Ein anderes: Der Wunsch nach finanzieller Freiheit und einem angenehmen Leben treibt sie unwillkürlich in den kurz- und mittelfristigen Handel. Doch 90 bis 95 Prozent scheiden irgendwann aus dem Markt aus, weil ihnen das Geld ausgeht.
Unsere Redaktion wollte der Sache auf den Grund gehen und befragte vier deutschlandweit bekannte Trader, die ihr Konto ganz offensichtlich nicht auf null gebracht, sondern das Guthaben kontinuierlich vermehrt haben.
Arbeitsscheu präsentierte sich schon mal keiner aus diesem Quartett. Allein die Vorbereitung ist in der Regel zeitintensiv. Darüber hinaus gibt jeder einzelne sein Wissen in Form von Büchern, Beiträgen in Fachmagazinen, Vorträgen, Seminaren, Live-Trading-Events, Lehrvideos oder persönlichen Coachings weiter. Vier Beispiele mögen nicht repräsentativ sein, doch schon hier stellte sich heraus, dass es den Typus Trader nicht gibt. Es handelt sich um völlig unterschiedliche Charaktere: vom reinen Daytrader bis zum längerfristig orientierten Investor, der lieber mit Wochen- als mit Tagescharts arbeitet.
Doch was zeichnet einen guten Trader aus? Und wie kann man selbst erfolgreich an der Börse handeln? Die Interviews mit Christian Schlegel, Mario Lüddemann, Wieland Arlt und Giovanni Cicivelli versuchen, darauf eine Antwort zu geben. So unterschiedlich Zeitaufwand, Anlagehorizont und Analysemethode auch sein mögen - einig sind sich alle darin, dass sich ohne eine valide Handelsstrategie, die mit eiserner Disziplin durchgehalten wird, kein dauerhafter Erfolg einstellen kann.
Emotionen außen vor zu lassen, eigene Fehler einzugestehen und im Zweifelsfall auch mal die Füße stillzuhalten, sind ebenfalls unabdingbare Eigenschaften. Geduld ist neben Disziplin eine der Grundtugenden. Da Meister bekanntlich nicht vom Himmel fallen, ist das Üben mit kleinen Beträgen Pflicht, bevor man mit größeren Summen einsteigt.
Auf den nachfolgenden vier Seiten lesen Sie, wie die vier Profis den Handel für sich entdeckten und welche Tipps sie für andere Trader bereithalten.
Auf Seite 2: 4 Profis - 4 Interviews
"Das Set-up muss passen"
Christian Schlegel: Der frühere Börsenmakler handelt heute auf eigene Rechnung und coacht angehende Trader. Mittelfristig traut er der Aktie von Lanxess einiges zu.
Christian Schlegel handelt seit über 30 Jahren an der Börse. Er war Makler an der Börse in Frankfurt und Market Maker für Optionen. Heute handelt der 52-Jährige überwiegend für sich selbst, er ist technischer Analyst mit eigenem Youtube-Kanal, mit wöchentlichen Ausblicken und hält Trader-Trainings ab - unter anderem für die Deutsche Börse.
BÖRSE ONLINE: Herr Schlegel, wie sind Sie zur Börse gekommen?
Christian Schlegel
: Im Sommer 1987 hatte ich meine Bankausbildung abgeschlossen und wollte studieren. Einige Tage vor Beginn lernte ich einen Makler kennen, der überwiegend Optionen handelte. Das fand ich spannend und wollte es ein paar Monate ausprobieren. Daraus wurden jetzt 31 Jahre.Wie sehr hat sich der Handel seit den 80er-Jahren verändert?
Enorm. Durch den Einzug der Computer wurde der Handel wesentlich schneller. Technische Indikatoren, die damals niemand kannte, sind heute Grundvoraussetzung. Es gibt völlig andere Möglichkeiten zu investieren. Früher gab es lediglich 500 Optionen, heute sind wir bei mehr als zwei Millionen.
Sie erwähnen technische Indikatoren. Inwieweit ist Ihre Handelsstrategie von der technischen Analyse geprägt?
Ich schätze, 25 Prozent sind fundamentale Analyse und Kennzahlen, aber bestimmt sind 75 Prozent technische Analyse.
Wie gehen Sie genau vor, wie kommen Sie zu einem Trade, einem Investment?
Am Wochenende lasse ich verschiedene Scans durchlaufen. Diesen Scans unterlege ich meine Rahmenbedingungen: die reine Trendtechnik, Trendfolgemodelle und Oszillatoren. Daraus ergibt sich ein Fünfpunkteplan, wonach ich mir die Werte auf meine Watchlist lege. Danach suche ich die passenden Derivate. Manche Ergebnisse können Sie dann auch auf meinem Youtube-Kanal sehen.
