Nachhaltige Finanzprodukte? Die sind doch nur was für Strickpulliträger mit Birkenstocks und langen Haaren. Wer wirklich Geld verdienen will, muss alle Skrupel über Bord werfen. Denn dort, wo es raucht, stinkt und wo man es mit den Gesetzen nicht so genau nimmt, wird der größte Reibach gemacht. So lautet ein gängiges Vorurteil. Doch stimmt es auch? Nein, schon längst nicht mehr.
Selbst einst skrupellose Fondsmanager mit Dollar-Schlips und Hosenträgern haben beim Investieren ihr Gewissen entdeckt. Und das, obwohl sie ungern Prozente liegen lassen. Aber wer will sich schon ewig vorhalten lassen, dass er Waffenhersteller, Kinderarbeit oder Umweltsünder unterstützt. In der Finanzbranche sind nachhaltige Produkte deshalb seit einiger Zeit richtig in Mode. Laut Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hat sich das in Deutschland, Österreich und der Schweiz in nachhaltige Investmentfonds angelegte Kapital zwischen 2006 und 2017 auf 81 Milliarden Euro verzehnfacht. Das Sustainable Business Institute (SBI), das noch aktuellere Zahlen herausgibt, hat im Oktober 2018 im deutschsprachigen Raum 509 nachhaltige Fonds gezählt, 52 mehr als Ende 2017. In diesen waren insgesamt 126 Milliarden Euro investiert.
Grün steht der Branche gut. Weil es keine einheitlichen Kriterien zur Klassifizierung grüner Fonds gibt, haben Institute wie FNG oder SBI zwar immer wieder leicht unterschiedliche Zahlen zum Marktvolumen. Der Trend aber ist klar: Grüne Finanzprodukte sind wohl das am schnellsten wachsende Segment in der Finanzbranche. Dass die einstigen Exoten nun Mainstream sind, hat vor allem mit Großanlegern wie Versicherungen, Pensionskassen oder Stiftungen zu tun. Sie müssen zunehmend nachweisen, dass ihre Investitionen nicht schlecht für Umwelt und Gesellschaft sind. Neben den strengeren Vorschriften sprechen auch Imagegründe für die nachhaltigeren Anlagen. Denn erfährt der Kunde, dass seine Versicherung Großaktionär eines Streubombenherstellers ist, ist das für ihn womöglich so schlimm wie die Erkenntnis, dass sein T-Shirt von Kindern genäht wurde: keine gute Werbung, womöglich sogar ein K.o.-Kriterium.
Gleichzeitig hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, dass nachhaltiges Investieren keinen Verzicht bedeutet. Im Gegenteil. Zwischen nachhaltigen Produkten und Fonds ohne Nachhaltigkeitsbezug gebe es "nur geringe Unterschiede bei Performance und Volatilität", heißt es in einer im Herbst erschienenen Studie des Analysehauses Scope. Und dieser kleine Unterschied spricht sogar eher für die Ökofonds. Denn global anlegende Nachhaltigkeitsfonds haben laut Scope auf fünf Jahre gerechnet im Schnitt 10,7 Prozent Gewinn pro Jahr abgeworfen. Bei klassischen Fonds waren es nur 10,0 Prozent, und das bei zugleich etwas höheren Kursschwankungen.
Woher die etwas bessere Wertentwicklung kommt, erklärt Scope in der Studie nicht. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Konzerne, die weniger Angst vor strengen Umweltregeln haben müssen und auch sonst den einen oder anderen Fauxpas vermeiden, langfristig für Aktionäre die bessere Wahl sind. Davon scheint man mittlerweile auch bei Blackrock überzeugt, der mit über sechs Billionen US-Dollar verwaltetem Vermögen größten Anlagegesellschaft der Welt. Umweltschutz, gesellschaftliche Rücksichtnahme und gute Unternehmensführung könne bei Konzernen langfristig zu einem größeren Wachstumspotenzial führen, heißt es in einem Anfang 2019 erschienenen Kommentar des Fondsriesen, der nicht als grüner Überzeugungstäter gilt. Wer nachhaltiger wirtschafte, sei "weniger anfällig für operative Risiken", so die Erklärung.
Auf Seite 2: Ein bunter Haufen
Ein bunter Haufen. Nachhaltiges Wirtschaften - das klingt ziemlich gut. Doch was heißt das eigentlich? Schon ein Blick auf die zehn besten Ökofonds der vergangenen fünf Jahre in unserer Datenbank zeigt, dass man darunter verschiedene Dinge verstehen kann.
In den Top Ten sind zum Beispiel Produkte, die sich explizit einem Thema verschrieben haben. Beim Ökoworld Klima ist es der Klimawandel. Ökoworld ist aus der 1975 gegründeten Gesellschaft Versiko hervorgegangen, richtete sich anfangs vor allem an Umweltorganisationen und ist so etwas wie eine frühe Stilikone in Sachen Ökofinanzen. Im Klima-Fonds gehören Aktien aus dem Bereich erneuerbare Energien wie jene des Windkraftspezialisten Vestas zu den klassischen Positionen. Zudem finden sich dort oft Eisenbahnen wie Canadian Pacific und CSX, die Menschen und Dinge klimafreundlich auf der Schiene transportieren. Seit einiger Zeit ebenfalls als feste Größe etabliert haben sich auch Fonds wie der RobecoSAM Sustainable Water. Sie investieren bevorzugt in Firmen, die für sauberes Wasser sorgen. Das sind zum Beispiel American Water Works und die Water Corporation, die in der Wasseraufbereitung tätig sind.
