BOERSE-ONLINE.de: Mytheresa ist bei seinem Börsendebüt an der Wall Street mit mehr als drei Milliarden Dollar bewertet worden. Was rechtfertigt diese hohe Bewertung?
Dr. Martin Beer: Die Investoren setzen auf den Onlinemarkt für Luxusmode, in dem wir uns auch mit Mytheresa bewegen. Dieses Segment wird sich in den nächsten fünf Jahren verdreifachen - das bedeutet ein jährliches Wachstum von mindestens 21 Prozent. Für Investoren ist das ein sehr attraktiver und auch wachstumsorientierter Markt. Mytheresa nimmt hier mit seinen Kunden und der Fokussierung auf die 200 Topmarken eine einzigartige Positionierung ein. Das spiegelt sich beispielsweise in den hohen Wiederkaufsraten und den Auftragswerten wider - der durchschnittliche Paketpreis liegt bei Mytheresa bei etwa 600 Euro.
Auch unsere Profitabilität hat sich in den letzten Jahren sehr stark bewiesen. Wir profitieren also nicht nur vom verstärkten Onlinehandel durch die Corona-Pandemie, sondern wir sind schon in den fünf Jahren zuvor jährlich um rund 25 Prozent gewachsen. Das honorieren die Investoren nun mit einer hohen Bewertung.

Was hat ein Münchener Unternehmen zum Börsengang in den USA bewegt? Wäre da Frankfurt nicht naheliegender gewesen?
Gegen Frankfurt oder Amsterdam hätte natürlich auch nichts gesprochen. Aber da unser Unternehmen sehr international ausgerichtet ist und unsere Pakete in mehr als 133 verschiedene Länder geliefert werden, haben wir uns für die USA entschieden. Außerdem bilden die USA und China die größten Online-Luxury-Märkte der Welt und genau hier wollen wir noch weiterwachsen. Aktuell realisieren wir etwa zehn Prozent unseres Umsatzes in den USA. Von der Notierung in New York versprechen wir uns natürlich eine größere Markenbekanntheit und einen Wachstumsschub.

Erhoffen Sie sich von dem Börsengang auch Partnerschaften am chinesischen Markt, wie sie beispielsweise auch der Luxusmodehändler Farfetch hat?
Wir sind mit einem eigenen Unternehmen in China schon jetzt gut aufgestellt. Beispielsweise erzielen wir im Raum Asien-Pazifik 25 Prozent unserer Umsätze, betreiben unsere Seite seit Jahren auch auf Mandarin, haben die Lizenzen für e-Commerce und Social Media und bieten auch alle gängigen Bezahlmethoden wie Alipay oder WeChat Pay. Es kann aber durchaus sein, dass in diesem Markt Partnerschaften helfen können. Deshalb ist der IPO für uns auch eine Voraussetzung, um mit lokalen Partnern ins Gespräch zu kommen. Unser dortiges Wachstum ist zwar gut, aber der Markt hat auch eine sehr eigene Dynamik, bei der Kooperationen sicherlich einen zusätzlichen Schub geben könnten.

Welche Wachstumsziele verfolgen Sie nach dem Börsengang?
Wir wollen weiterhin kontinuierlich wachsen und streben ein jährliches Plus von 22 bis 25 Prozent an. Dabei wollen wir die Profitabilität weiterhin fest im Blick behalten. Der Fokus unseres Wachstums liegt aber nach wie vor auf der Kundenbasis. Den Umsatz und das Ergebnis sehen wir vielmehr als Ergebnis unseres Tuns. In den letzten zwölf Monaten zählten wir etwa 570.000 aktive Kunden bei Mytheresa, das entspricht einem Wachstum von 28 Prozent. Und diesen Kundenstamm wollen wir weiterentwickeln und ausbauen.

Für Sie hat die Corona-Pandemie keinen Einbruch des Geschäfts bedeutet, Sie haben vielmehr davon profitiert. Weshalb ist das nicht allen Modehändlern mit eigenem Online-Shop gelungen?
Unser Shop war bereits vor der Pandemie sehr erfolgreich und wir verzeichneten in den fünf Geschäftsjahren 2016 bis 2020 ein jährliches Wachstum von rund 25 Prozent. Der zweite Lockdown hat dann zusätzlich seinen Teil beigetragen und so sind wir in den vergangenen drei Monaten 33 Prozent gewachsen. Wir sehen das aber eher als Unterstreichung unseres Geschäftsmodells und unserer Positionierung. Unsere Fokussierung auf den High-End-Bereich mit nur 200 Marken, die Auswahl unserer Waren, exklusive Produkte und die Servicequalität kommen bei unseren Kunden gut an. Dadurch, dass wir einen Kundenkreis bedienen, der sehr wenig Zeit hat, können wir gerade mit einer engen Vorauswahl sehr gut punkten. Der Anteil unserer Umsätze, die mobil generiert werden, liegt bei über 50 Prozent. Hier wird gern davon gesprochen, dass unsere App es ermöglichen würde, in wenigen Sekunden an der roten Ampel einzukaufen.

Mit diesem Fokus auf Luxusmode bewegen Sie sich in einem ganz eigenen Marktsegment. Wie schätzen Sie dieses ein und wo ist Mytheresa hier zu verorten?
Der weltweite Onlinemarkt für Textilien aus dem Luxussegment war im letzten Jahr laut einer Studie der Managementberatung Bain & Company und dem italienischen Luxusgüterverband Fondazione Altagamma rund 35 Milliarden Euro groß. In den nächsten fünf Jahren wird es sich auf etwa 110 Milliarden Euro verdreifachen. Mit einer Umsatzgröße von 450 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr macht Mytheresa weniger als zwei Prozent in diesem Segment aus. Wir sehen darin eine gute Möglichkeit uns weiterzuentwickeln und zu wachsen.