Für Fans des traditionellen Thanksgiving-Truthahns war es ein Tabubruch: Rechtzeitig vor dem Festschmaus am Feiertag hatten Mitarbeiter des New Yorker Nachrichtendienstes Bloomberg mit ihren Familien fleischlosen Soja-Truthahn getestet. Überraschung: Der vegetarische "Holiday Roast" von Gardein begeisterte die Tester: "Saftig, delikat, sehr nahe am Truthahn, eine gute Alternative", schwärmten die Redakteure.
Auch im gelobten Land des Burgers sind fleischlose Alternativen längst nicht mehr exotisch. Der Entwickler der gepriesenen Soja-Pute, Gardein Protein, bucht mit seinen "Holiday Roast"-Produkten seit 2016 jährliche Umsatzzuwächse von 30 Prozent. Seit gut einem Jahr gehören die auf vegane Lebensmittel spezialisierten Kanadier zu Amerikas Nahrungsmittelkonzern Conagra Brands. Fleischähnlichen Geschmack und Konsistenz der Produkte erreicht Gardein Protein - wie der Name bereits andeutet - mit Eiweiß vornehmlich aus Hülsenfrüchten. Soja, Erbsen, Bohnen werden schonend gekocht und mit Getreiden wie Amaranth, Khorasan-Weizen, Hirse sowie Quinoa, Kartoffelstärke und weiteren pflanzlichen Ingredienzien aufgepeppt.
Mit einem sensationellen Börsendebüt machte der kalifornische Aufsteiger Beyond Meat den Trend zur fleischlosen Ernährung Anfang Mai auch der Wall Street schmackhaft. Bis Juli hatte sich der Wert des Senkrechtstarters aus El Segundo gegenüber dem Ausgabepreis fast verzehnfacht. Doch die Euphorie ist inzwischen verpufft. Viele, die vor dem Börsengang Anteile erhielten, darunter Finanzvorstand Mark Nelson, haben nach Ablauf der gesetzlichen Haltefrist Aktien verkauft. Vom Spitzenniveau hat der Kurs mittlerweile fast zwei Drittel eingebüßt.
Fette Ambitionen
Inzwischen hat sich die Aktie stabilisiert. Gründer und Chef Ethan Brown will seine Papiere noch lange halten.
Er traut seiner Firma auf lange Sicht 40 Milliarden Dollar Umsatz zu. Zum Vergleich: 2019 soll der Umsatz bei 267 Millionen Dollar liegen, profitabel soll das Unternehmen auch sein. In drei Jahren erwarten die Kalifornier aber bereits 1,3 Milliarden.
Der Erfolg hat nicht nur Fleischproduzenten wie Tyson Foods und Hormel Foods in das neue Wachstumssegment gelockt, auch Lebensmittelriesen wie Conagra, Nestlé und Unilever machen in Gemüse. Die mächtigen Wettbewerber dürften Beyond-Meat-Aktionäre ermutigt haben, Kursgewinne zu sichern. Chef Brown bleibt indes gelassen. Er wünscht sich sogar Konkurrenten, die seine Teams "anspornen": Die Wettbewerber könne man zwar nicht austauschen, doch eigene Produkte durch bessere ersetzen, so der Macher.
Institutionelle Investoren wie Risikokapitalfirmen und vermögende Familien bauen unterdessen weitere Anbieter auf. So wurden im vergangenen Jahr für 500 Millionen Dollar Anteile an Wachstumsfirmen erworben. Der Wert des nicht börsennotierten US-Herstellers Impossible Meat etwa wird auf 1,5 Milliarden Dollar taxiert. Das entspricht dem 15-Fachen des für 2018 auf 110 Millionen Dollar geschätzten Umsatzes. Beyond Meat ist auch nach der Korrektur noch mit dem 17-Fachen seiner für 2019 geschätzten Erlöse bewertet.
