Joachim Wenning, seit 2017 Chef des weltweit größten Rückversicherungskonzerns Munich Re, über die Strategie und die geplante Expansion des DAX-Konzerns
von Stephan Bauer und Klaus Schachinger
Kunst wird großgeschrieben bei der Munich Re. Vor dem Gebäude des weltgrößten Rückversicherers in der Münchner Leopoldstraße zieht der "Walking Man" die Blicke auf sich, eine 17 Meter hohe Skulptur des US-Künstlers Jonathan Borofsky. Im Innern der Zentrale entdecken Besucher an beinahe jeder Ecke Kunst, vom Gemälde bis zur Licht-oder Spiegelinstallation. Vorstandschef Joachim Wenning empfängt im "Welt-Raum" zum Gespräch, die Wände schmücken Bilder des zeitgenössischen Münchner Malers Florian Süßmayr. Der Konzern erwirbt seit vielen Jahren Kunstwerke auch als Kapitalanlage. Von Kontinuität und Kunst im Sinne von Können ist auch die operative Arbeit beim DAX-Unternehmen geprägt. Vorstandschef Wenning hat seit seinem Amtsantritt im April 2017 aus der einst defizitären Erstversicherungstochter Ergo eine sprudelnde Gewinnquelle geformt. Und er arbeitet weiter daran, die Munich Re breiter und damit stärker aufzustellen. Anlegern hat das Team um den Vorstand exzellente Renditen beschert: Die Gesamtperformance der Aktie, die Kursentwicklung plus Dividende, lag in den vergangenen fünf Jahren bei 113 Prozent, das sind gut 16 Prozent pro Jahr. Der DAX lieferte im gleichen Zeitraum rund fünf Prozent. Im äußerst schwierigen Börsenjahr 2022 mehrte die Aktie von Munich Re das Vermögen ihrer Aktionäre um über 22 Prozent.
Die üppigen Renditen und der unternehmerische Weitblick, den Wenning und seine Mannschaft an den Tag legen, überzeugten die Leser von €uro am Sonntag, des Schwesterblatts BÖRSE ONLINE und des Monatsmagazins €uro, den Chef von Munich Re mit großer Mehrheit zum "Unternehmer des Jahres 2023" zu wählen.
Herr Wenning, Munich Re hat Aktionären zuletzt außergewöhnlich viel Rendite gebracht. Was war der Schlüssel dafür?
JOACHIM WENNING: Erst mal freue ich mich, dass wir geehrt werden. Ich sage bewusst wir, ich sehe das als eine Auszeichnung für das gesamte Unternehmen und nicht für mich allein. Das haben wir über einen Transformationsprozess und die Sanierung der Erstversicherungstochter Ergo, den Ausbau der Spezialversicherungen sowie qualitativ hochwertiges Wachstum in der Lebensrückversicherung sowie Schaden-Unfall-Rückversicherung erreicht.
Die Tochter Ergo hat zuletzt ihre Gewinnziele übertroffen. Sie sind hier nach der Sanierung am Ziel?
Die Sanierung ist abgeschlossen. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung unseres Erstversicherungsgeschäfts in den vergangenen Jahren. Ergo ist inzwischen ein Gewinntreiber für den Konzern. Die stabilen Erträge und der steigende Ergebnisbeitrag von Ergo werden dafür sorgen, dass unser Konzernergebnis insgesamt weniger schwankungsanfällig wird. Die Marke Ergo glänzt wieder.
Sie deuteten an, dass Sie in der Erstversicherung gern zukaufen würden. Was und wie groß soll es denn werden?
Wir wollen Bestände oder Unternehmen in der Erstversicherung erwerben, um Skaleneffekte zu nutzen und in einigen Fällen auch, um die Marktabdeckung zu erhöhen. Das gilt sowohl für Ergo als auch für die Spezialversicherungen.
Geht es hierbei um ein-oder um zweistellige Milliardenbeträge?
