Für reichliche Schlagzeilen hat am Mittwoch die Meldung gesorgt, wonach der US-Online-Videodienst Netflix Inc. (WKN: 552484, 285,385 Euro) die Expansion in Europa vorantreiben will. Bis Jahresende soll das Angebot des weltgrößten Anbieters neben Deutschland auch in Belgien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Schweiz zu sehen sein.
An der Börse kam diese Nachricht auch ohne genaue Angaben zur Preisstruktur sowie zum Programminhalt gut an. Die Aktie stieg zur Wochenmitte an der Nasdaq um 5,09 Prozent auf 390,60 Dollar. Daraus lässt sich ableiten, dass die Käufer große Hoffnungen in die veröffentlichten Pläne setzen. Allerdings muss das Unternehmen den Beweis erst noch erbringen, dass die Rechnung aufgeht. Bis jetzt schreiben die internationalen Aktivitäten, zu denen in Europa auch an Programmangebot in Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Niederlanden, Norwegen und Schweden gehört, jedenfalls noch rote Zahlen. Und den eigenen Angaben zufolge wird sich mit der Expansion daran zunächst auch nichts ändern.
Aber immerhin: Seit dem im September vollzogenen Start in den Niederlanden, wo ein unbegrenztes Monats-Abo 8,99 Euro kostet, konnten dort bereits 500.000 Kunden gewonnen werden. Das Interesse an dem Produktangebot, mit dem für die Kunden mehr Flexibilität bei der eigenen Programmgestaltung einhergeht, ist somit grundsätzlich vorhanden. Das bestätigen auch die zum Ende des ersten Quartals weltweit 48,4 Millionen Kunden in mehr als 40 Ländern, die das kalifornische Unternehmen inzwischen hat.
Mit 35,7 Millionen kommt dabei der überwiegende Teil aber noch aus dem Heimatland USA, wo man dem Markt für Abrufvideos dominiert. Dort wurde im abgelaufenen Quartal auch ein Gewinn von 201 Millionen Dollar (international fiel gleichzeitig ein Verlust von 35 Millionen Dollar an) eingespielt. Den hausinternen Planungen zufolge soll der im Ausland erzielte Umsatz langfristig die US-Umsätze aber übersteigen (Zielmarke 70-80 Prozent) und irgendwann wird das dann hoffentlich auch beim Gewinn der Fall sein.
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Enormen Chancen stehen auch viele Risiken gegenüber
Angelockt werden die Kunden von einem Programm-Mix aus Spielfilmen, TV-Serien und mittlerweile auch selbst hergestellten Inhalten wie die Web-Politik-Serie House of Cards oder das Web-Comedy-Seriendrama Orange is the New Black. Pikanterweise darf Netflix aber selbst eigene Angebote wie das Aushängeschild House of Cards, das bereits mit dem begehrten Filmpreis Emmy ausgezeichnet wurde, nicht in allen Ländern so ohne weiteres zeigen. In Deutschland beispielsweise hat vielmehr der Bezahlsender Sky die Rechte für die Erstausstrahlung für die gesamte Serienlaufzeit inne. Bei den Senderechten gibt es auch sonst viel Arbeiten zu erledigen, müssen diese doch zumeist für jedes Land einzeln ausgehandelt werden.
Damit gehen Kosten und Risiken einher. Auch sonst warten auf das Unternehmen auf dem angestrebten weiteren Weg nach oben noch viele Hürden und Herausforderungen. So wird sich die Konkurrenz nicht so einfach wehrlos ergeben. So hat ProSieben den Monatspreis für die eigene Online-Videothek Maxdome bereits deutlich auf 7,99 Euro gesenkt und andere dürften nachziehen. Auch Amazon mit seinem Prime-Instant-Video-Dienst wird sich sicherlich noch einiges einfallen lassen, um Netflix das Leben schwer zu machen. Abzuwarten bleibt auch, wie sich Mega-Fusionen im US-Telekom/Mediensektor zwischen Branchengrößen wie AT&Tund DirectTV oder zwischen Comcast und Time Warner Cable auswirken werden.