Neben diesen Themenfonds gibt es noch Produkte, die wie der Nordea Climate & Environment und der Pictet Global Environment den Umweltschutz möglichst breit angehen. Sie kaufen Aktien ganz unterschiedlicher Firmen, etwa von Messgerätehersteller Agilent und Thermo Fisher oder des Müll- und Recyclingunternehmens Veolia Environment und von Waste Technologies.
Bleiben die Nachhaltigkeitsfonds, die versuchen, möglichst viele Problemzonen im Blick zu behalten: von der Umwelt (Environment) über gesellschaftliche Probleme (Social) bis hin zu Unternehmensführung (Governance). Diese sogenannten ESG-Fonds wie der LGT Sustainable Equity Fund, der BMO Responsible Global Equity oder der terrAssisi Aktien versuchen, auf allen Ebenen ihr Geld ethisch vertretbar anzulegen. Die EU arbeitet im Moment zwar an festen Regeln für solche Investments, einer sogenannten Taxonomie. Einen umfassenden Leitfaden gibt es bisher aber nicht, er ist ja auch schwer zu erstellen.
Denn in den vergangenen Jahren hat sich ein Nebeneinander von Ansätzen der nachhaltigen Aktienauswahl entwickelt. Manche sind streng, andere eher lax. Die einen Fonds achten etwa auf Positivkriterien und investieren am liebsten in Firmen, die Probleme lösen. Andere legen grundsätzlich in alle Aktien an, egal ob aus einer Umweltbranche oder nicht, arbeiten dabei aber mit Ausschlusskriterien. Sie machen also einen Bogen um Firmen, die mit Waffen, Tierversuchen oder Kinderarbeit zu tun haben. Und wieder andere investieren mit dem Best-in-Class-Ansatz in jene Konzerne einer Branche, die am wenigsten schmutzig oder fragwürdig sind. Das können dann im Extremfall aber auch Dreckschleudern wie Kohlekraftwerke oder Ölkonzerne sein, die nur einen Tick effizienter sind als die Konkurrenz.
Auf Seite 3: Flecken auf der weißen Weste
Flecken auf der weißen Weste. Fast alle Fonds in den Top Ten unserer Datenbank setzen auf eine Kombination aus Positiv- und Ausschlusskriterien und verfolgen damit einen eher strikten Ansatz. So bewerteten die Tester von Ökotest im November 2018 die Nachhaltigkeit des Portfolios des Ökoworld Klima, der mit FondsNote 2 bewertet wird, als vorbildlich. Diese Auszeichnung erhielt nur ein Bruchteil der getesteten Fonds. Auch der Prima Global Challenges, der Pictet Global Environmental Opportunities und der terrAssisi Aktien erhielten gute Noten. Der vor fast 20 Jahren aufgelegte terrAssisi-Fonds verfolgt zwar das Best-in-Class-Prinzip, orientiert sich zudem aber an den ethischen Prinzipien des Franziskanerordens. Die restlichen Fonds wurden von Ökotest nicht durchleuchtet.
Trotz guter Bewertung sollte man jedoch bei keinem der Nachhaltigkeitsfonds der Illusion erliegen, ein Produkt mit makellos weißer Weste zu bekommen. Blickt man genauer hin, findet man fast überall einen dunklen Fleck, der den sonst adretten Auftritt etwas stört. Das ist kaum verwunderlich, schließlich geht es den Fondsmanagern wie den Konsumenten: Sie müssen abwägen, was noch in Ordnung ist und was nicht. Solche Abwägungen sind immer subjektiv.
Das fängt bei ganz harmlosen Dingen an. So wundert man sich etwa, was die Aktie von Chipotle im Portfolio des Ökoworld Klima zu suchen hat. Ist eine Fast-Food-Kette wirklich nachhaltig? Vielleicht, denn die Tacos und Burritos, die die Kette an ihren Drive-in-Schaltern verkauft, sind weitestgehend Bio-Ware. Und was ist mit den Aktien von Heineken und Nintendo im LGT Sustainable Equity Fund? Heineken braut Bier, aber wenigstens keinen Schnaps. Und die Videospiele von Nintendo machen die Welt nicht besser, aber auch nicht schlechter.
Voll danebengegangen ist die Abwägung allerdings, wenn entweder ein echter Ausrutscher dabei ist oder sich bei vielen Aktien im Fonds die Frage stellt, was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Den einmaligen Ausrutscher findet man etwa beim Prima Global Challenges, der Anteile von Dassault Systèmes hält. Das Softwareunternehmen ist am Bau von Waffensystemen beteiligt.
Und viele Fragezeichen gibt es beim JP Morgan Global Socially Responsible. In diesem Fonds liegen nämlich Aktien gleich mehrerer Konzerne, die zumindest stark erklärungsbedürftig sind: Das sind unter anderem Amazon, Alphabet, Apple, Coca-Cola und die Toronto-Dominion Bank. Letztere finanziert im großen Stil den Abbau fossiler Energieträger. Amazon steht für seinen Umgang mit Mitarbeitern in der Kritik und hat nur auf dem Papier eine gute Ökobilanz. Bezieht man jedoch den ökologischen Fußabdruck der Zusteller ein, die pro Jahr Milliarden Pakete für die Handelsplattform um die Welt fahren, wird die Bilanz verheerend. Alphabet, die Konzernmutter der Datenkrake Google, treibt die Invasion in die Privatsphäre voran und ist wie Amazon und Apple in Sachen Steuervermeidung spitze. Und angesichts der weltweiten Probleme mit Fettleibigkeit und Diabetes wundert man sich, was am -Konsum zuckerhaltiger Getränke von Coca-Cola "gesellschaftlich verantwortlich" sein soll, wie es der Fondsname des Produkts von JP Morgan verspricht. Bei so vielen Ungereimtheiten drängt sich dann doch der Eindruck auf, dass hier jemand ohne große Überzeugung auf einen Modetrend aufgesprungen ist.