Im einstelligen Milliardenbereich können wir jederzeit aktiv werden. Im zweistelligen Bereich sind Zukäufe unwahrscheinlich. Wir könnten es uns zwar leisten, aber die Chance, ein passendes Unternehmen zu bekommen, ist in dieser Größenordnung gering. Wir können in jedem Markt, in dem wir aktiv sind, zukaufen. In der Rückversicherung ist das allerdings unrealistisch.
Warum?
Weil Kunden eines übernommenen Rückversicherers meistens auch unsere Kunden sind und sie nach einer Übernahme einen größeren Teil ihrer Rückversicherungen bei uns hätten. Versicherer wollen ihre Risiken jedoch streuen. Also würden wir mit einem Zukauf Geschäft verlieren.
Wir haben in nur drei Jahren eine globale Epidemie, den Ausbruch des Ukraine-Kriegs und eine schwere Erdbeben-Katastrophe in der Türkei gesehen. Löst solch eine Häufung von Katastrophen eine stärkere Nachfrage nach Versicherungsschutz und damit nach Rückversicherungen aus?
Ja und Nein. Nehmen Sie das Beispiel Naturkatastrophen: Weltweit gibt es hier -trotz steigender Schäden -immer noch eine recht große Versicherungslücke. Die größte Versicherungsdichte gibt es in den USA, die niedrigste im globalen Süden, weil dort die Kaufkraft niedrig ist. Doch auch in China, wo man an es sich eigentlich leisten könnte, ist die Dichte marginal. Da springt bei Ausbruch einer Naturkatastrophe der Staat ein.
Und steigt die Nachfrage nach Assekuranzen mit solchen Ereignissen?
Sie wird in der Regel nicht sehr stark tangiert. Trotzdem beobachten wir regional und lokal immer wieder direkte Reaktionen auf Schäden, etwa im Nachgang zur Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, die die Debatte um Elementarversicherungen angetrieben hat. Hier ist die Versicherungsabdeckung spürbar gestiegen, was sehr begrüßenswert ist, weil eine solche Risikoteilung ökonomisch sehr effizient sein kann.
"Dass Versicherer Inflationsgewinner wären, ist eine Illusion"
Noch sind hierzulande längst nicht alle Immobilienbesitzer gegen Schäden wie bei der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal versichert. Wie kann man das lösen?
Dort, wo es sich die Menschen leisten können, aber es sich nicht leisten wollen, müssen sie aus Schaden klug werden. Hier ist Konsequenz gefragt, um unsolidarisches Verhalten zu verhindern. Oder es wird eine Pflicht eingeführt, weil der Staat nicht immer eintreten kann, wenn Schäden ungedeckt sind. Schließlich gibt es die Möglichkeit des Opting-out, das heißt, eine Elementarversicherung wird etwa standardmäßig in die Gebäudeversicherung mit aufgenommen und der Kunde muss explizit sein Häkchen setzen, wenn er das nicht haben will.
Gegenwärtig wird in Deutschland eine Pflicht zur Elementarversicherung von Wohngebäuden von der Politik intensiv diskutiert. Wir nehmen an, Sie würden das unterstützen?
Ich würde ein Opting-out klar bevorzugen und ich glaube auf diesem Weg ist die Branche. Es würde zu einer wesentlich höheren Abdeckung im Falle von Katastrophen wie der im Ahrtal führen. De facto wird es keine hundertprozentige Versicherungsabdeckung geben, aber vielleicht 90 Prozent, also wesentlich besser als jetzt.
Wie wirkt sich die hohe Inflation auf Ihre Geschäfte aus. Ist sie womöglich ein Treiber der Nachfrage, weil Kunden wissen, dass die Schäden in der Höhe steigen -profitieren Sie davon?
