Im Mittelpunkt stehen die italienischen Banken, die mindestens 360 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Büchern stehen haben. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock fürchtet, dass die Krise den Rest Europa anstecken könnte. "Ich bin fest davon überzeugt, dass Italien nun seine Banken rekapitalisieren muss, um Schlimmeres zu verhindern", sagte der Vize-Chef von Blackrock, der ehemalige Präsident der Schweizerischen Notenbank (SNB), Philipp Hildebrand, der "Süddeutschen Zeitung".

Europa habe es verpasst, sein Bankensystem nach der Krise zu sanieren, sagte Hildebrand. "Jetzt kommt so etwas wie die zweite Welle. Wenn wir jetzt die nächste Bankenkrise zulassen, dann wird das den Steuerzahler noch viel mehr kosten." Blackrock sorge sich, dass es in Europas Finanzsektor zu einer Katastrophe komme. "Wir müssen den Bankensektor ein für alle Mal sanieren." Auch die Sorgen um die Kapitalausstattung der Deutschen Bank und der größten italienischen Bank UniCredit waren nach dem Brexit-Votum wieder aufgeflammt.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, hatte am Wochenende ein 150 Milliarden Euro schweres EU-Programm zur Rekapitalisierung der Banken gefordert. Den Banken drohe sonst eine langsame, langfristige Abwärtsspirale. Vorbild sind die USA: Sie hatten alle Großbanken in der Finanzkrise mit milliardenschweren Finanzspritzen versorgt, sie damit stabilisiert - und am Ende damit auch noch Geld verdient.

SCHRITT FÜR SCHRITT



Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sprach sich am Montag aber gegen eine "große Lösung" in Italien aus. "Ich glaube nicht, dass das bei diesem Thema möglich ist. Es ist keine akute Krise." Man müsse Schritt für Schritt vorgehen und sich an die Regeln halten. Die seit Jahresbeginn geltenden Vorschriften in der EU verlangen, zunächst Fremdkapitalgeber und Aktionäre bei der Rettung einer Bank zur Kasse zu bitten, bevor der Staat einspringen darf.

Doch das will Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi auf jeden Fall verhindern: Denn die Banken des Landes haben Anleihen im Milliardenvolumen an ihre privaten Kunden verkauft. Würden sie zur Kasse gebeten, müsste Renzi wohl um sein Amt fürchten. Nach Berichten italienischer Zeitungen will Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan am Montag und Dienstag in Brüssel ausloten, wie die Regierung in Rom Banken helfen kann.

Deutsche Banker stemmen sich heftig gegen staatliche Rettungsaktionen. Helaba-Chef Herbert Hans Grüntker sagte am Montag in Frankfurt, die Lehre aus der Finanzkrise sei, dass Steuerzahler nicht für kriselnde Banken haften sollten. "Ich finde es unglücklich, dass in der ersten Bewährungsprobe dieser neuen Regelungen gleich wieder Ausnahmetatbestände geschaffen werden sollen." Der Präsident der Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, forderte die EU auf, hart zu bleiben. "Dass sich Herr Renzi das jetzt anders wünscht, kann ich politisch nachvollziehen", sagte er in der vergangenen Woche. "Aber es geht hier um die Glaubwürdigkeit der Regeln, die sich Europa gegeben hat."

Blackrock-Manager Hildebrand hält ein staatliches Eingreifen für machbar. Dazu müsse die EU-Kommission nur feststellen, dass die Finanzstabilität in Europa gefährdet sei - und das halte er für gegeben. "Wenn man jetzt eine italienische Großbank Pleite gehen ließe, dann erzeugte man eine Ansteckung bei den Banken in ganz Europa." Basis für die Finanzspritzen könne der Stresstest der Europäischen Zentralbank sein, dessen Ergebnisse Ende Juli veröffentlicht werden sollen, sagte Hildebrand. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte in Brüssel, vorher verböten sich alle Spekulationen.

Als größter Problemfall in Italien gilt das Traditionshaus Monte dei Paschi di Siena, das einen 47 Milliarden Euro hohen Berg an faulen Krediten aufgetürmt hat. Hoffnungen auf Staatshilfen ließen die gebeutelte Monte-Paschi-Aktie am Montag um 6,6 Prozent steigen.

Am Firmensitz in Siena ist der Unmut groß: "Die Regierung muss Verantwortung übernehmen und die Bank und deren Eigentümer retten. Sonst frisst sich der Wundbrand durch das ganze System", sagt Romolo Semplici, ein 58-jähriger Immobilienunternehmer. Ihm sind von den 22.000 Euro, für die er Monte-Paschi-Aktien gekauft hat, ganze 200 geblieben. "Ich war immer für Europa, aber wenn Europa seine eigenen Bürger nicht schützt, sollten wir zweimal überlegen, ob das das Europa ist, in dem wir leben wollen."