Ist denn Ihr Handel tendenziell eher kurzfristig ausgelegt?
Im Prinzip mindestens auf eine Woche, daraus können aber unter den richtigen Voraussetzungen auch mehrere Monate werden.
Wie viel Zeit verbringen Sie unter der Woche an den Märkten?
Gar nicht so viel. Ich denke, so um die vier Stunden pro Tag. Wenn mein Set-up steht, dann unterliegen ihm Einstiegs- und Ausstiegspunkte. Ich will nicht mehr den ganzen Tag vor einem Computer sitzen. Durch verschiedene Programme werde ich immer informiert, wenn etwas passiert, und kann ganz in Ruhe andere Dinge machen.
Viele Privatanleger scheitern und verlieren Geld. Worin liegt ihr Fehler?
Grundvoraussetzungen sind: ein stimmiges Set-up. Dazu bedarf es profunder Kenntnisse. Hinzu kommt die Disziplin, nur nach diesem Set-up zu handeln, und dann vor allem noch die Geduld. Wenn diese drei Dinge nicht vorhanden sind, wird sich der Erfolg nicht dauerhaft einstellen.
Neben Ihrer Tätigkeit als Händler sind Sie auch Trading-Coach. Wie lässt sich das zeitlich vereinbaren, und wer kommt zu Ihnen?
Ich coache nur in meiner handelsfreien Zeit. Die Leute, die kommen, sind Anfänger, aber auch Fortgeschrittene, die nur die eine oder andere Schraube wieder adjustieren wollen. Ich mag das sehr, denn da sind tolle Kontakte entstanden.
Auf Seite 3: "Zehn Prozent plus x kann jeder"
"Zehn Prozent plus x kann jeder"
Mario Lüddemann: Der Autor des Buchs "Wie Sie Ihr kleines Konto zu einem großen traden" ist überzeugt, dass sich auch bei geringem Zeitaufwand gute Renditen erzielen lassen - etwa mit Adidas
Buchautor, Analyst, Portfoliomanager, Trainer und Profi-Trader: Mario Lüddemann (52) ist einer der bekanntesten Börsianer Deutschlands. Mehr als 130 000 Interessierte kamen mittlerweile zu seinen "Kleine Konten"-Vorträgen.
BÖRSE ONLINE: Wie kamen Sie zum Traden?
Mario Lüddemann: 1996 bin ich Telekom-Aktionär geworden und realisierte direkt einen Zeichnungsgewinn von über zehn Prozent. Davon begeistert intensivierte ich meinen Handel, seit 1998 hauptberuflich.
Wie viel Zeit investieren Sie pro Tag?
Rund eine Stunde am Tag Handelsvorbereitung, das reine Trading teilt sich dann in eineinhalb Stunden am deutschen Markt und weitere eineinhalb im US-Handel auf.
Wieso scheitern so viele Trader?
Aus meiner Sicht ist sehr oft die mangelnde Vorbereitung auf das Trading der Knackpunkt. Dazu gesellen sich fehlende Disziplin, die eigenen Handelsregeln einzuhalten, und ganz klar schwaches Durchhaltevermögen.
Bringt die Chartanalyse Vorteile im Handel?
Ganz klares Ja. Ich selbst trade mittlerweile seit mehr als zehn Jahren einen markttechnischen Handelsstil. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich ausschließlich darauf verlasse, sondern viel mehr auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, etwa Saisonalitäten, Nachrichten und solche Dinge. Sehe ich dann ein positives Marktumfeld, selektiere ich Aktien, die stärker laufen als der Gesamtmarkt. Erst dann greift mein markttechnischer Handelsansatz.
Eine Aussage, die Sie häufig verwenden, ist: "Zehn Prozent plus x kann jeder!" Was meinen Sie damit?
Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder an der Börse in der Lage ist, zehn Prozent Performance oder mehr zu erreichen. Zumindest im Bereich des Investments ist das ein realistisches Ergebnis.
Welche Idee steckt hinter Ihrem Buch "Wie Sie Ihr kleines Konto zu einem großen traden"?
2015 hielt ich zum ersten Mal einen "Kleine Konten"-Vortrag, der extrem gut ankam. Im Nachgang erreichten mich Dutzende Anfragen, ob es nicht möglich sei, ein Webinar zu diesem Thema zu halten - einfach mal live zu zeigen, wie man mit einem kleinen Konto bei nur wenigen Trades pro Woche überdurchschnittliche Gewinne erzielen kann. Das habe ich mittlerweile zweimal mit einem echten Konto von 5000 Euro gemacht. Davon handelt auch das Buch.