Dass Versicherer Inflationsgewinner wären, ist eine Illusion. Im besten Fall bekommen sie als Risikoträger inflationsbereinigt die gleiche Marge wie vorher. Die Inflation ist vielmehr eine Belastung für den Versicherer, weil die Wiederherstellungskosten im Schadenfall deutlich steigen. Wir haben für uns berechnet, wie viel höher die erwarteten Schäden unseres in Zeiten niedrigerer Inf lation gezeichneten Versicherungsbestandes ausfallen. In Summe über alle Zeichnungsjahre und alle Sparten sind es Mehrkosten von etwa 1,3 Milliarden Euro.
Bei der jüngsten Verhandlungsrunde mit Erstversicherern Anfang des Jahres haben Sie 2,3 Prozent Prämiensteigerungen erzielt. Die Reaktion der Börse hierauf war aber eher verhalten.
Spiegelt sich die Inflation aus Ihrer Sicht ausreichend in der Entwicklung Ihrer Prämien wider?
Höhere Preise durchzusetzen, ist immer schwierig. Der Markt hat auch erst mit ein wenig Verzögerung verstanden, dass die 2,3 Prozent Prämienerhöhung eine gute Nachricht sind. Denn sie sind für uns gleichbedeutend mit einer Margenerhöhung. Wir versprechen deswegen ja auch eine Steigerung des Konzernergebnisses auf vier Milliarden Euro in diesem Jahr. Das macht nicht jeder Wettbewerber, der an dieser Stelle vielleicht höhere Prämiensteigerungen gemeldet hat.
"Die höhere Nachfrage bei Versicherungen trifft erstmals seit vielen Jahren auf ein verknapptes Angebot"
Rechnen Sie bei den anstehenden Erneuerungsrunden im laufenden Jahr mit stärker ansteigenden Prämien?
Es stehen Vertragserneuerungen vor allem in Asien und später mit Fokus auf die USA an, unserem wichtigsten Markt. In beiden Märkten spielt das Geschäft mit Naturkatastrophen eine große Rolle. Hier sind die Ratenerhöhungen schon im Januar sehr deutlich gewesen, viel deutlicher, als es die 2,3 Prozent vermuten lassen. Für die nächsten Runden dürfen Sie von einem höheren Prämienanstieg ausgehen.
Liegt es auch am wachsenden Bewusstsein, dass der Klimawandel immer stärker spürbar wird und die Schadenhöhen steigen, dass die Nachfrage und die Prämien im Bereich Naturkatastrophen anziehen?
Der Klimawandel war bereits in den vergangenen Jahren präsent, die Wissenschaft hat ihn schon sehr früh konstatiert. Dass die Prämien steigen, liegt an der höheren Nachfrage. Und das liegt an den höheren Vermögenswerten, die versichert werden müssen. Die Inflation hat diese Vermögenswerte natürlich auch noch mal nach oben getrieben. Hinzu kommt, dass die höhere Nachfrage erstmals seit vielen Jahren auf ein verknapptes Angebot trifft.
Also treibt die Inflation die Nachfrage?
Wenn Sie so wollen, ja.
Doch warum wird das Angebot knapper - und wieso steigen manche Anbieter ganz aus der Rückversicherung aus?
Wir sind im Rückversicherungsmarkt die Einzigen, die Kapazitäten nicht reduziert haben. Wir können es uns leisten und wir sehen keinen Grund, Kapazitäten zu reduzieren, weil die Verdienstmöglichkeiten etwa in Märkten wie Florida unverändert gegeben sind. Unsere globale Risikomodellierung funktioniert und die Kunden können auf unsere Stabilität bauen.
"Es braucht nicht nur viel Kapital, damit genug Geld da ist, wenn es kracht"
Dann spielen Sie hier als Marktführer auch Ihre Größe aus?
Es braucht nicht nur viel Kapital, damit genug Geld da ist, wenn es kracht. Wir versprechen unseren Aktionären, dass uns auch große Schäden nicht aus der Spur bringen. Das gelingt uns dank Diversifikation. Unser Geschäft steht auf drei Säulen: Der Erstversicherer Ergo liefert inzwischen starke Ergebnisse. Wir haben ertragreiches Wachstum in der Lebensrückversicherung und wir setzen zunehmend auf das Segment Spezialversicherungen. Das zusammen macht unsere Rückversicherung kapazitätsstark und gleicht die hier üblichen Ertragsschwankungen aus.
