Gerät Netflix jetzt ins Straucheln? In den drei Monaten bis Ende Juni gewann Netflix weltweit lediglich 2,7 Millionen neue Bezahlabos dazu, wie der Streaming-Dienst am Mittwochabend nach US-Börsenschluss in Los Gatos mitteilte.
Das kam bei den Anlegern nicht gut an. Die Nutzerzahlen blieben weit hinter den Erwartungen der Wall-Street-Experten zurück, die mit 5,05 Millionen neuen Abonnenten gerechnet hatten. Und verfehlte damit auch die eigene Prognose von fünf Millionen Neunutzern. Es kommt noch schlimmer: Erstmals seit acht Jahren verloren die Kalifornier in den USA Kunden - 130.000 Nutzer kündigten ihr Abo.
Außerhalb des US-Heimatmarktes gewann der Techkonzern neue Kunden. So stieg die Zahl der bezahlten Mitgliedschaften weltweit auf knapp 152 Millionen.
Netflix-Inhalte weniger beliebt
Das schwache Wachstum kommt wiederum nicht ganz überraschend: Im abgelaufenen Quartal lieferte Netflix weniger ansprechende Filme und Serien. Zudem habe man in etlichen Ländern - darunter auch Deutschland - die Preise angehoben, was das Wachstum gebremst hätte, so Netflix am Mittwochabend. Konzernchef Reed Hastings betonte allerdings, dass Netflix bis Ende 2019 insgesamt erneut mehr Abonnenten haben werde als im Vorjahr. Er ist auch zuversichtlich für das laufende dritte Quartal. Netflix peilt hier weiterhin ein Plus von sieben Millionen neuen Nutzern an.
Im zweiten Quartal verbuchte der Streaming-Dienstleister einen Rückgang des Nettogewinns um fast 30 Prozent auf 271 Millionen Dollar gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Umsatz hingegen legte um ein Viertel auf 4,9 Milliarden Dollar zu.
Konkurrenten sind Netflix auf den Fersen
Netflix gilt als Pionier unter den Streaming-Dienstleistern, doch jetzt greift die Konkurrenz an. Noch 2019 wollen Medienriesen wie Walt Disney oder Warner Bros eigene Abo-Dienste anbieten. "In den kommenden zwölf Monaten werden Disney, Apple, WarnerMedia, NBCUund andere Firmen Streaming-Unterhaltung anbieten, so wie es Hulu, Amazon, BBC, Hotstar, Youtube, Netflix und viele andere bereits tun", heißt es dazu im Brief an die Investoren. Und: "Das Werben um die Freizeit der Leute wird von allen Unternehmen hart geführt werden." Im Gegensatz zu Netflix verfügen diese anderen Unternehmen aber über beträchtliche Finanzmittel.
Doch was bedeutet das für Netflix? Das Marktforschungsinstitut Nieseln fand kürzlich heraus, dass die fünf erfolgreichsten Serien in der Netflix-App im vergangenen Jahr Zukäufe waren: The Office, Friends, Grey's Anatomy, NCIS und Criminal Minds. Laut Nielsen verbringen die Abonnenten zwei Drittel ihrer Zeit mit Inhalten, die Netflix nicht selbst produziert hat.
Alleine für die Kultserie "Friends" bezahlte Netflix in diesem Jahr rund 80 Millionen Dollar für die Rechte am amerikanischen Markt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Und genau die Serienhits wie "Friends" oder "The Office" verliert Netflix nun an direkte Rivalen. Eine mögliche Folge davon: Netflix-Nutzer wechseln zu anderen Portalen.
Doch auch Netflix hat an Eigenproduktionen viel zu bieten: So geht der Streaming-Anbieter im laufenden Quartal mit neuen Staffeln der beliebten Serien "Stranger Things" und "Orange is the new black" ins Rennen, die viele zusätzliche Abokunden anlocken könnten. Schon jetzt seien die ersten beiden Wochen im Juli stark gewesen, heißt es vom Unternehmen. Zudem sollen in der zweiten Jahreshälfte weitere Staffeln von den Publikumslieblingen "The Crown" und "Haus des Geldes" folgen.
Auf Einnahmen durch Werbung will Netflix weiterhin ganz bewusst verzichten. "Wir glauben, dass wir langfristig ein wertvolleres Geschäft betreiben, indem wir uns aus dem Wettbewerb um Werbeeinnahmen heraushalten und stattdessen voll und ganz um die Zufriedenheit der Zuschauer konkurrieren", heißt es im Brief an die Aktionäre.
Einschätzung der Redaktion
Anleger zeigten sich von den schwachen Abozahlen schockiert. Zu Handelsbeginn brach die Netflix-Aktie um elf Prozent ein. Ein langsameres Wachstum sei erwartet worden, der Rückgang sei aber schockierend, kommentierte Clement Thibault, Analyst bei Investing.com.
Die heftige Marktreaktion ist verständlich. Netflix habe die Erwartungen so stark verfehlt wie nie zuvor, erklärt der Analyst Julian Mitchell von der Schweizer Bank Credit Suisse. Insgesamt seien die Zahlen eine deutliche Enttäuschung.
Charttechnisch betrachtet bewegt sich der Kurs seit mehreren Monaten seitwärts. Mit dem heutigen Kurssturz bricht die Aktie allerdings durch die psychologisch wichtige 200-Tagelinie bei 298 Euro: Ein mögliches Zeichen dafür, dass es für das Papier weiter bergab gehen kann. Es droht der tiefste Stand seit Januar.
Mit einem Börsenwert von 126 Milliarden Euro gehört Netflix zu den zehn wertvollsten Tech-Unternehmen der Welt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 98 ist die Netflix-Aktie hoch bewertet. Wir raten bereits investierten Anlegern die Aktie zu halten.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 350,00 Euro
Stoppkurs: 250,00 Euro