Wie viel Zeit muss man bei diesem Ansatz investieren?
Eine Stunde am Tag ist ausreichend. Anfangs ist es sogar kontraproduktiv, mehr Zeit zu investieren. Denn je mehr wir am Computer sitzen, desto größer die Gefahr, dass wir mehr traden als gut für uns ist. Wie viel Rendite ist mit dem "Kleine Konten"-Ansatz realistisch betrachtet drin? Das hängt davon ab, wie gut der einzelne Trader ist und wie er seine Gefühle im Griff hat. Zwischen 30 und 40 Prozent pro Jahr, wie ich es auch bei den "Kleine Konten"-Webinaren gezeigt habe, sollte möglich sein.
Worin sehen Sie den größten Unterschied zwischen Trading und Investment?
In der zu investierenden Zeit. In meinem Coaching-Programm "Vermögen vermehren" zeige ich den Teilnehmern seit über drei Jahren, wie sie mit einem Aufwand von etwa einer Stunde pro Monat die genannten zehn Prozent plus x erreichen können. Im Trading hingegen braucht es wesentlich mehr Zeit.
Auf Seite 4: "Übung macht den Meister"
"Übung macht den Meister"
Wieland Arlt: Fehlausbrüche aus Bollinger-Bändern sind die Grundlage für die Expander-Strategie des Börsenjournalisten und Buchautors. Sein Ratschlag für Anleger: Nur nichts überstürzen
Wieland Arlt (47) ist einer der erfolgreichsten Trader Deutschlands, gefragter Referent und Autor von Fachbeiträgen und Büchern, darunter "55 Gründe, Trader zu werden".
BÖRSE ONLINE: Wie kamen Sie zur Börse?
Wieland Arlt: Meine erste Berührung mit den Finanzmärkten war eher zufällig. Beim Internetsurfen bin ich auf eine Finanzseite gestoßen, auf der die Gewinner und Verlierer eines Handelstags aufgelistet waren. Der beste Wert wies damals einen Tagesgewinn von mehr als 300 Prozent auf. Wie konnte ich da nicht neugierig werden?
Welches sind Ihre bevorzugten Märkte?
Intraday handele ich Indizes, allen voran DAX und Dow Jones. Bei Einzeltiteln kurzfristig Aktien aus dem US-amerikanischen Markt.
Welchen Rat geben Sie Anfängern?
Übung macht den Meister: Erst mit dem Handel kommt die Erfahrung, und mit der Erfahrung kommt die Sicherheit. Bis es so weit ist, sollten Anfänger ihre Positionsgröße und damit ihr Risiko möglichst gering halten. Nur wenn das eingegangene Risiko überschaubar ist, können Anfänger sich die unvermeidlichen Fehler auch erlauben.
Nach welchen Gesichtspunkten handeln Sie und wie sieht Ihre bevorzugte Herangehensweise aus?
Grundsätzlich arbeite ich nach der Charttechnik. Meine bevorzugte Strategie beruht auf der Kombination von Bollinger-Bändern mit Candlestick-Signalen. Wenn der Kurs die Bänder durchbricht und bereits eine Umkehrkerze ausbildet, spekuliere ich auf eine kurzfristige und impulsive Gegenbewegung. Mit dieser Expander-Strategie bin ich in Seitwärts- und Trendmärkten gut aufgestellt.
Was würden Sie Eltern für die Geldanlage ihrer Kinder empfehlen?
Wer frühzeitig beginnt, kann schon mit kleinen Beträgen ein Vermögen ansparen. Dank langfristigem Anlagehorizont und Zinseszinseffekt können beispielsweise mit einem Sparplan in einen Fonds oder ETF die finanziellen Spielräume der Kinder in der Zukunft erheblich erweitert werden.
Sie haben ein Buch zum Thema Risiko- und Money-Management geschrieben. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Das Thema Risikomanagement entscheidet über Erfolg oder Misserfolg im Handel. Die Grundlage für das Trading ist das eigene Konto. Wird dieses aber eliminiert, ist es mit dem Trading vorbei! Nur ein konsequentes Risikomanagement schützt Trader vor diesem existenziellen Risiko.
Was glauben Sie ist der häufigste Fehler, den Anfänger im Handel machen?