Der Umsatzanteil der Spezialversicherungen von Munich Re soll künftig, wie auch der der Lebensversicherungstochter Ergo, deutlich steigen. Was macht dieses Geschäft attraktiv?
Die Größe des Marktes und das Spezialwissen, das in seinen Nischen erforderlich ist. Die Größe bietet uns Chancen, in den Markt hineinzuwachsen, ohne verdrängt zu werden. Mit notwendigem Spezialwissen fühlen wir uns immer zu Hause.
Wie profitabel ist das Geschäft etwa im Vergleich zum Erstversicherer Ergo?
Die Zyklizität ist größer. In harten Märkten, wenn die Preise steigen, sind die Margen höher, wenn die Preise sinken und die Konditionen restriktiver sind, sind auch die Margen niedrig. Im Vergleich zur Lebens-und Krankenversicherung bei Ergo schwankt die Profitabilität stärker, über einen Zyklus sind sie jedoch ähnlich.
"Krieg ist ein sogenanntes Kumul- Ereignis, das die Tragfähigkeit von Versicherern überfordern würde"
Sie beschäftigen viele Experten, die die Wahrscheinlichkeiten des Eintritts von Katastrophen abschätzen. Lässt sich auch die Gefahr einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs einordnen?
Können wir berechnen, wie wahrscheinlich eine gewisse Ausprägung eines Kriegsgeschehens ist? Nein, das können wir nicht. Wir überlegen aber, was passieren könnte, wenn der Konflikt weiter eskaliert. Und wir fragen uns, wie unser Unternehmen betroffen wäre und ob wir unsere Risikoexponierung beeinflussen können.
Wie lautet die Antwort?
Eine Eskalation des Kriegs würde Angst an den Kapitalmärkten schüren -und damit vor allem unser Investmentgeschäft treffen. Ein solcher Kapitalmarktschock hätte Auswirkungen auf alle Anlageformen. Das haben wir sowohl beim Ausbruch der Pandemie erlebt als auch zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Wertverluste und Abschreibungen bei all unseren Kapitalanlagen wären die Folge, da gäbe es keine Ausnahmen.
Wie sähe es in Ihrem Rückversicherungsgeschäft aus?
Das wäre so gut wie gar nicht betroffen, weil Kriegsrisiken ausgeschlossen sind.
Warum ist das so?
Ein Krieg löst überall Schäden aus, denken Sie an zerstörte Infrastruktur wie Brücken, Flughäfen und Fabrikanlagen, aber auch die vielen Betriebsunterbrechungen. Es ist ein sogenanntes Kumul- Ereignis, das die Tragfähigkeit von Versicherern überfordern würde. Es gibt aber kleine Nischen, in denen Kriegsrisiken explizit gedeckt sind, etwa bei Fluggesellschaften.
"Wir haben diese breite Diversifikation aus einem Grund: Wir möchten verhindern, dass uns ein Ereignis am Kapitalmarkt unverhältnismäßig schwächen kann. Deswegen gehen wir auch keine großen Wetten ein"
Ist die stark wachsende Cyberkriminalität ein Treiber für Ihr Geschäft?
Die Digitalisierung unserer Wirtschaft eröffnet Geschäftsmodelle, aber leider auch Einfallstore für Kriminelle. Vom ganzen Spektrum denkbarer Cyberrisiken ist bislang nur der deutlich kleinste Teil überhaupt versichert. Hackerangriffe bergen zwei erhebliche systemische Risiken: Der Cyberkrieg etwa ist so wenig versicherbar wie der reale Krieg. Dass Cyberkrieg stattfindet und zunehmend professioneller geführt wird, ist nicht neu. Das zweite nicht versicherbare systemische Risiko sind Angriffe auf kritische Infrastrukturen von Ländern und Volkswirtschaften. Wenn das Internet oder das Energienetz lahmgelegt würden, dann drohten mit nur einem Angriff viele Betriebsunterbrechungen zur gleichen Zeit und damit enorme Versicherungsschäden.
