs von fast 30 Prozent.
Seit Jahresanfang hat das Papier rund 22,1 Prozent zugelegt und damit nur ein Prozent weniger als der Dax. Im Vergleich mit den anderen 29 Indexmitgliedern liegt der Titel im unteren Mittelfeld. Etwas besser sieht die Entwicklung seit dem Start des EZB-Anleihekaufprogramms im März aus, womit Europas Notenbank die Märkte beflügelt hat. Hier kommt die Munich Re-Aktie auf ein Plus von 27,5 Prozent, der Dax dagegen nur 24,5 Prozent. Im Vergleich mit den anderen 29 Indexmitgliedern liegt der Titel diesmal auf Platz 14.
Die oben beschriebene Entwicklung ist auch einigen Analysten nicht entgangen. So schrieb beispielsweise Stefan Bongardt von Independent Research in einer Studie von Anfang April, die Aktie sei entgegen seiner Erwartung in den vergangenen Handelswochen deutlich gestiegen. Das operative Umfeld sei wegen der Wettbewerbsintensität und niedriger Zinsen zwar weiter schwierig, doch im derzeitigen Aktienmarktumfeld dürften Unternehmen mit einer attraktiven Dividendenpolitik im Fokus der Anleger bleiben. Zudem stützen Aktienrückkäufe den Kurs, so Bongardt.
Auf Seite 4: Was Anleger tun sollten
Was Anleger tun sollten
Der Anteil der Ergo-Gruppe am Umsatz des Munich Re-Konzerns lag 2014 bei 33 Prozent. Daher spielt die Unternehmenstochter eine beträchtliche Rolle im Geschäft des Rückversicherers. Laut Vorstandschef Oletzky dürfte Ergo 2015 ein Ergebnis von 400 bis 500 Millionen Euro erzielen. Im März war das Ergebnis noch auf "rund 500 Millionen" Euro beziffert worden. Diese Korrektur nach unten dürfte der Grund für die Enttäuschung der Anleger am Donnerstag sein. Das ist verständlich. Andererseits sind die Probleme in dem Geschäftsfeld schon lange bekannt. Von daher sollte die neue Prognose weder über- noch unterbewertet werden.
Grundsätzlich bleiben wir bei unserer Kaufempfehlung vom März, wenn gleich die Herausforderungen für die Munich Re wachsen - nicht nur im Ergo-Geschäft, sondern auch im Rückversicherungsmarkt und in der Vermögensverwaltung. Wer mit diesen steigenden Risiken leben kann, bekommt eine Aktie, die zwar keine großen Kurssprünge verspricht, die aber mit einer nach wie vor moderaten Bewertung und einer üppigen Dividendenrendite aufwarten kann. Das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2016 liegt derzeit bei 12,2. Für das Geschäftsjahr 2014 erhalten Anleger eine Dividendenrendite von 4,7 Prozent. Zudem wird der Aktienkurs von einem neuen Aktienrückkaufprogramm gestützt, das von Ende April 2015 bis Ende April 2016 laufen wird. Der Konzern hat angekündigt, Papiere im Wert von bis zu einer Milliarde Euro zu kaufen.
Wir erhöhen unser Kursziel leicht - von 215 auf 220 Euro. Dort liegt ein uralter Widerstand aus dem Jahre 2001. Falls dieser nach oben durchbrochen werden sollten, wäre eventuell der Weg auf die 300-Euro-Marke frei.
Mit einem Kursziel von 220 Euro ist das Kurspotenzial der Aktie natürlich äußerst begrenzt. Es kann dennoch nicht schaden, sich das Papier ins Depot zu legen. In der Vergangenheit hat sich der Titel als solider Wert mit konstant hohen Ausschüttungen erwiesen. Immer eine gute Beimischung.
Stoppkurs: 142,00 Euro
Kursziel: 220,00 Euro