Anfängern fehlt häufig die Kontinuität. Wenn eine Strategie nicht sofort funktioniert, kann das viele Gründe haben. Und oftmals ist es sinnvoll, diese in verschiedenen Marktphasen oder auch Märkten zu testen. Wer sich dagegen vorschnell immer neuen Strategien zuwendet, steht am Ende ohne konkrete Ergebnisse und gesicherte Erkenntnisse da. Anfänger berauben sich dadurch wichtiger Erfahrungen auf dem Weg zum Erfolg.
Was sind Ihrer Meinung nach wichtige Eigenschaften, die ein Trader mitbringen muss?
Eine wichtige Eigenschaft ist Geduld. Das Leben eines Traders besteht aus Warten: Warten auf den Einstieg, auf das Erreichen des Ziels oder des Stop-Loss-Kurses. Gleichzeitig muss ein Trader aber immer wieder auch Rückschläge verkraften. Diese darf man nicht persönlich nehmen, sondern sollte stets gelassen bleiben - eine weitere Schlüssel-eigenschaft. Trader benötigen in diesem Sinne eine ähnliche Resilienz wie Vertriebsprofis, um dauerhaft erfolgreich zu sein.
Auf Seite 5: "Disziplin, Disziplin, Disziplin"
"Disziplin, Disziplin, Disziplin"
Giovanni Cicivelli: Eines der bekanntesten Gesichter aus Deutschlands Trading-Community hat sich voll und ganz dem Intraday-Handel verschrieben. So bietet der Markt jeden Tag neue Chancen
Schlechte Nachrichten sind für Giovanni Cicivelli ein gefundenes Fressen. Am Tag des Interviews wartete die Lufthansa mit schwachen Zahlen auf. "Ein schöner News-Trade", kommentierte der 40-jährige Buchautor und Referent. "Die Erwartungen wurden verfehlt, das Volumen ist gestiegen, daraus ergibt sich ein schönes Sell-Momentum." Cicivelli handelt ausschließlich nachrichtengetrieben. Ob er auf steigende oder fallende Kurse setzt, hängt allein von der Marktlage ab. Als reinrassiger Daytrader hält er keine Positionen über Nacht, daher kann er auch nicht mit mittelfristigen Trading-Tipps dienen. Er disponiert jeden Morgen neu.
BÖRSE ONLINE: Wie kamen Sie zur Börse?
Giovanni Cicivelli: Ich wurde mit 13 Jahren am Gymnasium durch das "Planspiel Börse" der Sparkassen mit diesem Virus infiziert. Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, dass ich später einmal etwas mit Börse machen wollte.
Welche sind Ihre bevorzugten Märkte?
Ich handle überwiegend Aktien physisch, long wie short an deutschen Märkten und ab und an auch Devisen.
Welchen Rat geben Sie Anfängern?
Erstellen Sie sich einen Trading-Plan! Trading ist ein Beruf und keine Zockerei. Nur wenn man, wie in jedem anderen Beruf auch, seine Hausaufgaben macht und diszipliniert bei der Sache ist, kann man gute Arbeit abliefern.
Nach welchen Gesichtspunkten handeln Sie?
Ich handle intraday nach News und Orderbuch.
Wie viel Zeit investieren Sie für den täglichen Handel an der Börse?
Je nachdem wie viel an den Märkten los ist, täglich zwischen vier und zwölf Stunden.
Bringt die Chartanalyse einen Vorteil im Handel?
Beim Daytrading von Aktien an deutschen Märkten ergibt die Chartanalyse keinen Sinn, da viele Werte nicht liquide genug sind. Indikatoren benötigen Input, um eine gewisse Aussagekraft zu haben. Input erhalten Sie durch viele Kursfeststellungen pro Minute, besser sogar pro Sekunde. Solch eine Liquidität ist selbst bei einigen Bluechips aus dem DAX nicht gegeben.
Zu wie viel Prozent sind Sie Trader und zu wie viel Investor?
Zu 99 Prozent Trader.
Wieso scheitern Ihrer Meinung nach die meisten Trader?
Weil sie ihren eigenen Kopf nicht in den Griff bekommen. Meiner Meinung nach sind 70 Prozent des Tradings reine Kopfsache. Hier gilt es, Emotionen wie Gier, Angst, Hoffnung, Druck, Verlustaversion et cetera in den Griff zu bekommen. Das kann man leider nicht erlernen und muss es sich meist individuell durch Traden, Traden und nochmal Traden aneignen.
Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Eigenschaft, die ein Trader mitbringen muss?
Eigentlich sind es drei Eigenschaften: Disziplin, Disziplin und Disziplin.
RED