Ist das dann überhaupt ein Geschäft?
Ja, denn wir bewerten Risiken, selektieren sie und bieten relevante Lösungen an, die unserem Risikoappetit entsprechen. Hierin sehen wir ein großes Geschäftspotenzial für unsere Branche. Aus Sicht unserer Kunden sind Versicherungslösungen wesentlicher Teil ihres Risikomanagements. Wir (rück-)versichern etwa typische Cyberrisiken von Privatleuten oder von kleinen und mittleren Unternehmen mit großem Erfolg.
In der jüngsten Bankenkrise bekamen amerikanische Kreditinstitute existenzbedrohende Probleme wegen des zinsbedingten Wertverlusts von Anleihen. Sie schichten bei Ihren festverzinslichen Anlagen verstärkt in höherverzinste um und nehmen dabei auch Veräußerungsverluste in Kauf. Müssen Sie das tun?
In geringfügigem Umfang tun wir das. Unser Portfolio ist in allen Anlageklassen zwischen Währungen und Regionen diversifiziert. Wir haben diese breite Diversifikation aus einem Grund: Wir möchten verhindern, dass uns ein Ereignis am Kapitalmarkt unverhältnismäßig schwächen kann. Deswegen gehen wir auch keine großen Wetten ein. Wir könnten uns ja schließlich auch irren. Der Einf luss einzelner makroökonomischer Variablen, auch der Zinsänderungen, auf unsere Anlagestrategie ist deshalb überschaubar.
Auch auf der Kapitalanlageseite müssen Sie mit der Inflation zurechtkommen. Wie gelingt das?
Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wenn die Inflation steigt und infolgedessen die Zinsen, dann hat das einen ausgleichenden Effekt.
Bei der Eigenkapitalrendite in der Kapitalanlage hat Munich Re 2022 rund 2,2 Prozent erreicht, bei der Neuanlage wegen der gestiegenen Zinsen drei Prozent. Zeigt der Trend wegen der steigenden Leitzinsen weiter nach oben?
Sukzessive ja. Die erwartete Kapitalrendite wird ansteigen, aber langsamer als der Wiederanlagezins.
"Unsere Dividendenpolitik ist seit über 50 Jahren stabil. Wir zahlen mindestens die Dividende des Vorjahres und wir haben uns bis 2025 vorgenommen, im Schnitt pro Aktie jährlich mindestens fünf Prozent mehr auszuschütten."
Nutzen Sie die Erkenntnisse Ihrer Experten aus einzelnen Risikoklassen zur Anlageentscheidung, würden Sie beispielsweise auf Käufe von Anleihen oder Aktien aus dem Luftfahrtsektor verzichten, wenn dort das Risiko stiege?
Im Aktienbereich tun wir das, der Anteil unseres Aktienportfolios an den gesamten Anlagen liegt aber nur bei fünf Prozent. Das Gros liegt in Unternehmens-und in Staatsanleihen. Dort sind wir nicht so am operativen Risiko beteiligt, wie es bei Aktien der Fall ist. Hier ergeben sich aber durchaus regionale Schwerpunkte in der Anlage aus den Erkenntnissen unserer Fachabteilungen.
Sie wollen die Dividende pro Aktie jährlich um mindestens fünf Prozent steigern. Ihre Kapitalausstattung ist sehr hoch, die Solvabilitätsquote liegt bei 260 Prozent, deutlich über dem Zielkorridor von 175 bis 220 Prozent. Könnten Sie nicht locker großzügiger sein?
Unsere Dividendenpolitik ist seit über 50 Jahren stabil. Wir zahlen mindestens die Dividende des Vorjahres und wir haben uns bis 2025 vorgenommen, im Schnitt pro Aktie jährlich mindestens fünf Prozent mehr auszuschütten. Das hat Bestand. Es mag Jahre geben, in denen wir uns vielleicht 20 Prozent mehr leisten könnten, aber Vorsicht, wir könnten unser Ergebnisziel auch mal verfehlen. Auch in solchen Jahren gilt unser Dividendenversprechen, ausnahmslos seit über 50 Jahren.
