Börse Online: Sie wollen die Sparte Media & Entertainment (Maxon) zum zweiten Standbein von Nemetschek ausbauen. Welchen Stellenwert soll das Media-Geschäft künftig haben?
Axel Kaufmann: Unter neuer Führung und mit zwei Akquisitionen in den USA hatten wir jüngst die Basis gelegt, um das M&E-Geschäft zu einem strategischen Wachstumsfeld zu etablieren. Nach der Integration der beiden Firmen in unsere bestehende Marke Maxon können wir nun unseren Kunden, das ist das Who is Who der internationalen Medien- und Unterhaltungsbranche, ein integriertes Softwareangebot für 3D-Modeling-, Animations- und Visualisierungs-Lösungen anbieten. Wir sehen in diesem Geschäft aktuell eine erhebliche Dynamik und entsprechende Potenziale. Organisch und mit weiteren möglichen Akquisitionen wird die absolute Größe des Segments also deutlich zulegen. M&E wird in der Nemetschek Group eine wichtigere Rolle spielen als bisher.
Welchen Umsatz- und Ergebnisbeitrag lieferte die Sparte 2020, und wie soll sich das künftig entwickeln?
Der Anteil des Segments am Konzernumsatz wird dieses Jahr bei rund 10 % liegen. Wir wachsen aktuell sehr stark, und unser Anspruch ist, dass wir mit der neuformierten Maxon um 15 bis 20 % pro Jahr zulegen, mögliche Zukäufe noch nicht eingerechnet. Allerdings erwarten wir auch für unser angestammtes Bausoftware-Geschäft langfristig ein jährliches Wachstum über der Marke von 10 %. In Summe wird der Anteil von M&E am Konzernumsatz zunehmen.
Wie hat die Corona-Pandemie das Geschäft des MDAX-Konzerns Nemetschek verändert?
Sogar eher positiv. Denn die langfristigen Trends, die für Nemetschek wichtig sind, haben sich durch Corona ja nicht verändert: die gute Baukonjunktur und der Druck zur Digitalisierung des gesamten Bauprozesses, um das Bauen effizienter zu machen. Immer stärker rücken die Themen bezahlbarer Wohnraum, Infrastrukturausbau und Nachhaltigkeit im Bau in den Vordergrund, alles Felder, wo intelligente Softwarelösungen helfen können. Den kurzen Nachfragerückgang zu Beginn der Pandemie haben wir recht gut gemeistert.
Wie stark sind Sie aktuell von Materialengpässen und Preissteigerungen betroffen? Können Sie z. B. Preissteigerungen an Kunden weitergeben?
Unsere Produkte werden von Architekten, Ingenieuren, Bauunternehmen oder Gebäudeverwaltern genutzt. Deren Investitionsentscheidungen für bestimmte Softwarelösungen hängen nicht wirklich von aktuellen Preisanstiegen bei Bauprojekten ab. Das wäre allenfalls vorstellbar, wenn die Baukonjunktur insgesamt ins Stocken geriete - dafür gibt es aber keine Anzeichen. Ineffizienzen werden durch Preissteigerungen sogar noch verschärft. Der Druck wächst, die noch oft manuellen Prozesse zu hinterfragen und auf digitale Lösungen zu setzen.
Wie wirkt sich das aktuelle Umfeld auf die Geschäftsentwicklung im dritten Quartal und im Gesamtjahr aus?
Wir sind mit dem bisherigen Geschäftsverlauf sehr zufrieden. Nach dem sehr starken zweiten Quartal haben wir deshalb Ende Juli unsere Prognosen für das Gesamtjahr 2021 nach oben angepasst. Die Ergebnisse des dritten Quartals geben wir am 28. Oktober bekannt.
Sie wollten ursprünglich den Umsatz von Nemetschek mittelfristig auf eine Milliarde Euro verdoppeln - wo stehen Sie?
Nemetschek hat 2020 konzernweit knapp 600 Mio. Euro erlöst. In diesem Jahr wollen wir um 12 bis 14 % zulegen, und auch für die kommenden Jahre gehen wir im Durchschnitt von einem prozentual zweistelligen Wachstum aus. Ich würde also sagen: Wir sind auf einem guten Weg.
Welche jährlichen Umsatz-Wachstumsraten streben Sie an - organisch und über Zukäufe?
Langfristig streben wir aus eigener Kraft ein durchschnittliches jährliches Wachstum von mehr als 10 % an. Bei den zusätzlichen Wachstumspotenzialen über Zukäufe gibt es kein festes Ziel, denn wir tätigen keine Akquisitionen, um Umsatz zu kaufen, sondern um Marktanteile zu gewinnen oder um uns technologisch zu verstärken.
Wo stehen Sie 2021 bei der operativen Marge - und welches Margenziel verfolgen Sie mittelfristig?
Für das laufende Jahr haben wir die Zielmarge bereits deutlich auf 30 bis 32 % angehoben nach zuvor 27 bis 29 %. Unser Anspruch ist unverändert, das hohe Margenniveau langfristig zu halten und gleichzeitig stark in neue Produkte und Lösungen sowie in neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Kurzfristig kann die laufende Umstellung unseres Geschäfts von Lizenz- auf Mietmodelle die Marge leicht beeinträchtigen, aber wir sind vom Sinn und den langfristigen Chancen der Umstellung überzeugt.
In welchen Geschäftssegmenten wollen Sie über Zukäufe wachsen?
Grundsätzlich in allen unserer vier Segmente, wobei wir im Segment Design, das sich an Architekten, Planer und Ingenieure richtet, bereits sehr gut aufgestellt sind. Entscheidendes Kriterium für Akquisitionen ist, dass wir den Kundennutzen durch innovative Lösungen erhöhen. Und natürlich prüfen wir genau, ob die - mittlerweile stolzen - Preisvorstellungen auf der Verkäuferseite wirtschaftlich vertretbar sind. Neu sind bei uns Venture- und Start Up-Investitionen in junge Unternehmen. Davon erhoffen wir uns Kooperations- und Innovationsansätze über das Angestammte hinaus.
Wo stehen Sie bei der Umstellung des Geschäftsmodells von Lizenzen auf Abos?
Wir wollen den Kunden das anbieten, was für sie Sinn macht, deshalb fahren wir mancherorts auch ein paralleles Angebot. Der Anteil von reinen Mietmodellen am Konzernumsatz machte 2020 bereits einen Sprung von 9 auf 15 % und wird sich dieses Jahr weiter erhöhen. Rechnet man die Erlöse aus Serviceverträgen hinzu, so machten diese so genannten wiederkehrenden Umsätze im vergangenen Jahr bereits mehr als 60 % des Konzernumsatzes aus - Tendenz steigend. Mietmodelle erhöhen unsere Planungssicherheit und werden auch von den Kunden immer mehr nachgefragt, deswegen treiben wir dieses Angebot bei allen Marken mit Hochdruck voran.