Während im Kreditgeschäft immer neue Zinstief-Rekorde gemeldet werden, hat sich der Durchschnittszinssatz auf die Kundeneinlagen asymptotisch der 0%-Linie genähert und scheint dort seit Längerem eingefroren zu sein. Gerade die Tatsache, dass den Banken, die als erste Negativzinsen für Normalsparer einführen, Kundenabwanderung droht, macht die 0%-Linie zu einer hohen geschäftspolitischen Hürde. In der Folge schrumpft die Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzinssätzen. Mit dem beschleunigten Rückgang der Kreditzinsen seit Jahresbeginn hat sich dieser Effekt noch verstärkt und belastet so die Hauptertragsquelle der Banken.

Die Einführung von Negativzinsen auf "normale" Einlagen würde nicht nur zu Kundenabwanderung führen, sondern auch zu Bargeldhortung, Kauf von Gold sowie Investitionen in neue Immobilien oder ins eigene Heim. Unabhängig davon, ob sich Negativzinsen in der Breite des Einlagengeschäftes tatsächlich durchsetzen werden, dürften Banken auf die anhaltende Niedrigzinsphase mit weiterer Kostensenkung und Bemühungen um eine Steigerung der Provisionserträge reagieren.

Dabei hätte vor allem ein Ausbau der Wertpapierberatung nicht nur den Vorteil steigender Provisionen, sondern würde bei umsichtigen Umschichtungen der Kunden zugunsten von Aktien, Fonds und Zertifikaten auch zum Abbau von Einlagenüberhängen der Banken beitragen. Angesichts der traditionellen Risikoaversion vieler Privathaushalte ist das zwar kein leichtes Unterfangen. Im Hinblick auf die Niedrigzinsphase oder gar drohenden Negativzinsen ergäbe sich aber eine Win-win-Situation für die Banken und ihre Kunden. Obwohl sich mit Aktien langfristig gute Renditen erzielen lassen, machen diese nur rund 6% des Geldvermögens aus. Mit einer ausgewogeneren Portfoliostruktur könnten die privaten Haushalte stärker an guten Börsenentwicklungen partizipieren und so wegbrechenden Zinseinkünften gegensteuern.

Stefan Bielmeier ist Chefvolkswirt der DZ-Bank.