Wäre es denn möglicherweise eine Option, den üppigen Kapitalpuffer beispielsweise durch zusätzliche Aktienrückkäufe zu senken?
In einem harten Versicherungsmarkt wie heute, also bei starker Nachfrage und guten Preisen, werden wir das nicht tun. Stattdessen nutzen wir die hohen Kapitalrücklagen, um mehr Versicherungsgeschäft zu zeichnen beziehungsweise um selbst bei Maximalschäden noch ausreichend kapitalisiert zu sein, um vom anschließenden Marktaufschwung partizipieren zu können. Wenn andere nicht mehr können, wollen wir noch dastehen.
VITA
Joachim Wenning (58) startete sein Berufsleben 1991 bei Munich Re und promovierte als Vertragssachbearbeiter in den 90er-Jahren über die Liberalisierung bei Lebensversicherungen. Der in Jerusalem geborene Wenning kam mit seinen Eltern 1980 aus der Türkei nach Deutschland und lernte in seiner Karriere das Lebensversicherungsgeschäft in Südeuropa, Lateinamerika und im Mittleren Osten kennen. Wenning trat 2017 als Vorstandschef an und ist erst der neunte Chef in der über 140-jährigen Konzerngeschichte des weltgrößten Rückversicherers.
Dividendenstar Munich Re - Die Aktie
Inzwischen 54 Jahre in Folge zahlt Munich Re mindestens die Dividende des Vorjahres – das ist in Europa eine gänzende Ausnahme. Seit Wennings Amtsantritt nach der Hauptversammlung im Jahr 2017 lieferte die Aktie rund 132 Prozent Gesamtrendite, also Kursgewinne zuzüglich Dividenden, der DAX schaffte nur rund 26 Prozent. Die Diversifizierung des Assekuranzgeschäfts mit Ergo und dem Bereich Spezialversicherungen machen den Rückversicherer "wettbewerbsfähiger", sagt Wenning. Beide Bereiche sollen auch durch Zukäufe weiter ausgebaut werden. Wennings Strategie: Eine breite, profitable Diversifizierung in den Assekuranz- Sparten mit unterschiedlichen Risiken verringert Schwankungen der Erträge, auch im Vergleich mit Wettbewerbern. Die Risikostreuung könnte zunehmend wichtiger werden. Wegen der steigenden Risiken etwa durch den Klimawandel haben viele Anbieter im vergangenen Jahr ihr Geschäft in der Rückversicherung von Naturkatastrophen reduziert, einige stiegen ganz aus. Munich Re zeichnete hingegen mehr Geschäft in einem Markt mit steigenden Prämien.
Hohe Kapitalreserven
Der DAX-Konzern verfügt zudem über vergleichsweise üppige Kapitalreserven. Die wichtigste Kennzahl, die Solvabilitätsquote, lag Ende 2022 bei 260 Prozent, deutlich über dem von Munich Re definierten "optimalen Bereich" zwischen 175 und 220 Prozent. Unter die obere Grenze, auf 208 Prozent, rutschte die Kennzahl lediglich im Corona-Jahr 2020. Mit der hohen Solvabilität, also dem hohen Überhang der Eigenmittel gegenüber den Kapitalanforderungen, sowie zugleich geringen Schwankungen der jährlichen Erträge konnte der Konzern sein Dividendenversprechen bislang auch in schwierigen Jahren halten: Bis 2025 sollen Aktionäre gegenüber dem Vorjahr jeweils mindestens fünf Prozent mehr Dividende pro Aktie erhalten. Für 2022 schlägt der Vorstand 11,60 Euro pro Aktie vor. Das sind rund 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei seiner Agenda für 2025 liegt der Assekuranzriese im Plan.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Munich Re.