Es ist ein Deal, bei dem Mark Schneider, Chef des Schweizer Lebensmittelriesen Nestlé, auf seine Kompetenz als Ex-Lenker des Gesundheitskonzerns Fresenius setzen kann. Fast vier Jahre nach dem Erwerb der ersten Anteile am US-Spezialisten zur Behandlung von Lebensmittelallergien, Aimmune Therapeutics, wollen die Eidgenossen die Firma aus Kalifornien nun komplett übernehmen.
Aimmune firmiert künftig im Portfolio der Tochter Nestlé Health Sciences (NHSc), die seit 2016 an der Firma beteiligt ist. Die Offerte von 34,50 Dollar pro Aktie entspricht einer Prämie von 174 Prozent auf den Schlusskurs von Freitag. Für die noch ausstehenden 74 Prozent der Anteile zahlt Nestlé rund zwei Milliarden Dollar. Finanziert werden soll der Deal aus den liquiden Mitteln der Eidgenossen, sprich aus dem Geschäft, dem sogenannten Cashflow. Gemessen am Aufschlag scheint der Preis hoch, mittelfristig könnte es jedoch ein Schnäppchen sein.
Erster Blockbuster für Nestlé
Aimmunes Palforzia ist das bisher erste und einzige von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassene Medikament zur Behandlung von Erdnussallergie. Die Zulassung für Europa wird für Ende des Jahres erwartet. Greg Behar, Chef der Nestlé- Sparte NHSc, traut Palforzia mittelfristig jährliche Umsätze von mehr als einer Milliarde Dollar zu. Analysten erwarten, dass diese Schwelle 2025 erreicht sein wird. Damit wäre Palforzia der erste sogenannte Blockbuster im Nestlé-Portfolio.
Die Erdnussallergie ist die weltweit häufigste Lebensmittelallergie. Die Behandlung mit Palforzia soll ihre Häufigkeit und Schwere deutlich verringern, einschließlich einer Anaphylaxie bei Kindern im Alter von vier bis 17 Jahren, die von Hautreaktionen bis zu Störungen von Organfunktionen und bei einem anaphylaktischen Schock auch zum Versagen des Kreislaufs führen kann.
Neben Palforzia entwickelt Aimmune weitere Arzneien zur Behandlung von Lebensmittelallergien. Nestlé zufolge leiden weltweit 240 Millionen Menschen an allergischen Reaktionen ihres Körpers auf verschiedene Lebensmittel. Der Ausbau des Geschäfts in jenen medizinischen B ereichen, der an den Lebensmittelmarkt angrenzt, wie jetzt mit Aimmune, ist ein Hauptanliegen Schneiders.
Auch deswegen holten die Schweizer den Chef des Gesundheitskonzerns Fresenius Anfang 2017 zu Nestlé. Zur Handschrift Schneiders passt auch ein kleinerer Zukauf der Tochter Nestlé Health Science vor wenigen Wochen. Die amerikanische IM Health Science wurde aus Privatbesitz erworben. Die 2013 gegründete Firma aus Florida verkauft Produkte, die bei der Behandlung von Verdauungs- und Schlafproblemen helfen sollen und wachse um ein Vielfaches schneller als der Markt, teilte Nestlé mit. Die bisher in den USA und Kanada erhältlichen Produkte sollen auch in anderen Ländern vertrieben werden.
Den Kurs von Nestlé mit 300 Milliarden Euro Börsenwert neu zu justieren, erfordert viel Geduld und Zeit. Aimmune mit Nestlé Health Sciences ist im Segment "Andere Geschäfte" eingeordnet. Mit umgerechnet 4,1 Milliarden Euro Umsatz ist es das kleinste im Konzern, der allein im ersten Halbjahr umgerechnet 38,3 Milliarden Euro Gesamterlös einfuhr.
Und manchmal entwickeln sich auch milliardenschwere Zukäufe nicht wie erhofft. So wurde vor drei Jahren für 2,3 Milliarden Dollar Atrium Innovation gekauft. Mit ihrer stärksten Marke Garden of Life sind die Kanadier Amerikas Nummer 1 bei natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Bisher gelang es jedoch nicht, die Marke wie ursprünglich geplant auf mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz weiterzuentwickeln.
Der jüngste Deal dürfte Chef Schneider dennoch besonders freuen. Aimmune soll sich schon ab 2021 positiv auf das Wachstum auswirken und ein bis zwei Jahre später auch zum Gesamtergebnis beitragen.
Die Wachstumsprognose für 2020 hat Nestlé mit der Bilanz zum Halbjahr von "mehr als 3,5 Prozent" auf "zwei bis drei Prozent" reduziert. Das wurde jedoch weitgehend erwartet.
Privatanleger aus Deutschland können Schweizer Aktien jedoch nur an ihrer Heimatbörse in Zürich handeln.
Aufwind: Die Aktie notiert nahe
an ihrem Allzeithoch. Anleger
honorieren den Umbau des
Schweizer Lebensmittelriesen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 125,00 CHF
Stoppkurs: 85,00 CHF