Noch entspricht der Umsatz mit Lebensmitteln aus pflanzlichen Proteinen weniger als einem Prozent des globalen Umsatzes mit Fleischprodukten. In den kommenden sechs Jahren sollen sich die Erlöse mit Erzeugnissen aus pflanzlichem Eiweiß auf weltweit 50 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln, schätzt die Bank UBS. Das käme dann einem Anteil von 2,5 Prozent des Volumens von Fleischprodukten gleich.
In Amerika schrumpfte der Fleischkonsum binnen eines Jahres um 0,4 Prozent. Die Erlöse mit pflanzlichen Alternativen legten um acht Prozent zu. US-Viehzüchter steigen auf die Barrikaden. Ihr Schlachtruf: "Die Alternative zu Fleisch ist noch mehr Fleisch." Veggie-Produkte setzen sie mit Hundefutter gleich. Ein Krieg der Ideologien bahnt sich an, denn auch Hersteller vegetarischer Alternativen geben sich radikal: "Die Fleischindustrie ist prähistorisch und destruktiv", sagt Pat Brown, Gründer von Impossible Food.
Burger-Ketten sehen den Vegan-Trend indes als lukratives Zusatzgeschäft. McDonald’s etwa lässt sich Pattys von Nestlé und in einigen US-Filialen auch von Beyond Meat liefern. Burger Kings Vegan-Whopper werden mit Gemüse-Buletten von Unilever serviert. Bis die Produkte auch die Umsätze von Riesen wie Nestlé und Co treiben, dürfte es allerdings noch dauern.
Zulieferer wie die irische Kerry Group, Hersteller von Zusatzstoffen für Veganes, profitieren schon vom Trend. Die Kerry Group ersetzt künstliche durch natürliche Aromen. Zucker, Salz und Fette weichen Zutaten für gesundheitsbewusste Ernährung.
Zukäufe gehören auch zu Kerrys Strategie. Aktuell im Visier: die Sparte des US-Konzerns DuPont für Lebensmittelzusätze, Enzyme und Bakterienkulturen. Ihr Wert wird immerhin auf mehr als 20 Milliarden Dollar geschätzt.
Investor-Info
Kerry Group
Leckerer Zulieferer
Für die nächsten drei Jahre erwarten Analysten beim Umsatz jährliche Zuwächse von vier bis fünf Prozent. Zukäufe liefern zusätzliche Impulse. Die operative Marge will der Spezialist für Lebensmittelaromen und Zusatzstoffe in fünf Jahren um 1,5 Prozentpunkte verbessern. Hoch bewertet, aber aussichtsreich.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 135,00 Euro
Stoppkurs: 96,00 Euro
Beyond Meat
Blutjunger Pionier
Von September bis Jahresende testet McDonald’s in 28 US-Filialen Bratlinge von Beyond Meat. Ein Vertrag mit einem Burger-Konzern würde die Euphorie neu entfachen. Für die nächsten drei Jahre erwarten Analysten bei Gewinn und Umsatz jährliche Zuwächse von deutlich über 50 Prozent. Für Risikofreudige.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 90,00 Euro
Stoppkurs: 60,00 Euro
Unilever
Mit dem King im Geschäft
Burger Kings Rebel Whopper wird in 2500 europäischen Filialen, auch in Deutschland, mit Pattys der Unilever-Marke "The Vegetarian Butcher" belegt. Chef Alan Jope trimmt den Lebensmittelriesen derzeit auf mehr Rendite und höheres Wachstum. Zwei Drittel des Umsatzes liefern Schwellenländer.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 64,00 Euro
Stoppkurs: 44,00 Euro
Pictet Nutrition
Globales Ernährungsportfolio
Der Fonds (ISIN: LU 036 653 434 4) investiert in Firmen, die zur Sicherung und Weiterentwicklung der Nahrungsmittelversorgung beitragen. Zu den größten Positionen zählen Lebensmittelspezialisten wie Danone, Nestlé, US Food Holdings und Kerry, aber auch Logistik- und Agrartechnikfirmen.