In den ersten Wochen des Jahres haben Tech-Aktien verloren und defensive Aktien gewonnen. Die Nestlé-Aktie - eigentlich ein klassischer defensiver Wert - hingegen hat seit Jahresbeginn dennoch zwölf Prozent verloren. Nestlé leidet wie auch der britische Konkurrent Unilever unter der Inflation und den steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie, Transport und Arbeitskräfte. Es seien mit Blick auf die Kosteninflation "turbulente Zeiten", sagte Nestlé-Chef Mark Schneider am Donnerstag.
Das zeigt sich auch in der Bilanz von 2021 und dem Ausblick für 2022, die der Konsumgüterriese im schweizerischen Vevey am Genfer See vorstellte. So sank die operative Marge im vergangenen Jahr von 17,7 Prozent auf 17,4 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet Schneider, dass die Profitabilität auf 17 Prozent fällt oder nur leicht auf 17,5 Prozent steigt. Denn die Kosten dürften in diesem Jahr noch schneller zulegen als 2021, sagte er bei einer Telefonkonferenz. Auch der Konsumgüterriese Unilever hatte kürzlich vor schrumpfenden Margen im Jahr 2022 gewarnt, weil er den Preisanstieg nicht komplett an seine Kunden weitergeben könne.
Wachstumstempo dürfte abnehmen
Außerdem dürfte Nestlé 2022 mit einem Umsatzplus von fünf Prozent langsamer wachsen als noch im Vorjahr. "Wir haben ein gewisses Element der Vorsicht für unsere Prognose für 2022 in Anbetracht des inflationären Umfelds", sagte Schneider.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr wuchs Nestlé allerdings schneller, als es Analysten erwartet hatten. Der Umsatz stieg auf 87,1 Milliarden Franken. Um Zukäufe, Verkäufe von Sparten und Währungseinflüsse bereinigt ist das ein Plus von 7,5 Prozent. Im Vorjahr stand nur ein Plus von 3,6 Prozent zu Buche. Mittelfristig rechnet das Unternehmen mit einem "anhaltenden organischen Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich". Die zugrunde liegende operative Gewinnmarge soll sich "anhaltend moderat" verbessern.
Auch in 2022 will Nestlé die anziehenden Kosten über Preiserhöhungen abfedern, "und zwar über alle Länder und Kategorien hinweg". So wurde es etwa beim Kaffee-Geschäft mit Marken wie Nescafe, Nespresso und Starbucks, das im vergangenen Jahr ein Wachstumstreiber war, umgesetzt. Und auch die Verkäufe von Heimtiernahrung und Gesundheitsprodukten florierten. Gute Geschäfte machten die Schweizer mit dem Einzelhandel. Zudem profitierte Nestlé davon, dass auch über die Gastronomie wieder mehr verkauft wurde.
Wassergeschäft wächst
Zudem scheint sich die Neuausrichtung auf die Premiummarken beim Wasser für den Konzern auszuzahlen. Das Wassergeschäft, das in der Vergangenheit eher schwächelte, wuchs um 6,8 Prozent.
Nestlé baut sein weltweites Wassergeschäft bereits seit längerem um und konzentriert sich nun vermehrt auf internationale Premiummarken und Mineralwasser. Dafür hat sich der Konzern beispielsweise von seinen regionalen Quellwassermarken und dem Geschäft mit gereinigtem Wasser und den Getränkelieferservices in den USA und Kanada getrennt und Premium-Wassermarken wie die amerikanische Essentia aufgekauft.
Nestlé-Dividende steigt erneut
Unter dem Strich verdiente Nestlé 16,9 Milliarden Franken, rund 38 Prozent mehr als im Vorjahr. Dazu trug maßgeblich der Verkauf einiger Anteile an dem französischen Kosmetikkonzern L'Oreal bei, der dem Lebensmittelkonzern 8,9 Milliarden Euro in die Kasse gespült hatte.
Vom Gewinnanstieg profitieren auch die Aktionäre: Sie sollen eine Dividende von 2,80 Franken erhalten, nach 2,75 Franken im Vorjahr. Das wäre die 27. Dividendenerhöhung in Folge.
Zudem hat der Konzern zu Jahresbeginn ein neues Aktienrückkaufprogramm im Umfang von bis zu 20 Milliarden Franken gestartet. Das Unternehmen erwartet, in den ersten zwölf Monaten Aktien im Wert von etwa zehn Milliarden Franken zurückzukaufen. Das Programm soll bis Ende Dezember 2024 abgeschlossen sein.
Personaländerungen im Verwaltungsrat
Nestlé nominiert Luca Maestri, den aktuellen Finanzchef von Apple, zur Wahl in seinen Verwaltungsrat. Der Italiener, der seit 2014 für die Finanzen des iPhone-Herstellers verantwortlich ist, soll nach der Generalversammlung am 7. April in das Gremium einziehen.
Zudem wird Chris Leong, Marketing-Chefin beim französischen Elektrotechnik-Konzern Schneider Electric, zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen. Nestlé zufolge zieht sich Ann M. Veneman aus dem Gremium zurück. Verwaltungsratsmitglied und Adidas-Chef Kasper Rorsted habe außerdem beschlossen, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen. Mit den Vorschlägen des Kandidaten und der Kandidatin werde der Nestlé-Verwaltungsrat nun aus 14 Mitgliedern bestehen.
Einschätzung zur Nestlé-Aktie
Analyst Andreas von Arx von der Baader Bank fand am Donnerstagmorgen lobende Worte für Nestlé. Die Zahlen für das vergangene Jahr seien gut ausgefallen, schrieb er in einer Studie. Zudem deute die Prognose darauf hin, dass der Kostendruck bei Nestlé weniger stark ausfalle als bei zahlreichen Konkurrenten.
Bei den Anlegern kamen die Zahlen und der Ausblick hingegen nicht gut an. Kurz nach Handelsbeginn an der Schweizer Börse gab die Nestlé-Aktie rund ein halbes Prozent nach. Für Anleger aus der EU ist der Aktienhandel an der der Schweizer Börse schwierig. Grund ist der Streit zwischen der EU und der Schweiz um ein Rahmenabkommen, in dessen Zuge die EU die Börsenäquivalenz der Schweizer Börse hatte auslaufen lassen. Weil die Schweizer Börsenregulierung damit von der EU nicht mehr als gleichwertig anerkannt wurde, ist seither Marktteilnehmern aus der EU der Aktienhandel an der Schweizer Börse verboten. Durch einen Umweg über den Handelsplatz Zürich - was allerdings meist teurer ist - ist der Handel aber in der Regel doch möglich.
Dennoch sehen wir die Nestlé-Aktie als solides Basisinvestment. Gebühren beachten.
fh/rtr/dpa-AFX