Materialengpässe, steigende Kosten, kriselnde Absatzmärkte - der Gegenwind wird für viele DAX-Konzerne rauer. Hinzu kommen hausgemachte Probleme, in manchen Fällen auch Missmanagement. In den Führungsetagen wächst die Nervosität, der Druck auf die Manager nimmt zu. Beim Sportartikelkonzern Adidas und beim Gesundheitskonzern Fresenius haben die Aufsichtsräte jetzt personell die Reißleine gezogen: Adidas-Chef Kasper Rorsted und Fresenius-Boss Stephan Sturm müssen vorzeitig abtreten. Die Konzerne kämpfen mit ausufernden Kosten wie Fresenius, haben Probleme in wichtigen Absatzmärkten wie Adidas in China. Begleitet wird das jeweils von einem deutlichen Kursverfall der Aktie.

Bereits Ende Juli hatte der Volkswagen-Aufsichtsrat einen Chefwechsel eingeleitet - hier allerdings trotz vergleichsweise guter Zahlen: Porsche-Chef Oliver Blume soll dem umstrittenen Herbert Diess folgen, der es sich vor allem mit der einflussreichen Wolfsburger Arbeitnehmerfraktion verscherzt hatte. Auch bei anderen Konzernen stehen Vorstandschefs in der Kritik der Investoren. Manche Beobachter glauben: Adidas, Fresenius und VW könnten erst der Auftakt eines größeren Stühlerückens im DAX sein.

"Vorstandschefs bekommen Lage nicht in den Griff"


"Angesichts des immer schwierigeren wirtschaftlichen Umfelds wird auch die Luft für einige DAX-Konzernchefs immer dünner", sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka. Speich gilt als einer der profiliertesten Konzernkenner Deutschlands und nimmt bei seinen Hauptversammlungs-Auftritten regelmäßig nicht nur Zahlenwerk und Strategien der Unternehmen auseinander, sondern stellt die Konzernchefs auch persönlich zur Rede. Speich äußert sich im Gespräch mit BÖRSE ONLINE nicht darüber, ob es weitere Fälle im DAX geben könnte. Ein Muster für Ablösungen zeichne sich aber ab: "Auffällig ist, dass die aktuellen Abberufungen bei Fresenius und Adidas nach schwachen Geschäftszahlen über zwei bis vier Quartale kommen, begleitet von deutlichen Aktienkursverlusten", erläutert Speich. "Die Aufsichtsräte hatten offenbar zudem massive Zweifel, dass der Vorstand die Situation innerhalb von zwei bis vier Quartalen in den Griff bekommt."

Ein weiterer wichtiger Punkt sei, wenn das Vertrauen am Kapitalmarkt verspielt sei, wie das bei Fresenius-Chef Sturm der Fall gewesen sei. "Das war eine Ablösung mit Ansage." Bei Adidas dagegen scheine die Trennung eher von beiden Seiten ausgegangen zu sein, glaubt Speich. "Wichtig ist aus meiner Sicht: Wenn ein Wechsel ansteht, sollte er vom Aufsichtsrat zügig umgesetzt werden." Beobachten solle man auch die Rolle von aktivistischen Aktionären, die unterhalb der Meldeschwelle von drei Prozent bei Konzernen agierten, und hartnäckig auf eine Ablösung von Vorständen hinarbeiten. Mustergültig hat das beispielsweise der britische Finanzinvestor Petrus Advisers im vergangenen Jahr beim MDAX-Wert Aareal Bank vorexerziert.

Weitere Konzernlenker unter Druck


Unterdessen muss man nach potenziellen Ablöse-Kandidaten im DAX nicht lange suchen. Branchenkreisen zufolge könnte es unter anderem bei Bayer-Chef Werner Baumann zu einer vorzeitigen Auflösung seines ohnehin nur noch bis 2023 laufenden Vertrags kommen. "Bayer leidet noch immer an den an den Folgen von Monsanto. Ein neues Gesicht ohne Altlasten könnte für eine Bereinigung sorgen, etwa durch eine Abspaltung des Bereichs", heißt es in der Branche. Allianz-Chef Oliver Bäte steht nach Sonderbelastungen über mehrere Quartale hinweg in zunehmender Kritik der Investoren, ebenso Vonovia-Chef Rolf Buch nach einer dilettantischen Übernahme und deutlichen Kursverlusten. Am Siemens-Chef Roland Busch scheiden sich die Geister, weil er einer weiteren Aufspaltung des Konzerns im Wege steht. Bei Eon, Thyssenkrupp oder Conti sitzen Chefin und Chefs auch nicht mehr besonders fest im Sattel.

Ein vorzeitiger Abgang kann durchaus auch dem Aktienkurs neue Impulse versetzen, wie das etwa bei Fresenius der Fall war. Die Aktie des Gesundheitskonzerns schnellte am Tag der Bekanntgabe des Chefwechsels um sieben Prozent nach oben. Wie dauerhaft das ist, muss sich zeigen. Auch bei Adidas. Die Aktie verlor am selben Tag um vier Prozent.