Während der Preis von Gold seit Anfang Juni kräftig um acht Prozent angezogen hat, konnte dessen kleiner Bruder Silber bei Weitem nicht so deutlich zulegen - nur um vier Prozent. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise steigt der Preis des volatileren Silbers bei einer Edelmetall-Hausse mehr als der seines gelben Pendants, weist doch das Weißmetall größere Ausschläge nach oben und unten auf.
Diese seltene Konstellation hat dazu geführt, dass die Gold-Silber-Ratio bei 92 liegt, so hoch wie zuletzt 1992. Das heißt, wer eine Feinunze Gold erwirbt, muss dafür 92 Unzen Silber aufwenden. Historisch hatten solch hohe Werte nie lange Bestand. Das spricht dafür, dass sich der Silberpreis künftig relativ besser entwickeln sollte als der von Gold.
Short-Positionen sind abgebaut
"Der geringe Preisanstieg von Silber ist in der Tat verblüffend", sagt Daniel Briesemann, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Bei näherem Hinsehen sind aber einige Punkte identifizierbar, die bisher den Metallpreis gebremst haben. Ein Grund dafür ist etwa, dass Angebot und Nachfrage laut dem Silver Institut, einer globalen Lobbyorganisation der Silberindustrie, in diesem Jahr ausgeglichen sind, was preisdämpfend wirkt.
Zudem gab es bis vor Kurzem hohe Short-Positionen von Spekulanten, die aber inzwischen abgebaut sind. Jetzt existiert sogar ein leichtes Übergewicht an Long-Positionen. Das heißt, risikobereite Anleger setzen mehrheitlich auf steigende Silberpreise.
Auch die Zuflüsse in Silber-ETFs waren seit Jahresbeginn gering. Erst im Juni haben diese mit einem Plus von 300 Tonnen erkennbar zugenommen. Positiv ist überdies, dass sich die Schmucknachfrage bei dem Weißmetall leicht erhöht hat. Immerhin geht darauf ein Fünftel der globalen Silbernachfrage zurück, noch vor der nach Barren und Münzen mit 18 Prozent. 56 Prozent des Angebots fließen in die Industrie, sechs Prozent in Silberwaren. Von der zuletzt erfolgten Erhöhung der Industriemetallpreise sollte Silber, das ein Zwitter aus Industrie- und Edelmetall ist, ebenfalls profitieren.
Noch mehr aber vom Sog der Goldrally, die den kleinen Bruder üblicherweise mitreißt. "Silber ist aktuell unterbewertet und hat im Zug der Goldrally Potenzial nach oben", ist Analyst Briesemann optimistisch. Dafür spricht auch die Charttechnik. Überwindet Silber die Marke von 15,50 Dollar je Feinunze, ist der Weg bis 16 Dollar frei. Wird auch dieser Widerstand übertroffen, ist sogar ein Anstieg auf 17 Dollar drin. Mit dem nicht währungsgesicherten Physical Silver ETC (ISIN: DE 000 A0N 62F 2) von Wisdom Tree, der physisch mit Silber hinterlegt ist, partizipieren Anleger daran. Die Jahresgebühr beträgt 0,49 Prozent.