DAS IST LOS BEI NETFLIX

Keine 1000 Filme hatten die 30 Netflix-Mitarbeiter zur Unternehmensgründung 1997 im Angebot. Die waren zwar schon online ausleihbar - aber nur auf DVD. Und auch beim Börsengang fast fünf Jahre später war die Online-Videothek noch ein ziemlich kleiner Fisch im Haifischbecken der großen Medien- und Unterhaltungskonzerne.

Seitdem hat sich viel getan: Statt roter Zahlen wie in den Anfangsjahren kann Netflix inzwischen deutliche Gewinne vorweisen. So hoch wie beim Unterhaltungsriesen Walt Disney sind freilich noch nicht. Während der bald 100 Jahre alte Traditionskonzern 2017 mit seinem Imperium aus Filmstudios, Fernsehsendern und Freizeitparks 9 Milliarden US-Dollar verdient hat, war es bei dem Emporkömmling gerade einmal eine halbe Milliarde. Und auch beim Umsatz liegt Disney meilenweit vor seinem jungen Konkurrenten.

Die Wachstumsraten sprechen hingegen klar für den Newcomer mit zuletzt rund 125 Millionen Abonnenten: Er hat die Erlöse allein im vergangenen Jahr um ein Drittel gesteigert und den Nettogewinn sogar um das Dreifache, während bei Disney jeweils ein leichter Rückgang zu Buche stand. Entsprechend euphorisch sind die Prognosen der Experten für die weitere Geschäfts- und Kursentwicklung.

Die Bedrohung durch Netflix und das Streamingangebot des Online-Handelsriesen Amazon ist der altgedienten US-Konkurrenz wohl bewusst. Das zeigt die seit Monaten rollende Fusions- und Übernahmewelle in der Branche - sei es die Übernahme des Medienkonzerns Time Warner durch den Telekomriesen AT&T oder der Bieterkampf zwischen Disney und dem Kabelkonzern Comcast um Rupert Murdochs Medienimperium 21st Century Fox (21st Century Fox (A)).

Zudem setzen die etablierten Unternehmen mehr und mehr auf eigene Angebote im Netz. Der zunehmende Konkurrenzkampf treibt auch die Produktionskosten bei Netflix in die Höhe. Im laufenden Jahr will der Konzern 8 Milliarden Dollar US-Dollar für neue Inhalte ausgeben. Das wäre fast ein Drittel mehr als noch 2017. Netflix-Chef Reed Hastings hat dabei vor allem Wachstum im bevölkerungsreichen Indien im Blick.

DAS MACHT DIE AKTIE

Die dynamische Entwicklung von Netflix schlägt sich auch in einer fulminanten Börsenhistorie nieder. Zum Sprung aufs Parkett im Jahr 2002 kostete die Aktie - bereinigt um mehrere Kapitalmaßnahmen - 1,07 Dollar. Zuletzt kostete sie mehr als 400 Dollar, womit das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von fast 180 Milliarden Dollar vorweisen kann. Den Mediendino und bisherigen Branchenplatzhirsch Disney lässt der Newcomer damit inzwischen klar hinter sich.

Dieser Machtwechsel ist der unterschiedlichen Kursentwicklung vor allem seit Jahresbeginn geschuldet: Während sich der Wert der Netflix-Aktie bei immer neuen Rekordständen mehr als verdoppelt hat, steht bei Disney ein Rückgang von etwas mehr als zwei Prozent zu Buche.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN

Analysten bereitet die rasante Kursrally von Netflix keine Kopfschmerzen: Etliche von ihnen sehen für die Aktie immer noch viel Luft nach oben. Unter den von der US-Nachrichtenagentur Bloomberg beobachteten Experten dominieren seit der Vorlage der Quartalszahlen Mitte April die positiven Einschätzungen: 20 Kaufempfehlungen stehen 14 neutrale Einschätzungen gegenüber. Nur 3 Experten raten dazu, die Aktie abzustoßen.

Optimistisch ist etwa Heath Terry von der US-Investmentbank Goldman Sachs: Er traut dem Netflix-Papier einen Anstieg bis auf 490 Dollar zu, was einem Plus von rund einem Viertel entspräche. Dass die für das weitere Kundenwachstum entscheidenden Programminvestitionen schneller stiegen als Umsatz und Gewinn, habe dem Aktienkurs bisher kaum geschadet, betonte Terry. Zudem sollte sich dieser Trend schon ab 2019 umkehren.

Auch Douglas Anmuth von JPMorgan (JPMorgan ChaseCo) hält in diesem Jahr den Wendepunkt bei den Barmitteln für möglich. Denn dank des immer besseren Programmangebots sei Netflix in der Lage, weitere Kunden zu gewinnen und die Preise anzuheben. Die Aktie erscheine daher im Vergleich zu anderen großen Internetaktien immer noch unterbewertet.

Ähnlich sieht das Mark Mahaney vom Analysehaus RBC, der sich mit Blick auf die weitere Kursentwicklung besonders weit aus dem Fenster lehnt: Binnen drei Jahren könnte das Netflix-Papier bis auf 750 Dollar klettern, so seine Prognose.

Auf diesem Kursniveau wäre der Videostreamer an der Börse 325 Milliarden Dollar wert. Technologiegrößen wie den Computerchip-Hersteller Intel oder den Netzwerk-Spezialisten Cisco ließe Netflix damit hinter sich und würde in eine Liga vorstoßen, in der sich aktuell Schwergewichte wie das Online-Netzwerk Facebook oder der aufstrebende chinesische Amazon-Konkurrent Alibaba tummeln.

Eine Klasse höher spielen neben Amazon nur noch der iPhone-Hersteller Apple, der Google (Alphabet C (ex Google))-Mutterkonzern Alphabet (Alphabet C (ex Google)) und der Software-Oldie Microsoft./gl/bek