Seit Anfang März hat der Bausoftwarekonzern Nemetschek einen neuen Vorstandschef: Den früheren Cisco-Manager Yves Padrines. In seinem ersten Interview erläutert der 45-Jährige Franzose, wie er den Umbau des Geschäftsmodells auf Cloud­-Abos vorantreiben will. Padrines kündigt zudem ein beschleunigtes Wachstum des MDAX-Konzerns an - die erste Umsatzmilliarde erreiche man wohl auch schneller als erwartet. Nemetschek sei zudem finanziell so gut aufgestellt, dass man auch größere Zukäufe stemmen könne.

Börse Online: Sie sind angetreten, Wachstums- und Ertragspotenziale von Nemetschek zu heben. Am stärksten wächst der MDAX-Konzern derzeit mit Software für die die Unterhaltungs- und Filmindustrie. Welche Pläne haben Sie mit der neuen Sparte?


YVES PADRINES: Nach erfolgreicher Integration zweier US-Zukäufe haben wir unsere Medientochter Maxon Ende 2021 durch Pixologic, einem Spezialisten für digitale 3-D-Modellierung, weiter gestärkt. Damit haben wir Maxon zu einem führenden Anbieter im Bereich 3-D-Animationen geformt. Aufgrund stark steigender Nachfrage nach digitalen Inhalten in der Film- und Werbeindustrie sind wir für das Segment unverändert sehr zuversichtlich. 2021 lag der Umsatzanteil bereits bei zehn Prozent und wird sich weiter erhöhen.

Das traditionelle Hauptstandbein von Nemetschek ist Bau- und Architektensoftware. Rechnen Sie bei steigenden Notenbankzinsen mit negativen Effekten für die Baukonjunktur und ihr Geschäft?


Aus heutiger Sicht erwarten wir einen begrenzten Effekt. Die Zinsen sind zwar teilweise gestiegen, im historischen Vergleich aber immer noch niedrig. Hinzu kommt, dass unser Wachstum - neben dem hohen Anteil wiederkehrender Umsätze - vor allem durch strukturelle Treiber beeinflusst wird, die konjunkturunabhängig sind. Hierzu zählen unter anderem die unverändert geringe Digitalisierung im Bausektor, die steigende Nachfrage nach Softwarelösungen aufgrund regulatorischer Anforderungen und der Trend zu Energieeffizienz am Bau. Hinzu kommt unsere starke Position in der Medien­ und Entertainment­Industrie, die ebenso ein großes Marktpotenzial bietet.

Wie kommen Sie beim Umbau des Geschäftsmodells von Lizenzen auf Cloud-Abos voran?


Wir konnten den Cloud­- und Subskriptions-­Umsatzanteil in den letzten beiden Jahren bereits auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Wir sind guter Dinge, dass wir den Umsatzanteil von Subskription und Cloud bis 2023 um mehr als 100 Prozent steigern können. Zusammen mit den Serviceverträgen würde Nemetschek dann sogar einen Anteil wiederkehrender Umsätze von mehr als zwei Dritteln haben.

2022 soll der Umsatz um zwölf bis 14 Prozent zulegen (2021: 681 Millionen Euro) und die operative Umsatzrendite bei 32 bis 33 (2021: 32,6) Prozent liegen. Bleibt es beim mittelfristigen Ziel von zehn Prozent Umsatzwachstum pro Jahr?


Ja, ein Konzernwachstum von mehr als zehn Prozent ist nach wie vor unser Anspruch. Nach erfolgreicher Umstellung auf Subskription und Cloud sind strukturell sogar noch höhere Wachstumsraten möglich. Die Umsatzmilliarde (nach 681 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2021) haben wir weiterhin fest im Blick. Ich bin sicher: Wir werden sie eher früher als später erreichen.

Welche Rolle spielen Zukäufe bei Ihrer Wachstumsstrategie?


Unsere Prognose für 2022 beruht einzig auf organischem Wachstum. Akquisitionen blei­ben weiter wichtiger Bestandteil unserer Strategie. Dabei haben wir uns zuletzt auf kleinere und mittelgroße Firmen konzen­triert. Durch das starke Wachstum der vergangenen Jahre und aufgrund unserer sehr soliden Bilanz sind wir mittlerweile offen für alle Arten von Zukäufen. Die finanziellen Mittel dafür haben wir.