Die Notenbank in der Schweiz hat am vergangenen Donnerstag eindrucksvoll bewiesen, dass sie jederzeit zu handfesten Überraschungen in der Lage ist. Denn die zusammen mit der Senkung des Zinsguthabens auf Girokonten um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent getroffene Entscheidung, den vor mehr als drei Jahren eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufzugeben, erwischte die Marktteilnehmer auf dem völlig falschen Fuß.
Wie sehr, lässt sich leicht am lokalen Aktien- und Devisenmarkt ablesen. So brach der Euro am Donnerstag in der Spitze von gut 1,20 Franken auf unter 0,86 Franken ein, bevor er auch gestützt von Eingriffen der Schweizer Notenbank am Freitag knapp unter der Parität aus dem Handel ging. Damit hat die Schweizer Landeswährung gegenüber dem Euro binnen weniger als eine Woche fast 20 Prozent an Wert zugelegt. Nicht viel weniger heftig ging es am Schweizer Aktienmarkt zu. Der SMI-Aktienindex verlor am Freitag sechs Prozent und hat damit bei hohen Handelsumsätzen an den leiden beiden Handelstagen der Vorwoche rund 15 Prozent eingebüßt, bevor sich die Notierungen dann am Montag wieder etwas erholten.
Auch die im SMI vertretenen Namensaktien von Nestlé (WKN: A0Q 4DC, 67,10 Schweizer Franken, 65,92 Euro, Kurse vom 19.01.) kamen bei diesem Gemetzel nicht ungeschoren davon. In Franken verbilligte sich der Titel von den noch zum Handelsschluss am Mittwoch gültigen 74,15 Franken auf die am Freitag gültigen 64,80 Franken. Das entspricht einem herben Minus von 12,6 Prozent. Für einen als soliden eingestuften Qualitätswert wie Nestlé, der nach Produkte aufgeschlüsselt 21 Prozent der Umsätze mit Getränke erzielt, 19 Prozent mit Milchprodukten und Eiscreme, 16 Prozent mit Fertiggerichten und elf Prozent mit Tierfutter, ist das wahrlich keine oft zu beobachtende Schwäche.
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Aktie bewegt sich in Euro gerechnet sogar auf Rekordniveau
Anleger aus dem Euro-Raum können damit aber locker umgehen, denn sie hatten Glück im Unglück. Dank der starken Aufwertung des Franken gegenüber der europäischen Einheitswährung konnte sie in Euro umgerechnet vergangenen Donnerstag und Freitag sogar ein Plus von 6,7 Prozent einstreichen. Völlig unterschiedlich gestalten sich dadurch auch die Chartbilder. In Euro gerechnet ist der Wert auf neue Rekorde vorgestoßen, was gleichbedeutend mit einem völlig intakten charttechnischen Aufwärtstrend ist. Schaut man sich dagegen den entscheidenderen Franken-Chart an, dann ist schon einiges an Schaden angerichtet worden. Allerdings hat der langfristige Aufwärtstrend bisher gerade noch so gehalten und wenn diese wichtige, bis zum März 2009 zurückreichende Unterstützung auch weiterhin verteidigt werden kann, wäre das charttechnisch betrachtet ein sehr ermutigendes Zeichen.
Wie das deutliche Kursminus deutlich macht, leidet aber auch Nestlé unter dem Währungsschock, schließlich erwirtschaftet der multinationale Konzern mehr als 98 Prozent der Umsätze außerhalb der Schweiz. Konkret wird der Umsatz zu rund 50 Prozent in Nord- und Südamerika und zu jeweils rund 25 Prozent in Europa und Asien generiert. 2013 stammten von den damals erzielten Umsätzen von 92,16 Milliarden Franken nur 1,512 Milliarden Dollar oder umgerechnet 1,6 Prozent aus der Schweiz. Auch wird bei Nestlé kaum aus der Schweiz heraus exportiert und die Gesellschaft ist auch von verstärkten Importen von Konkurrenzprodukten in die Schweiz nur wenig betroffen.
Belastungen ergeben sich bei dieser Aufstellung vor allem über einen translatorischen Währungseffekt, wenn die von Tochterunternehmen im Ausland erwirtschafteten Umsätze und Gewinne bei einer Umrechnung in die Berichtswährung Franken umgewandelt werden.
Bei der UBS wird der aus einer zehnprozentigen Abwertung des Euro zum Franken resultierende negative Gewinneffekt auf rund drei Prozent geschätzt. Das sehen die Analysten von Exane anscheinend ähnlich. Sie haben ihre Gewinnschätzungen vor allem wegen der erwarteten negativen Währungseffekte für 2015 und 2016 um 15 Prozent gekürzt. Das Kursziel wurde zudem von 77 auf 66 Franken gesenkt und das Anlageurteil von Neutral auf Underperform verändert. Sogar noch etwas negativer gestimmt sind die Verantwortlichen bei Goldman Sachs. Die US-Investmentbank hat ihre Verkaufsempfehlung bekräftigt und das Kursziel von 65 auf nur noch 59 Franken gesenkt.