Im Kampf um Marktanteile (für die UA laut die langfristige Zielvorgabe für die Kundenzahl weit gefasst 60-90 Millionen und im Ausland liegt die Messlatte bei mindestens 120 Millionen) kann Netflix aber auch mit einigen Pfunden wuchern. So sorgte man im Vorjahr mit einer Datenmenge von rund einem Drittel am meisten für den Datenverkehr in den USA. Zum Vergleich: Das war doppelt so viel als bei Youtube. Zudem hat man bereits mehr zahlende Kunden als der zu Time Warner gehörende Premium-Sender HBO und die Zuschauer sehen länger zu als bei jedem Kabelsender. Nicht zu unterscheiden ist auch der Vorteil, der aus einer riesigen Datenbank resultiert, die es ermöglicht, die Kundenwünsche genau zu analysieren.
Für Pluspunkte wie diese müssen Investoren, die bei Netflix als Aktionär dabei sein wollen aber tief in die Tasche greifen. Denn nach dem Kurssprung am Mittwoch beträgt das KGV aus Basis des für 2014 erwarteten Gewinns je Aktie von 4,20 Dollar satte 93. Selbst wenn man wie Analysten das momentan im Schnitt tun, der 1997 gegründeten Gesellschaft in den kommenden fünf Jahren ein Gewinnplus von 35 Prozent p.a. zutrauen, ist das doch bereits eine stattliche Bewertung. Ähnliches gilt auch für andere Kennziffern wie das Kurs-Umsatz-Verhältnis. Dieses bewegt sich bei einem Börsenwert von 23,41 Milliarden Dollar und einem für 2014 geschätzten Umsatz von 5,44 Milliarden Dollar auf 4,3. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis ist sogar noch viel höhere und eine Dividende wird natürlich auch noch nicht bezahlt.
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Kurzfristiger Abwärtstrend trotz hoher Bewertung wieder überwunden
Vermutlich sind Bewertungsbedenken auch der entscheidende Grund, warum die Analysten mit einem Kursziel von im Schnitt 410 Dollar derzeit nicht mehr allzu viel Kurspotenzial sehen. Denn die skizzierten hohen Bewertungsrelationen werden schnell zu einer schweren Bürde, sobald es an den Börsen einmal nicht mehr so richtig läuft. Was dann passieren kann, wurde erst kürzlich eindrucksvoll demonstriert, als sich viele Marktteilnehmer plötzlich dazu entschieden, bei den hoch bewerteten Aktien Kasse zu machen. Die Netflix-Aktie haben diese Umschichtungen ebenfalls arg in Mitleidenschaft gezogen und von dem noch am 04. April markierten Rekordhoch von 454,98 Dollar ging es anschließend im Zuge einer scharfen Korrektur bis zum 28. April um 31,4 Prozent auf 314,21 Dollar nach unten.
Von diesem Zwischentief hat sich dieser Titel auch dank der zur Wochenmitte verbuchten Gewinne inzwischen aber wieder gelöst. Charttechnisch gesehen hat sich das Bild dadurch schon wieder merklich aufgehellt. Der kurzfristige Abwärtstrend ist geknackt und jetzt sieht es statt nach einem weiteren Absturz eher nach einem neuen Anlauf in Richtung Rekordkurse aus. Solang der Gesamtmarkt mitspielt, kann dieser Angriff nach oben auch gelingen. Denn dann dürfte eine positive Grundstimmung dafür sorgen, dass von den bestehenden Wachstumsaussichten genügend Interessenten mit ihren Käufen angelockt werden, die den Kurs nach oben treiben.
Wer dieses Spiel mitmacht, muss sich aber der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Dreht die Marktstimmung ins Negative, drohen bei einem Momentum-Titel wie Netflix schwere Verluste. Das droht auch denn, wenn sich herausstellen sollte, dass ein Erfolg bei Eigenproduktion wie der mit House of Cards nicht beliebig wiederholbar ist. Um sich vor solchen Gefahren zu schützen, sollten Anleger, die jetzt einsteigen, unbedingt mit an die individuelle Risikobereitschaft angepassten Stopp-Loss-Kursen operieren.