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Währungsdruck zwingt zu besonders hoher Fitness im Konzern
Schießen die Kurse in einer Überreaktion nach unten über, dann ist ein Rückfall in diese Region oder vielleicht sogar darunter nicht komplett auszuschließen. Doch selbst in dem sich zum schlechteren veränderten Umfeld lassen sich auch noch immer Argumente zugunsten von Nestlé finden. Neben dem wichtigsten Pfand, das neben einem erfolgreichen Geschäftsmodell aus einem erstklassigen Markenportfolio besteht, kann der weltgrößte Nahrungsmittelproduzent jetzt seine Position mittelfristig vielleicht sogar noch einfacher stärken. Zumindest wird es durch den festen Franken billiger, im Ausland weiter auf Einkaufstour zu wegen. Außerdem werden die Verantwortlichen den Währungsschock sicherlich zum Anlass nehmen, um den Konzern dort wo nötig einer weiteren Fitnesskur zu unterziehen. Bei J.P. Morgan trauen die Analysten Nestlé jedenfalls auch weiterhin zu, schneller zu wachsen als die Branchenkonkurrenten. Darüber hinaus sind die Schweizer auch in der Forschung mit führend, wobei die Arbeiten an Schlankheits-Smoothies oder Schlankheitsriegel besonders viel Zukunftsphantasie beinhalten.
Bei der Dividendenrendite bleibt zwar abzuwarten, inwieweit die Ausschüttung wie erwartet weiter erhöht werden kann. Die Analysten der Deutschen Bank haben hier beispielsweise bisher von 2014 bis 2016 jeweils eine Dividendenanhebung von 0,10 Franken unterstellt. Doch möglicherweise korrigiere der Vorstand angesichts der neuen Rahmendaten die bisherigen Planungen, auf denen diese Prognosen beruhen. Sollte die Gewinnschätzungen für 2015 etwa um 14 Prozent gesenkt werden müssen, dann würde eine Ausschüttung von 2,35 Franken je Aktie auf einen Ausschüttungssatz von rund 75 Prozent hinauslaufen. Das werde konzernintern möglicherweise als zu hoch eingeschätzt. Zu bedenken ist aber auch folgendes: Durch den jüngsten Kursrutsch ist die Dividendenrendite auf Basis der bisher für das Geschäftsjahr 2014 erwarteten Ausschüttung gestiegen. Weil die Schweiz inzwischen sogar Negativzinsen eingeführt hat, ist der Anlagenotstand im Land noch größer geworden und viele Eidgenossen werden als Ausweg aus diesem Zinsdilemma verstärkt auf inländische Dividendenzähler setzen, die wie Nestlé als solide wahrgenommen werden.
Wer bei den Aktien von Nestlé wirklich nach einem Haar in der Suppe sucht, der landet zwangsläufig bei der Bewertung. Legt man beispielsweise die von J.P. Morgan für 2015 von 3,38 Franken auf 3,13 Franken gesenkte Gewinnprogose zu Grunde, dann ergibt sich auf dieser Basis ein KGV von 21,4. Das ist hoch und vielleicht sogar noch stattlicher mutet das von der Börse Online-Datenbank auf 4,4 bezifferte Kurs-Buchwert-Verhältnis an. Das sind Bewertungsrelationen, die kaum Luft lassen, ohne dass etwaige Ergebnisenttäuschungen beim Aktienkurs deutlich bestraft werden. Anleger sollten das bei diesem Titel stets im Hinterkopf behalten.
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Ergebnisbekanntgabe am 19. Februar sollte mehr Licht ins Dunkel bringen
Investoren aus dem Euro-Raum, die unserer bisherigen Kaufempfehlung für den Wert gefolgt sind, sollten Gewinne laufen lassen, falls sie das Engagement als Langfristinvestment sehen und kurz- bis mittelfristig keine Wunderdinge von dem Titel erwarten. Jetzt noch auf kurzfristig weiter fallende Kurse zu setzen, scheint nach den bereits erlittenen Verlusten aber ebenfalls riskant zu sein. Dafür ist der Titel einfach zu beliebt und solange die Hausse am Gesamtmarkt nicht allgemein endet, dürfte bei einer beliebten Aktie wie Nestlé jede Kursschwäche von Schnäppchenjäger zum Einstieg genutzt werden.
Folglich lautet der Rat, an bestehenden Positionen festzuhalten, vor etwaigen neuen Käufen aber erst einmal abzuwarten, welche Folgen sich über die Währungsschiene noch einstellen werden. Wichtige Hinweise dazu sollte es bereits am 19. Februar bei der Bekanntgabe der Geschäftszahlen für 2014 geben. Abhängig von dem, was der Vorstand da zu berichten hat, kann der Titel dann voraussichtlich wieder analytisch sauberer beurteilt werden als dies aktuell der Fall ist.